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Insgesamt belegen die aktuellen Ergebnisse aus dem CVTS 6, dass die Optionen auf Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung für Beschäftigte in Österreich im Zeitvergleich deutlich zurückgegangen sind. Das spiegelt sich besonders bei der Betrachtung der folgenden vier Indikatoren wider:
1. Im Vergleich zur letzten CVTS-Erhebung aus dem Jahr 2015 nahm der Anteil der weiterbildungsaktiven Unternehmen deutlich ab: von 88 Prozent auf 79 Prozent (-9 Prozentpunkte). 2. Der Anteil der Arbeitnehmer:innen, die von betrieblicher Weiterbildung profitieren konnten, ist ebenfalls um 10 Prozentpunkte gesunken. Im Durchschnitt haben im Jahr 2020 nur 35 Prozent der österreichischen Beschäftigten an Weiterbildungskursen teilgenommen. Damit liegt Österreich nicht nur wieder auf dem Wert von 2010 (siehe Grafik 1), sondern auch im europäischen Vergleich im unteren Drittel (EU-Durchschnitt 2020: 42,4 Prozent). 3. Die durchschnittliche Schulungsintensität ist weiter gesunken – von 23 Stunden (2015) auf 19 Stunden pro Teilnehmer:in im Jahr 2020. 4. Auch die Gesamtausgaben von Unternehmen für Weiterbildungskurse sind rückläufig. Betrugen die Gesamtausgaben für Weiterbildungskurse im Verhältnis zu den Personalkosten im Jahr 2015 noch 1,3 Prozent, sind sie im Jahr 2020 auf 0,9 Prozent gesunken. Anzeichen eines Trends Der Rückgang in der betrieblichen Weiterbildung in Österreich lässt sich teilweise auf die COVID-19-bedingten Lockdowns und langen Phasen der Kurzarbeit und damit auf die besonderen Rahmenbedingungen im Jahr 2020 zurückführen. Das zeigt sich auch im rückläufigen Anteil der Betriebe, die selbst Weiterbildungskurse angeboten haben, während im gleichen Zeitraum beispielsweise Online-Schulungen gestiegen sind. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass der Rückgang von 9 Prozentpunkten unter weiterbildungsaktiven Unternehmen in Österreich deutlich größer ist als im EU-Durchschnitt (-3 Prozentpunkte). Auch der vergleichende Blick auf Länder, die ähnlich lange Phasen bzw. 2020 eine besonders hohe Zahl der Arbeitnehmer:innen in der Kurzarbeit hatten, zeigt: Weder der Anteil der weiterbildungsaktiven Betriebe noch die Teilnahmequoten an betrieblicher Weiterbildung sind in Ländern wie Italien, Frankreich oder Luxemburg zwischen 2015 und 2020 großartig gesunken. In Italien war die Teilnahmequote an betrieblicher Weiterbildung im Jahr 2015 beispielsweise ähnlich hoch wie in Österreich und ist im Jahr 2020 nur um einen Prozentpunkt gesunken (von 46 auf 45 Prozent).
Die reduzierten Gesamtausgaben der Betriebe für Weiterbildungskurse und der Rückgang von 10 Prozentpunkten in der Weiterbildungsbeteiligung in Österreich auf insgesamt 35 Prozent bedeuten auch, dass die verbleibenden zwei Drittel der Beschäftigten sich ihre berufliche Weiterbildung selbst organisieren und finanzieren müssen. Dass sich in Österreich Beschäftigte in der Tat zunehmend die berufliche Weiterbildung selbst zahlen, zeigt eine aktuelle Untersuchung des Instituts für höhere Studien . Während der Anteil von österreichischen Betrieben an den Ausgaben für Weiterbildung zwischen 2009 und 2018 von 41 auf 31 Prozent gesunken ist, ist der Anteil, den private Haushalte für Weiterbildung ausgeben, im gleichen Zeitraum von 29 auf 42 Prozent gestiegen (die verbleibenden Ausgaben verteilen sich auf staatliche Förderungen und Anteile des Arbeitsmarktservice). Obwohl also der Bedarf an betrieblicher Weiterbildung nicht zuletzt durch die Digitalisierung und den ökologischen Umbau steigt und die Weiterbildungsbereitschaft der Beschäftigten hoch ist, sind Unternehmen anscheinend zunehmend weniger bereit, in die Qualifikation ihrer Arbeitnehmer:innen zu investieren.
