Der Kampf gegen die Klimakrise ist keine rein technische Frage, denn der notwendige Systemwandel ist mit einem tiefgreifenden Umbau unseres Wirtschaftssystems verbunden. Damit ist umweltfreundliches Agieren unter Berücksichtigung der sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen eine zentrale und zugleich äußerst komplexe gesellschaftliche Aufgabe. Aus diesem Grund wurde bereits im Pariser Abkommen aus dem Jahr 2015 das Konzept von „Just Transition“ als bedeutender Baustein einer zukunftsfähigen Klima- und Energiepolitik aufgenommen. Doch was genau bedeutet „Just Transition“, und können daraus Vorgehensweisen abgeleitet werden, um den Transformationsprozess erfolgreich zu gestalten?
Was ist „Just Transition“?
Ursprünglich von der internationalen Gewerkschaftsbewegung verwendet und bekannt gemacht, wird der Begriff „Just Transition“ mit Konzepten verbunden, die darauf abzielen, Beschäftigte im Zuge des Strukturwandels zu unterstützen und vor dessen negativen sozialen Auswirkungen zu schützen. Als plakative Beispiele werden hier gerne die Energiewirtschaft und der Kohletagbau genannt, betroffen sind aber viele weitere Sektoren. Denkt man zum Beispiel an die ständig wachsenden Emissionen im Verkehrssektor, wird die immer drängender werdende Notwendigkeit der Dekarbonisierung der Mobilität mit den damit verbundenen umfassenden Veränderungen deutlich. Betroffen davon ist insbesondere die Fahrzeugindustrie. Zu derzeit rund 30.000 direkt Beschäftigten, von denen der überwiegende Teil in Oberösterreich beschäftigt ist (48 Prozent), addieren sich noch zusätzlich die Beschäftigten der nachgelagerten Wertschöpfungskette (Handel, Reparatur & Wartung). Eine nicht unerhebliche Anzahl an Personen, die von den Veränderungen betroffen sind.
Es geht aber bei der Frage einer „Just Transition“ nicht vorrangig um einzelne Betriebe oder einzelne Beschäftigte. Vielmehr geht es um Perspektiven für ganze Cluster rund um Produktionsstätten, wie etwa die Getriebeproduktion oder den Kohletagbau, die in Zukunft wegfallen werden. Dies bedeutet in der Regel den Verlust von Arbeitsplätzen für die dort beschäftigten ArbeitnehmerInnen. Auswirkungen verspüren aber auch (über)regionale GeschäftspartnerInnen und Gebietskörperschaften, die von einem Nachfrageausfall und einem Rückgang an Steuereinnahmen betroffen sind. Unter der Schließung leiden also auch andere örtliche Unternehmen, öffentliche Einrichtungen, öffentliche Dienstleistungen und die Bevölkerung insgesamt. Der Wandel zu einer nachhaltigen Wirtschaft stellt also für ganze Sektoren und Regionen eine tiefgreifende Veränderung dar.
„Just Transition“-Konzepte sind deshalb darauf ausgerichtet, den Übergang zu erleichtern und sozial verträglicher zu gestalten. Genauer gesagt, dienen solche Ansätze dazu, die Gemeinschaft auf eine ökologischere Weise zu erneuern. Ansätze zu „Just Transition“ verknüpfen dabei Umwelt-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik und forcieren eine Stärkung demokratischer Rechte für alle. Nicht nur werden im Zuge einer „Just Transition“ arbeitslose Beschäftigte u. a. durch Qualifizierungs- und Schulungsprogramme finanziell unterstützt, sondern es werden auch aktiv wirtschafts-, industrie- und strukturpolitisch gestalterische Konzepte entwickelt. Deren Ziel ist, der Bevölkerung, der betroffenen Gemeinde oder Region auch weiterhin Entwicklungs- und Zukunftsperspektiven bieten zu können. Damit sollen berechtigte Widerstände innerhalb der Bevölkerung gegen die Lenkungs- und Gestaltungswirkungen klima- und energiepolitischer Maßnahmen frühzeitig aufgelöst werden. Grundsätzlich bedarf es dazu eines aktiven gestalterischen Anspruchs des öffentlichen Sektors und der Bereitstellung öffentlicher Mittel u. a. für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. Ein aktuelles Beispiel für erste zaghafte Versuche in eine solche Richtung stellt die deutsche „Kohlekommission“ dar. In ihrem Bericht versucht sie eben genau für jene Regionen, die vom Kohleausstieg besonders betroffen sind, (erste, zaghafte) Vorschläge und Maßnahmen zu entwickeln, wie der Strukturwandel aktiv begleitet und gestaltet werden kann.
