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Bedeutung der Lehre
Von den jungen Menschen im Alter von 20 bis 29 Jahren, die sich noch im Schulsystem befinden, absolvieren ca. zwei Drittel eine Lehre. Dieser hohe Anteil erklärt sich dadurch, dass heute vielfach mit einer Lehre nicht unmittelbar nach der Pflichtschule begonnen, sondern zunächst eine weiterführende Schule besucht wird, wo es dann zu einem Abbruch kommt. Hinzu kommt, dass auch eine begonnene Lehre abgebrochen und in ein neues Lehrverhältnis gewechselt wird.
Bedeutung des Schulbesuchs
Zwischen 2014 und 2020 zeigt sich bei den 20- bis 24-Jährigen mit geringer Bildung ab 2016 eine (nicht durchgehende) Zunahme, sowohl bei jenen ohne als auch jenen mit Schulbesuch. Bei Letzteren während der Corona-Pandemie 2020 besonders stark auf 4,0 Prozent (2019: 2,8 Prozent). Das Schulsystem ermöglichte für einige den Verbleib und trug damit zur Reduktion der Arbeitslosigkeit während der Corona-Pandemie bei. Bei den Älteren (25 bis 29 Jahre) kam es zwischen 2015 und 2018 in der Gruppe ohne Schulbesuch zu einem Anstieg, anschließend zu einem Rückgang. Die Werte mit Schulbesuch bewegen sich auf einem sehr geringen Niveau.
Geschlecht und Migrationshintergrund erhöhen Risiko geringer Bildung
Junge Männer (20 bis 29 Jahre) haben mit 11,0 Prozent häufiger nur einen geringen Bildungsabschluss als junge Frauen mit 7,8 Prozent (geringe Bildung ohne Schulbesuch). Deutliche Unterschiede zeigen sich nach Migrationshintergrund, die zum Teil durch Unterschiede im Bildungshintergrund der Eltern erklärt werden können. Unter den jungen Menschen, die nach der Geburt nach Österreich zugewandert sind, hat rund jeder bzw. jede Fünfte nur eine geringe Bildung (ohne Schulbesuch). Dieser hohe Wert ist zum Teil dadurch bedingt, dass die Zuwanderung erst nach der Pflichtschulzeit erfolgte, sodass in Österreich keine Schule mehr besucht wurde. Im Unterschied dazu lebt die zweite Generation seit ihrer Geburt in Österreich und hat das österreichische Schulsystem durchlaufen. Ca. 15 Prozent von ihnen konnten allerdings auch keinen über die Pflichtschule hinausgehenden Abschluss erwerben. Ihr relatives Risiko einer geringen Bildung ist 2,6-mal höher als in der autochthonen Gruppe.
Nach Bundesländern betrachtet sind hohe Anteile von jungen Menschen mit geringer Bildung (ohne Schulbesuch) in Wien und Vorarlberg beobachtbar. Auf der anderen Seite kennzeichnen geringe Anteile die Steiermark und das Burgenland. Die für die Bundesländer feststellbaren Unterschiede sind zu einem beträchtlichen Teil durch Unterscheide im Migrationshintergrund erklärbar.
Viele Erklärungsfaktoren
Neben dem Migrationshintergrund verbleiben folgende Unterschiede als erklärende Faktoren:
- Unterschiede nach Herkunftsländern, die durch die Unterscheidung nach Migrationshintergrund derzeit nicht ausreichend erfasst werden, eventuell verbunden mit Unterschieden in Diskriminierungserfahrungen;
- unterschiedliche Leistungsanforderungen in den Schulen inklusive Berufsschulen und Lehre;
- unterschiedlich intensive Förderung von aufgrund des Bildungs- und Migrationshintergrunds benachteiligten Schüler*innen in den Schulen inklusive Berufsschulen und Lehre;
- Unterschiede in den Beschäftigungsmöglichkeiten im geringqualifizierten Bereich, die jungen Menschen mit geringer Bildung attraktiv erscheinen, z. B. durch eine relativ gute Bezahlung.
