„Wie soll Arbeit?“ fragt die aktuell laufende Initiative von Arbeiterkammer und ÖGB. Eine der Kernfragen betrifft dabei das Thema Digitalisierung und wie sich die unter diesem Schlagwort zusammengefassten Entwicklungen auf das (Arbeits-)Leben auswirken werden. Immer wieder wird auf die Bedeutung von Bildung bei diesen Entwicklungen verwiesen. Grundsätzlich gilt: Bildung schafft Möglichkeiten, vor allem erhöht sie die Chance, ein selbstbestimmteres Leben in einer zunehmend digitalisierten (Arbeits-)Welt zu führen. Dieser Beitrag beschreibt die notwendigen politischen Rahmenbedingungen in der Bildungs-, Weiterbildungs- und Arbeitsmarktpolitik, um rasch die richtigen Weichen zu stellen, damit alle Menschen am digitalen Wandel teilhaben und von den Entwicklungen profitieren können.
Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt
Wie sich die Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt auswirken wird, ist schwer vorherzusagen. Die wissenschaftlichen Prognosen gehen hier weit auseinander. Eine seriöse Vorhersage ist auch deshalb schwierig, weil die Digitalisierung der Arbeitswelt ein stetiger Prozess ist, der politisch und wirtschaftlich gestaltbar ist. Evident scheint aber, dass Berufe mit einem hohen Anteil an Routinetätigkeiten stärker unter Druck geraten werden, weil diese Tätigkeiten besonders häufig durch computergesteuerte Maschinen ersetzt werden. Des Weiteren wird davon ausgegangen, dass die technologischen Entwicklungen aber auch neue Tätigkeiten schaffen werden und sich jedenfalls unser Arbeiten – in allen Berufsbereichen – verändern wird. Es werden sich in den nächsten Jahren viele Jobs am Arbeitsmarkt verschieben. Eine gute Ausbildung ist dabei wie eine „Schutzimpfung“, die hilft, diese Veränderungsprozesse besser zu bestehen.
Warum ist dieses Thema für Arbeitnehmer-VertreterInnen so wichtig?
In einer zunehmend digitalisierten Welt, in der sich Rahmenbedingungen schnell verändern können und Informationen in kürzester Zeit verfügbar sind, ist es wichtig, dass auch allen Menschen das notwendige „Rüstzeug“, also die in unserer Welt benötigten Kompetenzen, mitgegeben wird. Die rasanten technologischen Entwicklungen dürfen nicht dazu führen, dass es zu einer Spaltung in unserer Gesellschaft kommt – in jene, die sich gut und kompetent auch in einer digitalisierten (Arbeits-)Welt bewegen können, und jene, die daran nicht mehr teilhaben können. Bildung ist hier ein wesentlicher Schlüssel: Es werden neue Inhalte in Aus-, Fort- und Weiterbildung einfließen, es können neue Methoden in der Kompetenzvermittlung eingesetzt werden und es müssen Kooperationen relevanter Akteure definiert werden, um die Veränderungen gemeinsam begleiten und gestalten zu können.
Hier setzen wir uns als Arbeitnehmer-VertreterInnen aktiv ein. Unter unserer Führung und auf unsere Initiative hin beschäftigt sich beispielsweise auch eine Arbeitsgruppe der Plattform Industrie 4.0 mit dem Thema „Qualifikationen und Kompetenzen“. Die Arbeitsgruppe hat bereits ein gemeinsames Papier erstellt, welches sowohl das Thema Kompetenzbedarfe aufgreift als auch wichtige Handlungsfelder definiert hat. Außerdem bringen wir uns aktiv in den Dialog mit den Sozialpartnern ein, um gemeinsam mutige und vorausblickende Maßnahmen im Bildungsbereich zu bestimmen, um den digitalen Wandel der Arbeitswelt durch Bildung, berufliche Qualifikation und Wissensverbreitung zu gestalten.
Zentrale Herausforderung: Rahmenbedingungen verbessern!
Lernförderliche Rahmenbedingungen sind eine Grundvoraussetzung, um das volle Potenzial der Digitalisierung in Österreich zu nutzen. Die Optimierung der Rahmenbedingungen umfasst dabei eine Vielzahl unterschiedlicher Aspekte.
In den Betrieben müssen Weiterbildungsstrategien dem Prozess der Digitalisierung angepasst und weiterentwickelt werden. Die Einbettung von Lernen in eine gesamthafte Weiterbildungsstrategie mit betrieblichen und individuellen Zielen („roter Faden“) erlaubt eine strategische Kompetenzplanung und -umsetzung. Die Entwicklung kooperativer Modelle, in die MitarbeiterInnen aktiv einbezogen werden, hat sich als besonders effektiv herausgestellt. Vor allem dann, wenn im Rahmen dieser Aktivitäten auch die Sinnfrage von Weiterbildungen thematisiert wird. Damit wird die Motivation von Lernenden erhöht und es kommt gleichzeitig zu einer Abkehr der „Defizitorientierung“. Der Einbezug von ArbeitnehmerInnen (vor allem des Betriebsrats) in die Gestaltung der innerbetrieblichen Arbeitswelt 4.0 und die betrieblichen Weiterbildungsmöglichkeiten ist deshalb besonders wichtig.