Unterschiedliche Vorgehensweisen im Sinne von „Just Transition“
Auch wenn das übergeordnete Ziel einer nachhaltigen Entwicklung in ihren wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Dimensionen scheinbar in allen Ländern ähnlich ist, so gibt es doch unterschiedliche Ansätze, die jeder Staat gemäß seinen individuellen Gegebenheiten und Prioritäten verfolgt. Zu diesen spezifischen Bedingungen zählen der Entwicklungsstand des Landes, die Wirtschaftssektoren und -strukturen sowie die Unternehmensgrößen und deren Bedeutung im Gefüge der regionalen Wirtschaft. Zur Gestaltung des Wandels hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft bedarf es daher einer länder- oder regionenspezifischen Mischung aus makroökonomischer, industrieller, sektoraler und arbeitsmarktorientierter Politik. Im Folgenden sollen exemplarisch für die Ausgestaltung eines „Just Transition“-Prozesses internationale Beispiele näher beleuchtet werden.
„Just Transition“ in den USA – von der Landes- auf die bundesstaatliche Ebene
2017 veranlasste US-Präsident Donald Trump den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen. Er argumentierte dies damit, dass diese Vereinbarung die Wirtschaft des Landes schädige und nur dazu diene, den Reichtum der USA in andere Länder umzuverteilen – beispielsweise, wenn Arbeitsplätze der Kohlebranche in den USA verloren gingen und die Kapazitäten nach China und Indien verlagert würden. Aber seit dem Ausscheiden aus dem Pariser Abkommen setzen sich Tausende regionale VertreterInnen – im Gegensatz zu Trump – für nachhaltige Strategien in der Industriepolitik ein. Beamte des städtischen und ländlichen Raums, leitende Personen der Wirtschaft, Universitäten und Einzelpersonen beteiligen sich an Initiativen wie der „United States Climate Alliance“ und „We are still in“. Es werden komplementäre und manchmal überlappende Ansätze gewählt, um die Klimakrise auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene zu entschärfen.
Kalifornien als Best-Practice-Beispiel
Aus Kalifornien stammen auch Beispiele, bei denen die Politik versucht, klima-, energie- und arbeitsmarkt- sowie verteilungspolitische Maßnahmen zu verknüpfen. Im Sinne einer solchen Verknüpfung dieser unterschiedlichen Dimensionen kann man im weitesten Sinne von „Just Transition“-Ansätzen sprechen. So aktualisiert der Bundesstaat Kalifornien regelmäßig seine Energieeffizienzstandards (Building Energy Efficiency Standards) hinsichtlich Nachhaltigkeit, Energieeffizienz, Energieunabhängigkeit und Klimawandel. Bei der Erarbeitung der Energiestandards wird dabei auf eine breite Einbeziehung von Stakeholdern gesetzt. Wobei sich die Normen nicht rein auf Energieeffizienz im Neubau beschränken, sondern auch Photovoltaikanlagen, die Verbesserung von Dachböden, Wänden, Heizung und Beleuchtung vorsehen.
Neben der Etablierung und regelmäßigen Anpassung der Standards verknüpft Kalifornien die Frage der Energieeffizienz mit der Dimension der Verteilungspolitik. Damit insbesondere auch einkommensschwache Haushalte von Energieeffizienz- und Sanierungsmaßnahmen profitieren können, muss laut kalifornischem Gesetz die California Public Utilities Commission dafür sorgen, dass an Gebäuden, bewohnt von einkommensschwachen Haushalten, Photovoltaikanlagen gefördert werden. Aus diesem Grund wurde das „Solar on Multifamily Affordable Housing“-Programm (SOMAH) ins Leben gerufen, welches diesen Sommer startet. Über die nächsten zehn Jahre soll für dieses Programm eine Milliarde Dollar ausgegeben werden. Die Finanzierung wird von der California Public Utilities Commission bereitgestellt und stammt aus dem Handel mit Emissionszertifikaten. Um sicherzustellen, dass auch tatsächlich die berechtigte Bevölkerungsschicht von diesen finanziellen Mitteln profitiert, werden laufend Kontrollen vonseiten eines Community Advisory Councils durchgeführt.
Neben der Absicht, die Energiekosten für BewohnerInnen mit niedrigem Einkommen im gesamten Bundesstaat zu senken, zielt dieses Programm darauf ab, Kalifornien bei der Erreichung seiner Klimaziele zu unterstützen. Außerdem schafft diese Initiative Arbeitsplätze. Während der gesamten Laufzeit sollen 3.750 ArbeiterInnen ausgebildet werden, für jedes Projekt werden außerdem mindestens ein oder zwei Personen aus der Region im Bereich der Solarenergie ausgebildet.