Fehlende Weiterbildungspolitik in Unternehmen Die Effekte des Strukturwandels und die damit verbundene Transformation des österreichischen Arbeitsmarkts haben die Bedeutsamkeit der betrieblichen Weiterbildung in den letzten Jahren deutlich erhöht. Dass viele Unternehmen in Österreich auf diese Situation noch nicht vorbereitet sind, zeigen die aktuellen Ergebnisse des CVTS 6 der Statistik Austria ebenfalls: In vielen österreichischen Betrieben fehlt es trotz der starken Veränderungen am Arbeitsmarkt an einer professionalisierten Weiterbildungspolitik. Österreichweit hat nicht ganz jedes zweite Unternehmen eine für Weiterbildung verantwortliche Person oder Einheit. Nur eines von drei Unternehmen verfügt überhaupt über Budget für Weiterbildung, und nur jedes fünfte Unternehmen hat einen schriftlichen Weiterbildungsplan für ihre Mitarbeiter:innen – zwar variieren diese Angaben stark zwischen großen und mittelgroßen Betrieben, allerdings haben sich die Werte seit der ersten Erhebung 2010 kaum verändert. Hinzu kommt, dass nur etwa jedes dritte Unternehmen in Österreich regelmäßig Bedarfsanalysen durchführt, um die zukünftig benötigten Fähigkeiten und Kompetenzen der Arbeitnehmer:innen zu erheben. Dieser Wert hat sich ebenfalls in den letzten zehn Jahren kaum verändert (2010: 33,8 Prozent; 2020: 34,4 Prozent).
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Betriebliche Weiterbildung fördern Es ist überraschend, dass das Ausmaß der betrieblichen Weiterbildung in Österreich gegenwärtig rückläufig ist. Aus rein ökonomischer Perspektive handelt es sich bei der betrieblichen Weiterbildung um eine Win-win-Situation für Beschäftigte und Betriebe. René Böheim und Florian Wakolbinger zeigten bereits 2009 in ihrer Studie „Mehr Lohn bei betrieblicher Weiterbildung “, dass die Löhne von Arbeitnehmer:innen durch betriebliche Weiterbildung steigen. Beschäftigte in österreichischen Unternehmen, in denen betriebliche Weiterbildung angeboten wurde, verdienten demnach mehr als Beschäftigte in Betrieben ohne Weiterbildung. Vermehrte betriebliche Weiterbildung führt zu besserer Qualifizierung, die sich zum einen in höheren Löhnen, zum anderen in einem geringeren Arbeitslosigkeitsrisiko niederschlägt. Gleichzeitig haben Unternehmen, die in betriebliche Weiterbildung investieren, eine deutlich höhere Bruttowertschöpfung als Firmen, die nicht weiterbilden. Neben den ökonomischen Effekten müsste die gegenwärtige Transformation des österreichischen Arbeitsmarkts die Bedeutsamkeit der betrieblichen Weiterbildung erhöht haben. Bestehende Berufsbilder wandeln sich (Digitalisierung) und neue entstehen (ökologischer Wandel). Zusätzlich wächst der Fachkräftebedarf in manchen Branchen. Doch während sich für Deutschland beispielsweise zeigt, dass sich das Fehlen von Fachkräften am Arbeitsmarkt positiv auf den Anstieg innerbetrieblicher Weiterbildung auswirkt (wovon insbesondere formal niedrig qualifizierte Beschäftigte profitieren), lassen sich solche Muster für Österreich kaum nachweisen.
Es wird langfristig unterstützende Rahmenbedingungen brauchen, damit die Qualifikationen und Kompetenzen von Arbeitnehmer:innen gefördert werden und berufliche Weiterbildung nicht aus der eigenen Tasche bezahlt werden muss. Um die betriebliche Weiterbildung auszubauen und für alle Arbeitnehmer:innen zu sichern, sollten Unternehmen einen festgelegten Anteil ihrer Jahreslohnsumme in die betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren müssen, die über einen Weiterbildungsfonds den Beschäftigten zur Verfügung stehen. Gekoppelt mit einem Rechtsanspruch auf „Weiterbildungszeit“ für Mitarbeiter:innen bzw. einer Festschreibung im Kollektivvertrag könnte damit dem Trend der niedrigen Teilnahmequote in Österreich entgegengewirkt werden.
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