Geringe Bildung präventiv vermeiden
Geeignet zur Reduktion des Anteils junger Menschen mit geringer Bildung sind präventive Maßnahmen, mit denen geringe Bildung vermieden und über die Pflichtschule hinausgehende Bildungsabschlüsse erworben werden können (früher Bildungsabbruch, Diversity of NEETs und NEET challenge). Auf struktureller Ebene sind für Österreich folgend präventive Maßnahmen empfehlenswert:
- Ausbau und bessere gesellschaftliche Anerkennung der Elementarpädagogik (siehe auch im nationalen Bildungsbericht, Beitrag 5). Hier sind der Ausbau der frühkindlichen Betreuung sowie eine Verbesserung der Arbeits- und Betreuungsbedingungen in den Kindergärten bei gleichzeitiger Fortsetzung der begonnenen Professionalisierung gefragt.
- Einführung ganztägiger Schulformen (siehe auch im Bildungsbericht, Beitrag 6). Nur dadurch wird ein ausreichender zeitlicher Rahmen für das Üben des Unterrichtsstoffes und das soziale Lernen geschaffen.
- Sozial indizierte Finanzierung des Schulsystems (Chancenindex). Schulen mit einem höheren Anteil benachteiligter Schüler*innen brauchen mehr Ressourcen, um die Benachteiligungen ausgleichen zu können. Mehrere Modelle dafür liegen für Österreich vor, wie z. B. jenes der AK. Auch die gesetzlichen Grundlagen sind gegeben.
- Verlängerung der Pflichtschulzeit und damit spätere Bildungsentscheidung. Die in Österreich erforderlichen frühen Bildungsentscheidungen in der 4. und der 8. Schulstufe sind zu früh und führen dazu, dass häufig Ausbildungswege gewählt werden, die dann abgebrochen werden. Diese Entscheidung sollte altersmäßig nach hinten verschoben werden (z. B. die Volksschule um 2 Jahre oder Primarstufe und Sekundarstufe jeweils um 1 Jahr verlängern).
- Vermeidung von Abbrüchen in der dualen Lehrausbildung. Einheitliche und nachvollziehbare Qualitätsstandards, wie zum Beispiel eine verpflichtende Qualitätsüberprüfung zur Mitte der Lehrzeit, um Ausbildungsdefizite beseitigen zu können. Die Ausbildungspflicht bis 18 Jahre (Ausbildung bis 18 und siehe auch IHS) und die Ausbildungsgarantie bis 25 Jahre sind wichtige Schritte zur Reduktion von frühen Schulabbrüchen. Hier sollte stärker darauf geachtet werden, dass begonnene Ausbildungen auch tatsächlich abgeschlossen werden.
Berufliche Weiterbildung formal gering Qualifizierter
Gleichzeitig braucht es auch Maßnahmen für jene jungen Menschen mit geringer Bildung, die sich nicht mehr im Schulsystem (einschließlich Berufsschule!) befinden und für die die derzeitigen Maßnahmen der Ausbildungsgarantie nicht greifen. Für sie sind Höherqualifikationen kostenintensiver, aber möglich. Eine Auswahl an Best-Practice-Beispielen geben Lachmayr und Mayerl.
Berufs- und Bildungswegorientierung sowie Anerkennung mitgebrachter Qualifikationen
Zielgruppenspezifische Maßnahmen für jugendliche MigrantInnen der ersten Generation, die nach der Pflichtschulzeit zuwandern und bereits im Heimatland die Pflichtschule absolviert haben. Sie brauchen nicht nur niederschwellige Sprachangebote, sondern auch verstärkte Angebote zur Berufs- und Bildungswegorientierung. Für diejenigen, die mit einem höheren Abschluss nach Österreich zuwandern, z. B. mit einer ausländischen Matura oder einem abgeschlossenen Studium, sollte die Anerkennung der mitgebrachten Qualifikationsnachweise erleichtert und beschleunigt werden.
Ausbau des psychotherapeutischen Angebots
Angesichts der gesundheitlichen Folgen der Pandemie braucht es eine rasche Erweiterung der bereits vor der Pandemie unzureichenden Kapazitäten im Bereich des kostenlosen psychologischen und psychotherapeutischen Angebots.
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