Dass berufliche Aus- und Weiterbildung eine wichtige Rolle für Arbeitsmarktpositionen und Berufsverläufe und -karrieren von Beschäftigten spielen, ist unumstritten. Um berufliche Aus- und Weiterbildung zu unterstützen, wurde in Österreich daher eine Reihe von Fördermaßnahmen geschaffen, darunter Fachkräftestipendium, Weiterbildungsgeld und Bildungsteilzeitgeld. Genauere Einblicke in die Umsetzung der Fördermaßnahmen aus der Perspektive von BezieherInnen dieser Förderungen waren bislang kaum vorhanden. Die Studie „BezieherInnen von Fachkräftestipendium, Weiterbildungsgeld und Bildungsteilzeitgeld“ stellt einen Schritt dar, diese Lücke füllen. Das Ergebnis grob skizziert: hohe Zufriedenheit, aber auch Stolpersteine auf dem Weg zum erfolgreichen Abschluss; ohne Fördermaßnahme aus finanziellen Gründen keine Möglichkeit der Teilnahme an einer Aus- oder Weiterbildung, aber trotz Fördermaßnahmen finanzielle Einschränkungen bis zur Armutsgefährdung; berufliche Um- und Aufstiege und Arbeitsplatzsicherung nach Ausbildungsabschluss.
Um eine Vorstellung von der Größenordnung der FörderbezieherInnen in Wien zu bekommen, drei Zahlen: Rund 2.588 Personen (64 % Frauen) haben im Juli 2016 Weiterbildungsgeld und 814 Personen (58 % Frauen) haben Bildungsteilzeitgeld bezogen. Die Anzahl der FachkräftestipendienbezieherInnen lag bei 497 Personen (59 % Frauen).
Motive – Nachholen von Ausbildungsabschlüssen, beruflicher Aufstieg und Berufswechsel
Als zentrale Motive erweisen sich das Nachholen von Ausbildungsabschlüssen (höhere Schulen und Studien), (Erst-)Ausbildungsbildungsabschlüsse in Österreich, Wünsche nach einem Berufswechsel, eine Verbesserung der beruflichen Position bzw. des beruflichen Verlaufs und die Sicherung der Beschäftigung. Natürlich ist nicht nur ein Motiv vorhanden: Persönliches und inhaltliches Interesse an den gewählten Ausbildungen/Weiterbildungen ist dabei ebenso zu nennen wie vor allem bei weiblichen FörderbezieherInnen der Wunsch nach besseren Arbeitsbedingungen (inklusive höherem Einkommen).
Hohe Zufriedenheit und Stolpersteine bei Aus- und Weiterbildung
Die Zufriedenheit sowohl mit den Fördermaßnahmen als auch mit den gewählten Aus- und Weiterbildungsgängen ist groß. Deutlich werden allerdings auch Stolpersteine auf dem Weg zum erfolgreichen Abschluss. Als ein wesentlicher Stolperstein zeigen sich insbesondere für jene, die nach langer Lernpause, eine vollzeitschulische Ausbildung begonnen haben – dies betrifft vor allem BezieherInnen von Fachkräftestipendien –, hohe Lernanforderungen. Verstärkt werden können diese noch durch Sprachprobleme (in Form nicht ausreichender Deutschkenntnisse).
Einen zweiten wichtigen Stolperstein stellen Vereinbarkeitsprobleme von vollzeitschulischer Ausbildung und Kinderbetreuung dar, die insbesondere bei Alleinerzieherinnen zu Ausbildungsabbrüchen führen können. Die Ausbildungsphase bedeutet geringe zeitliche Ressourcen für Privatleben und Freizeit. Sind keine zeitlichen Anforderungen aus dem Privatleben vorhanden, wie etwa die Betreuung von Kindern oder älteren Menschen, ist die Situation zwar belastend, wird jedoch für das Ziel Ausbildungs- oder Weiterbildungsabschluss in Kauf genommen. Finden sich Sorgeverpflichtungen für Kinder, können die Betroffenen an Belastungsgrenzen geraten, die nicht mehr bewältigbar sind. „Das war einfach alles zu viel, die Kinder, zu wenig schlafen, lernen in der Nacht, dann auch noch zu wenig Zeit für die Kinder … Ich habe manchmal einfach das Gefühl gehabt, ich kann nicht mehr“, steht exemplarisch für diese Belastungssituation.
Ohne Fördermaßnahmen ist Aus- und Weiterbildung nicht finanzierbar
Für die Ermöglichung einer Entscheidung für eine Aus- und Weiterbildung haben die Fördermaßnahmen große Bedeutung. Für sehr viele wäre ohne Fördermaßnahme die Teilnahme an einer Aus- oder Weiterbildung nicht möglich gewesen, da nicht finanzierbar („Wovon hätte ich denn leben sollen?“).
