Anfang 2023 präsentierten Leonore Gewessler (BMK), Petra Draxl (AMS), Renate Anderl (AK) und Martin Kocher (BMAW) den Aktionsplan „Just Transition“ zu Aus- und Weiterbildungen für die Energiewende. Eine sozial gerechte Energiewende braucht eine klimafreundliche Wirtschafts- und Industriepolitik und den politischen Willen, den Umbau mit den Beschäftigten gemeinsam zu gestalten. Arbeitnehmer:innen müssen dabei unterstützt werden, in Klimajobs zu wechseln und systemrelevante Berufe müssen finanziell aufgewertet werden.
Wer bringt die Klimapolitik auf den Boden?
Die Regierung hat sich selbst den Auftrag erteilt, den für das 1,5-Grad-Ziel notwendigen Klimapfad einzuschlagen und in Österreich bis spätestens 2040 Klimaneutralität zu erreichen. Einen zentralen Beitrag zum Erreichen dieses Ziels müssen der Sektor für erneuerbare Energien und die Baubranche – Stichwort erneuerbare Wärme, thermische und energetische Sanierung – leisten. Aber selbst, wenn die Technologie, der politische Wille und die finanziellen Mittel vorhanden sind: Wer errichtet die Photovoltaik-Anlagen, wer sorgt für eine klimaneutrale Sanierung von bestehenden Gebäuden und wer installiert nachhaltige Heizsysteme?
Das können nur Arbeitnehmer:innen mit den dafür notwendigen Qualifikationen. Nach diesen ist die Nachfrage am Arbeitsmarkt groß. Klimapolitische Maßnahmen und ein Umbau der Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität bedeuten also Chancen, z. B. auf ein erhöhtes Beschäftigungspotenzial in Green Jobs. Im engen Sinne beinhaltet das Arbeitsplätze im Umweltsektor, also in der Herstellung von Produkten, Technologien und Dienstleistungen, die Umweltschäden vermeiden und natürliche Ressourcen erhalten. Diese Arbeitsplätze findet man neben der Energie- und der Bauwirtschaft auch im Wasser- und Abwassermanagement. Für die Energiewende werden nicht nur Menschen mit einem hohen Qualifikationsniveau gesucht, sondern auch Menschen mit Lehrabschluss und spezifisch qualifizierte Hilfsarbeiter:innen.
Der Just Transition-Aktionsplan zu Aus- und Weiterbildung legt für drei zentrale Handlungsfelder „Bauen und Sanieren“, „Erneuerbare Wärme“ und „Erneuerbarer Strom“ wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen vor. Vorangegangen ist dem Aktionsplan ein einjähriger Prozess mit Stakeholdern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Das Projekt, das im Dezember 2020 gestartet hat, wurde vom Bundesministerium für Klimaschutz (BMK) gemeinsam mit dem Arbeitsmarktservice (AMS) Wien und der Arbeiterkammer (AK) Wien unter Einbindung des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) initiiert. Ziel war es, die sich verändernde Nachfrage nach Arbeitskräften und spezifische Qualifizierungserfordernisse im Energiebereich zu identifizieren und die Veränderungen für alle Betroffenen gerecht zu gestalten.
40 Maßnahmen für die Energiewende
Der finale Aktionsplan beinhaltet rund 40 Vorhaben, denen jeweils eine für die Umsetzung verantwortliche Institution zugeordnet ist. Er ist in vier Handlungsfelder gegliedert: Bildungssektor; Unternehmen, Beschäftigte und Arbeitssuchende; Rahmenbedingungen und Kommunikation. Bei den Maßnahmen für den Bildungssektor steht die Vermittlung von für die Energiewende benötigten Inhalten und Fähigkeiten im Zentrum. Dies reicht von der Integration klimarelevanter Inhalte in bestehende Lehrausbildungen bis zur Entwicklung neuer Aufschulungs-, Aus- und Weiterbildungsformate für Dachdecker:innen und Elektrotechniker:innen. Neben Ausbildungsoffensiven für die Lehrberufe „Elektrotechnik“ und „Installations- und Gebäudetechnik“ soll auch in die Infrastruktur an Berufsschulen und HTLs investiert werden.
