Erfolgsfaktoren für Lehrlinge mit Migrationshintergrund

29. Februar 2016

Die Erwerbstätigkeit beider Elternteile ist ein wichtiger Faktor für einen gelingenden Berufseinstieg für Lehrlinge mit Migrationshintergrund. Der Migrationshintergrund allein gibt gerade für die bosnisch-kroatisch-serbische Gruppe und Teile der türkischen Zuwanderungsgruppe keine ausreichenden Antworten für besondere Probleme bei der Integration in den Arbeitsmarkt von jungen SchulabgängerInnen und –abbrecherInnen.

 

Eine Studie unter 100 Lehrlingen mit Migrationshintergrund in Wien und Vorarlberg zeigt klar, dass sich ein aufrechtes Arbeitsverhältnis von Vater und Mutter positiv auf den Berufseinstieg und die Karriere ihrer Kinder auswirkt. Eltern, die eine unqualifizierte Arbeit ausüben oder arbeitslos sind, haben vielfach geringere Möglichkeiten ihren Kindern bei der Lehrstellen- oder Jobsuche zu helfen. Die schwierige Arbeitssituation setzt sich dadurch oft in der nächsten Generation fort.

Besondere Herausforderungen für türkische Jugendliche

Besonders bei der türkischen Zuwanderungsgruppe zeigt sich deutlicher als in anderen Zuwanderungsgruppen eine marginalisierte Stellung durch eine geringere Erwerbseinbindung und niedrigen beruflichen Status. Der Hausfrauenanteil unter den Müttern ist vergleichsweise hoch und die Väter gehen eher Hilfs- und Anlerntätigkeiten nach. Vor allem Jugendliche in einer überbetrieblichen Ausbildung erzählen von einer solchen familiären Situation. Auffallend ist auch, dass die türkischstämmigen Jugendlichen teils von jungen Müttern in ihrem Umfeld erzählen, die ohne Berufsausbildung sind und die Hausfrauenrolle übernehmen, während dieser Aspekt in den Interviews mit anderen Zuwanderungsgruppen kaum vorkommt.

Qualitätsunterschiede in der Berufsausbildung

In der Studie zeigt sich, dass die Qualität der betrieblichen und der überbetrieblichen Berufsausbildung ein unterschiedliches Niveau hat und, verbunden mit branchenweise belastenden Arbeitsbedingungen, dadurch Jugendlichen der Wechsel in die Arbeitswelt schwer fällt. Lehrlinge in der betrieblichen Lehre berichten von belastenden Arbeitszeitregelungen. Sie leisten zahlreiche Überstunden, müssen zum Teil schon sehr früh aufstehen, erzählen von zweistündigen Mittagspausen und von zwölfstündigen Arbeitstagen, von denen sie spät und übermüdet nach Hause kommen. An das Arbeiten an Wochenenden, inklusive Sonn- und Feiertag, gewöhnen sie sich besonders schwer. Als besondere Belastung empfinden sie dabei die soziale Ausgrenzung, die mit einer Wochenendarbeit verbunden ist.

Anerkennung, Unterstützung und Respekt sind für die Zufriedenheit ausschlaggebend

Erfreulicherweise gibt es auch viele Lehrlinge, die mit ihrer Situation sehr zufrieden sind. Ein besonders auffälliges Merkmal von positiven Lehrverhältnissen ist, dass die Jugendlichen neben Anerkennung, erwiesenem Respekt, Unterstützung und dem Ernst-nehmen ihrer Bedürfnisse auch die berufliche Herausforderung betonen.

Die – mit Steuergeldern geförderte – betriebliche Lehrausbildung braucht insgesamt professionelle Rahmenbedingungen, die eine Ausbildung auf möglichst hohem fachlichen Niveau sichert.

Qualitätssicherung in der überbetrieblichen Ausbildung

Auch in den überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen ist eine unterschiedliche Qualität der Betreuung zu beobachten, die immer wieder überprüft werden muss. Von Steuergeldern finanzierte Einrichtungen leisten gute Arbeit, wenn es ihnen gelingt, möglichst viele Lehrlinge

  1. in eine gute betriebliche Lehre überzuführen,
  2. bis zum Ende der Ausbildung zu halten und damit die Dropout-Rate möglichst niedrig zu halten,
  3. sie nach der Ausbildung erfolgreich am Arbeitsmarkt zu vermitteln und im Bedarfsfall weiter zu unterstützen.

Maßnahmen für Lehrlinge mit Migrationshintergrund

Wichtige Maßnahmen, um den Einstieg in die Arbeitswelt und somit den gesellschaftlichen Aufstieg von benachteiligten Jugendlichen zu verbessern sind:

  • Die Berufsschule stellt vor allem für Lehrlinge, die in ihrer bisherigen Schullaufbahn nur wenige Erfolgserlebnisse sammeln konnten, eine große Hürde dar. Ein wichtiger Ansatzpunkt, um die Chancen für benachteiligte Jugendliche zu erhöhen, ist dabei die Unterrichtsform an Berufsschulen. Der Blockunterricht ist nur für Lehrlinge von Vorteil, die keine Probleme haben den Lernstoff zu verarbeiten. Vor allem für Lehrlinge, die überbetrieblich ausgebildet werden, ist jedoch die Tagesform ideal. So kann die individuelle Unterstützung und Förderung der Lehrlinge besonders gut greifen und Wissensdefizite abgebaut werden.
  • Eltern, die für ihre Kinder die Matura als erstes und wichtigstes Bildungsziel sehen, müssen vermehrt auf die Möglichkeit einer „Lehre mit Matura“ hingewiesen werden. Die Lehrausbildung sollte als wichtige Basis einer erfolgreichen Berufskarriere mehr in den Blickpunkt gerückt werden. Eine Reform sollte das Modell „Lehre mit Matura“ attraktiver machen.
  • ein flächendeckendes Angebot überbetrieblicher Berufsausbildungszentren
  • Reformen im Bildungssystem, die Benachteiligungen aufgrund der sozialen Herkunft besser ausgleichen und Kinder und Jugendliche auffangen, die wenig Unterstützung durch ihre Eltern haben. Ansatzpunkte sind die Gestaltung des Unterrichts, ein breiteres Angebot von Ganztagesschulen, die Bildungs- und Berufsorientierung ebenso wie die Gestaltung der Übergänge im Bildungssystem und die frühe Selektion im Alter zehn Jahren, Angebote der Sprachförderung wie auch die Berücksichtigung von sozialen Bedarfslagen bei der Mittelvergabe an Schulen und die Aus- und Weiterbildung der Lehrerschaft.
  • Positive Auswirkungen sind von der in Umsetzung befindlichen Maßnahme einer Ausbildungspflicht für Jugendliche bis zum Alter von 18 Jahren zu erwarten. Sie kann dazu beitragen, ein frühzeitiges Abgleiten von Jugendlichen in Schwarz- und Gelegenheitsarbeiten, die langfristig keine Perspektiven sind, zu vermindern. Eine damit verbundene bessere Ausbildung von Jugendlichen kann ihre Chancen am Arbeitsmarkt erhöhen.

Weitere Maßnahmen und Rahmenbedingungen für das Gelingen der Arbeitsmarktintegration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund sind Themen der kommenden Studienpräsentation „Migration und Lehre“ am 14. März 2016 in der Arbeiterkammer Wien.