Man sollte künftig auch stärker von den vorhandenen Kompetenzen der ArbeitnehmerInnen ausgehen und auf diese in der Aus- und Weiterbildungsplanung aufbauen. Weiters ist es wichtig, dass Bildungsangebote kompetenzbasiert beschrieben werden. Dies könnte dazu beitragen, die berufliche Mobilität zu erhöhen und die Weiterbildungsplanung zu erleichtern. Eine wesentliche Komponente ist die Zurverfügungstellung von ausreichend Zeit für Aus- und Weiterbildung. Dabei geht es sowohl um zeitliche Freiräume im Rahmen der Arbeit als auch um die Schaffung von Möglichkeiten, Lebensphasen für Weiterbildungsaktivitäten nutzen zu können.
Gerade auch im Hinblick auf die durch die Digitalisierung zunehmende Bedeutung von arbeitsplatznahem und betrieblichem Lernen müssen die erworbenen Kompetenzen auch sichtbar gemacht werden. Eine Validierung von bestehenden Kompetenzen hilft beim Arbeitsvermittlungsprozess und kann bei kollektivvertraglichen Einstufungen eine stärkere Rolle spielen.
Insgesamt braucht es eine erhöhte Bereitschaft für betriebliche Aus- und Weiterbildung – vor allem für MitarbeiterInnen aus kleineren Betrieben, Teilzeitbeschäftigte (und damit überwiegend Frauen) und formal Geringqualifizierte, die bisher nur sehr selten oder gar nicht die Möglichkeit auf Weiterbildungsmaßnahmen im Betrieb haben. Gerade formal Geringqualifizierte, deren Arbeit besonders stark von der Digitalisierung betroffen ist, müssen häufig die hohen Weiterbildungskosten selbst tragen, weshalb arbeitsmarktpolitische Ansätze besonders gefragt sind.
Auch arbeitsmarktpolitische Ansätze sind gefragt
In der aktiven Arbeitsmarktpolitik ist die Qualifizierung von Arbeitsuchenden ein wesentliches Element und für uns eine sehr wichtige Säule. Besonders fachliche Qualifizierungen, die mit einem Zertifikat abschließen und die Arbeitsmarktposition der Menschen tatsächlich verbessern, sind hier wichtig. Auch müssen Inhalte und Möglichkeiten der Digitalisierung in die Angebote einfließen. In der Arbeitsmarktpolitik gibt es gegenwärtig verschiedene gute Ansätze, wie modulare Ausbildungen, die zu einem Lehrabschluss führen (bspw. Kompetenz mit System), oder das Fachkräftestipendium, welches (noch) eine Förderung der Lebenserhaltungskosten bei der Absolvierung von arbeitsmarktpolitisch sinnvollen Ausbildungen ermöglicht. Diese Ansätze reichen aber derzeit nicht aus, daher braucht es ein neues System, in dem Menschen sich laufend (existenzgesichert) weiterbilden können. Das „Qualifizierungsgeld“ wäre ein Vorschlag für ein entsprechendes Modell. Im Unterschied zu den bekannten Förderungen soll es für das Qualifizierungsgeld einen Rechtsanspruch geben, sodass ArbeitnehmerInnen eine Freistellung gegenüber ihrem Arbeitgeber durchsetzen können. Es ist zu erwarten, dass sich gerade über ein existenzsicherndes Qualifizierungsgeld Weiterbildungschancen für niedrig und mittel Qualifizierte erhöhen.
Fazit
Im Regierungsprogramm der neuen Bundesregierung kommt das Wort „Digitalisierung“ fast 100-mal vor. Es scheint ihr also ein wichtiges Anliegen zu sein. Umso verwunderlicher ist es, dass man im Bereich Qualifizierung, Lebenslanges Lernen und Weiterbildung kaum Förderansätze wiederfindet, die die Teilhabe am digitalen Wandel für alle Menschen sichern. Im Gegenteil: Das Budget für aktive Arbeitsmarktpolitik wird beispielsweise gekürzt und die verbliebenen Mittel sollen stärker an Unternehmen fließen. Das wird zu Lasten der Qualifizierungsförderungen gehen. Eine grundlegend falsche Entwicklung im Hinblick auf die Herausforderungen der Digitalisierung.