Beschäftigte, Arbeitssuchende und Unternehmen sollen beim Erreichen ihres Aus- und Weiterbildungsbedarfs unterstützt werden. Klimarelevante Schwerpunkte sollen in bestehenden Instrumenten des AMS, wie der Impulsberatung und Qualifizierungsverbünden oder in durch die Lehrlingsstellen abgewickelten Ausbildungsverbünden forciert werden. Beschäftigte aus den von der Energiewende betroffenen Branchen sollen eine proaktive Berufs- und Qualifizierungsberatung bekommen. Maßnahmen sehen die Weiterbildung und Umschulung von Installateur:innen, Dachdecker:innen und Beschäftigten im Bausektor vor.
Für die Energiewende notwendige Rahmenbedingungen sind die finanzielle Absicherung während der Aus- und Weiterbildung sowie ihre räumliche und zeitliche Vereinbarkeit, das Verständnis über regionale Unterschiede und eine ausreichende Zahl an Trainer:innen. Eine Evaluierung und der eventuelle Ausbau von finanziellen Förderungen, wie dem Fachkräftestipendium, dem Selbsterhalterstipendium und dem Qualifizierungsgeld durch das BMAW und das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF), ist vorgesehen. Ein Ausbau wäre notwendig, um Beruf, Bildung und Privatleben besser vereinen zu können. Darüber hinaus müssen auch Unternehmen Verantwortung übernehmen, wenn es darum geht, ihren Mitarbeiter:innen (Re-)Qualifizierungen zu ermöglichen.
Damit Just-Transition-Berufsbilder für die breite Öffentlichkeit, in Unternehmen und Regionen greifbar werden, ist eine Verbesserung der Kommunikation essenziell. Multiplikator:innen wie Eltern, Lehrer:innen oder Führungskräfte, Netzwerke und Vorbilder spielen dabei eine wichtige Rolle. Klimarelevante Berufe sollen frühzeitig und umfassend jungen Menschen nähergebracht werden, sowohl in den Schulen (z. B. Berufsorientierung oder Praktika) als auch durch Aktionen außerhalb (z. B. Ferienprogramme oder Messen). Unter anderem soll das BMK eine Kampagne zu Just-Transition-Berufen und die Konzeption und Umsetzung von Kommunikationspaketen für Unternehmen und Schulen starten.
Die Verantwortung der Umsetzung der im Jänner 2023 präsentierten Maßnahmen liegt nun bei den jeweiligen als Lead definierten Institutionen. Das BMK hat verkündet, ein Monitoring- und Evaluierungskonzept zu erstellen, um die Wirksamkeit des Aktionsplanes zu überprüfen. Ob und inwiefern die geplanten weiteren Arbeitsgruppen zur Mobilitätsbranche und zur Industrie umgesetzt werden, bleibt offen.
Unternehmen und Politik müssen Verantwortung übernehmen
Der Aktionsplan ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, reicht aber nicht aus. Trotz der hohen Nachfrage nach gut ausgebildeten Arbeitskräften geht es sich für viele Arbeitssuchende finanziell nicht aus, eine längere Ausbildung zu machen. Sie benötigen eine deutlich bessere Absicherung während ihrer Qualifizierung. Auch die Unternehmen sind gefordert in die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter:innen zu investieren und sich in der Ausbildung des Nachwuchses verstärkt zu engagieren. Eine im letzten Jahr veröffentlichte IHS-Studie zeigt, dass der Anteil der Beteiligung der Unternehmen an den Ausbildungskosten in Österreich rückläufig ist. Obwohl die Unternehmen von den gut ausgebildeten Arbeitskräften profitieren, werden die Qualifizierungskosten auf die Allgemeinheit ausgelagert.