Einschränkungen bis zur Armutsgefährdung
Generell bringt die Aus- und Weiterbildungsphase für die BezieherInnen von Fördermaßnahmen finanzielle Einschränkungen mit sich. Deren Ausmaß differiert allerdings erheblich nach der Art der Fördermaßnahme und der Dauer des Bezugs der Fördermaßnahme. Von großer Bedeutung erweisen sich die Einkommenshöhen in den Jahren vor der Fördermaßnahme. Erstens werden das Weiterbildungsgeld und – wenn ein Anspruch auf Arbeitslosengeld vorhanden ist – das Fachkräftestipendium nach Einkommenshöhe berechnet. Zweitens erlauben höhere Einkommen die Bildung finanzieller Rücklagen, auf die in Phasen von Einkommenseinbußen zurückgegriffen werden kann. Zusätzlich spielen die finanziellen Ressourcen des/der Partners/in und der Herkunftsfamilie eine nicht unwesentliche Rolle. Einfluss haben aber auch die zeitlichen Anforderungen der Aus- und Weiterbildung – etwa vollzeitschulische Ausbildung oder berufsbegleitende Aus- und Weiterbildung –, denn daraus resultieren unterschiedliche Gelegenheitsstrukturen für Beschäftigung neben der Aus- und Weiterbildung. Bedeutung hat darüber hinaus, ob für die FörderbezieherInnen zusätzliche Aus- und Weiterbildungskosten (wie etwa Studiengebühren etc.) anfallen. Schließlich ist als letzter – aber wichtiger – Einflussfaktor die private Lebenssituation der FörderbezieherInnen anzuführen. Dabei geht es erstens um die Frage, ob die FörderbezieherInnen finanzielle Sorgeverpflichtungen für andere haben, meist Sorgeverpflichtungen für Kinder. Und zweitens, ob sie allein für die materielle Versorgung ihrer Kinder aufkommen müssen.
Bei einer Gruppe verstärken sich viele Einflussfaktoren mit negativen Auswirkungen. Es sind alleinerziehende FachkräftestipendienbezieherInnen in vollzeitschulischen Ausbildungsgängen, die vor der Ausbildung in niedrigen Einkommensbereichen tätig waren und dadurch ihren Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt ihrer Kinder mit dem Fachkräftestipendium kaum sichern können. Alleinerziehende weisen insgesamt ein sehr hohes Armuts- bzw. Ausgrenzungsrisiko auf. So verzeichneten Ein-Eltern-Haushalte – dies sind vorwiegend alleinerziehende Frauen mit ihren Kindern – laut Statistik Austria (2016) mit 38 % die höchste Armuts- und Ausgrenzungsgefährdung in Österreich. Für diese Gruppe wären zusätzliche finanzielle Fördermöglichkeiten zu überlegen, nicht zuletzt auch deshalb, um nicht während der Ausbildungsphase Betroffene und ihre Kinder der Armut auszusetzen.
Positive Wirkungen …
Eine Standardfrage bei der Bewertung von Fördermaßnahmen ist jene nach ihren Wirkungen. Aus der Perspektive der geförderten Personen haben Aus- und Weiterbildung ausschließlich positive Wirkungen gezeitigt, wenn auch unterschiedliche (im Kontext der ursprünglichen Motive). Berufseinstiege nach Berufswechsel sind geglückt und Arbeitsbedingungen haben sich verbessert, „Aufstiege“ sind kurzfristig erfolgt oder werden mittelfristig geplant und die Beschäftigung wurde zumindest bislang abgesichert.
Die Einblicke in die Umsetzung der Fördermaßnahmen Fachkräftestipendium, Weiterbildungsgeld und Bildungsteilzeitgeld aus der Perspektive von Personen, die diese Fördermöglichkeit in Wien in Anspruch genommen haben, unterstreichen die Notwendigkeit und Bedeutung längerfristiger finanzieller Unterstützungsmaßnahmen für die Ermöglichung von Aus- und Weiterbildung. Im Besonderen gilt dies für niedrig qualifizierte Personen mit geringem Einkommen, also FachkräftestipendienbezieherInnen. Gerade für BezieherInnen von Fachkräftestipendien zeigen sich aber auch Stolpersteine und Hindernisse auf dem Weg zu erfolgreichen Abschlüssen und – wie beschrieben – für eine spezifische Gruppe finanzielle Notlagen während der Ausbildung, die zusätzlicher Unterstützung bedürfen.
Hinweis: Die Studie „BezieherInnen von Fachkräftestipendium, Weiterbildungsgeld und Bildungsteilzeitgeld“ wurde von der Wiener Arbeiterkammer und der Wiener Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservices in Auftrag gegeben. Im Rahmen dieser Studie wurden qualitative Interviews mit 22 Personen (davon 13 Frauen) durchgeführt, die diese Fördermöglichkeit in Wien in Anspruch genommen haben.