Durch einen von Unternehmen finanzierten Weiterbildungsfonds könnten mit 0,2 Prozent der Jahres-Bruttolohnsumme 440.000 Arbeitnehmer:innen mit jährlich 500 Euro Weiterbildungsförderung unterstützt werden. Zudem braucht es dringend ein Recht der Arbeitnehmer:innen auf eine Woche Weiterbildung pro Jahr in der bezahlten Arbeitszeit. Das von der AK geforderte Qualifizierungsgeld sieht vor, dass alle Arbeitnehmer:innen und Arbeitsuchenden über 25 Jahren das Recht auf monatlich 1.500 Euro für insgesamt drei Jahre Aus- und Weiterbildung innerhalb von 15 Jahren bekommen.
Abgesehen von fehlenden Instrumenten und finanziellen Mitteln führt aber auch die fehlende ambitionierte Klimapolitik dazu, dass Unternehmen keine Notwendigkeit sehen, Mitarbeiter:innen in klimarelevanten Kompetenzen zu schulen. Denn die Nachfrage nach klimarelevanten Dienstleistungen am Markt ist nur bedingt gegeben und die Auftragsbücher sind auch jetzt voll. Arbeitgeber:innen – insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen – können sich Abwesenheiten von Beschäftigten in Qualifizierungen nicht leisten. Nur durch konsequente klimapolitische Regulierungen und ein Übernehmen der Vorreiterrolle durch den Staat können hier die richtigen Signale gesendet werden.
Ist Just Transition drin, wo Just Transition draufsteht?
Der Just Transition – Aktionsplan Aus- und Weiterbildung reiht sich ein in eine Reihe bereits laufender EU-Fonds und -Prozesse, die sich das Label „Just Transition“ auf die Fahnen schreiben. Aber was ist unter dem Begriff eigentlich zu verstehen? Ausgangspunkt ist eine Klimapolitik, die dazu beitragen soll, den Temperaturanstieg durch Treibhausgasemissionen deutlich zu begrenzen und damit den Lebensraum für künftige Generationen zu schützen.
Eine ambitionierte Klimapolitik bedeutet aber auch, dass in Branchen, die sehr stark an die Nutzung fossiler Energien gebunden sind, massive Veränderungen notwendig sind. Sie werden von Stilllegungen oder Umstrukturierungen betroffen sein. Beschäftigte in solchen Branchen können sich ihrer Beschäftigung nicht mehr sicher sein und die Klimakrise wird zur sozialen Frage des 21. Jahrhunderts, denn: Was passiert mit Arbeitnehmer:innen, deren Qualifikationen am Arbeitsmarkt nicht mehr nachgefragt werden?
Just Transition, ein von Gewerkschaften entwickelter Ansatz, zielt darauf ab, den sozialen und ökologischen Umbau hin zu einer klimafreundlichen Gesellschaft sozial gerecht zu gestalten. Transformationskosten, die mit dem Umbau einhergehen, müssen solidarisch getragen und betroffene Arbeitnehmer:innen und Regionen unterstützt werden. Konkret bedeutet das Investitionen in Sektoren, die viele Arbeitsplätze schaffen und wenig Treibhausgasemissionen ausstoßen, ein starker Dialog zwischen Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen, Aus- und Weiterbildungen von Arbeitnehmer:innen, die soziale Absicherung für betroffene Arbeitnehmer:innen und eine aktive Steuerung des Arbeitsmarktes.
Bevor ein Just-Transition-Plan für Österreich im eigentlichen Sinne umgesetzt werden kann, braucht es zwei Dinge: erstens eine Klimapolitik, die wirksame wirtschafts- und industriepolitische Maßnahmen für die Erreichung der vereinbarten Klimaziele setzt. Zweitens den politischen Willen, den sozialen und ökologischen Umbau mit den Beschäftigten gemeinsam zu gestalten und sie dabei zu unterstützen, in Klimajobs zu wechseln. Die gehen über technisch-orientierte Green Jobs hinaus: Zukunftsfähige Arbeit inkludiert auch dienstleistungsorientierte Niedrig-Emissions-Tätigkeiten in für das Gemeinwohl essenziellen Bereichen wie Gesundheit und Pflege, Bildung, in der Kreislaufwirtschaft und im öffentlichen Verkehr. Damit diese Bereiche aber realistische Alternativen für Beschäftigte der Industrie sein können, ist deren finanzielle und gesellschaftliche Aufwertung notwendig.