„Just Transition“-Ansätze in Kolumbien
In den letzten Jahren hat Bogotá den Fokus auf eine nachhaltige Veränderung der Verkehrspolitik gelegt, und zwar in Form einer Zusammenarbeit unterschiedlicher Interessengruppen und der Politik. Mithilfe öffentlicher Mittel von mehr als 200 Millionen US-Dollar wurde das Fahrradwegenetz ausgebaut. Jedoch steht dahinter auch eine strikte Kosten-Nutzen-Rechnung der Regierung. Während ein Kilometer Radwegnetz mit rund 600.000 US-Dollar zu Buche schlägt, müssen für dieselbe Strecke Straße rund 6,5 Mio. US-Dollar investiert werden. Neben dem rein ökonomischen Zugang, um das Verkehrsproblem zu lösen, wurde das Investitionsprogramm auch um eine arbeitsmarktpolitische Komponente erweitert. So wurde das Infrastrukturprogramm zielgerichtet auch dafür verwendet, lokal Beschäftigung in besonders exponierten Bereichen zu schaffen. Dies inkludierte insbesondere die Bereiche der Wartungs-, Instandhaltungs- und Reinigungsarbeit. Der Fonds für die Realisierung des Projekts speiste sich aus öffentlichen Mitteln, die von den Gemeinden bereitgestellt wurden. Die Haupteinnahmequellen sind dabei Treibstoffzuschläge, Fahrkarten und die eingehobene Grundsteuer. Dank dieser Politik stieg der Anteil des Radverkehrs von 0,58 Prozent im Jahr 1998 auf rund 5 Prozent im Jahr 2010.
Darüber hinaus hat Bogotá sein System im Busverkehr verbessert. Im Jahr 2000 startete Bogotás TransMilenio, ein Bus-Schnellverkehrssystem, das als eines der größten und am stärksten genutzten der Welt gilt. Schätzungsweise 1,6 Millionen Passagiere nutzen dieses Transportmittel täglich, dies entspricht 69 Prozent der Bevölkerung von Bogotá. Seit der Einführung des Bus-Schnellverkehrssystems konnte die Zahl von Raubüberfällen an Haltestellen um 83 Prozent reduziert werden. Überdies hat sich der Schadstoffanteil in den ersten fünf Monaten um 40 Prozent reduziert. Im Zeitraum von 2006 bis 2009 hat dieses System insgesamt 1,7 Millionen Tonnen an CO2-Emissionen eingespart. Des Weiteren wurde die Lebensqualität, vor allem für einkommensschwache BürgerInnen verbessert, da das Bus-Schnellverkehrssystem Zeit und Kosten spart. Dies ist darauf zurückzuführen, dass primär die unteren und mittleren Einkommensgruppen diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Auch das Beispiel des TransMilenio zeigt eine Verknüpfung verkehrs-, struktur-, sozial- und arbeitsmarktpolitischer Ansätze. Einerseits entlastete der Aufbau des TransMilenio das Verkehrssystem und reduzierte Staus und Emissionen vor dem Hintergrund einer stark wachsenden Metropole. Andererseits erzeugte er aufgrund regionaler öffentlicher Beschaffung Beschäftigung und Wertschöpfung in der Region. Aus einer sozialpolitischen Perspektive kann festgehalten werden, dass die Ticketpreise inklusiv ausgestaltet wurden, mit dem Ziel, niedrigen und einkommensschwachen Gruppen den Zugang zu leistbarer Mobilität zu ermöglichen. Da das gesamte Bussystem jedoch von einer Kostenperspektive möglichst selbsttragend ausgestaltet werden sollte, wurde zur Finanzierung sozial verträglicher Ticketpreise ein Aufschlag auf den Benzinpreis eingeführt. So fließen 50 Prozent des 30%igen Aufschlages zweckgebunden in die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs.
„Just Transition“ erfolgreich umsetzen
Weltweit ist es unterschiedlichsten Ländern, Regionen und Kommunen bereits gelungen, einen Plan für einen gerechten Übergang zu entwickeln. Um die Wende hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu bewältigen, verfolgen sie meistens mehr als eine Strategie, teilweise sogar mehrere in derselben Branche und verknüpfen mehrere Zieldimensionen, wie zum Beispiel klima- und verteilungspolitische Maßnahmen, miteinander. Während sich manche der umgesetzten Maßnahmen überschneiden, scheinen andere wiederum auf die örtliche und ökonomische Situation explizit maßgeschneidert zu sein. Es kann daher nicht von generellen Strategien in der Umsetzung einer „Just Transition“ gesprochen werden. Was jedoch für die vielen internationalen Beispiele einer erfolgreichen Umsetzung von „Just Transition“-Konzepten festgehalten werden kann, ist, dass verschiedenste Gruppen in den Veränderungsprozess miteinbezogen wurden. Unterschiedliche Stakeholder waren nicht nur im Planungsprozess beteiligt, sondern auch in der Implementierungsphase und im Problemmanagement. Es kommt dadurch schon frühzeitig zu einem Interessenausgleich und einer Konsensfindung, die es maßgeblich erleichtert, Widerstände aufgrund negativer sozialer Auswirkungen zu überwinden. Durch die Inklusion verschiedener AkteurInnen kann eine Transformation allerdings nicht über Nacht geschehen. In der Regel erfordert der Übergang eine ausreichende Vorplanung und langfristige Ziele – manchmal über mehrere Jahrzehnte.
Wenn es um die Finanzierung geht, ist oftmals der öffentliche Sektor die treibende und maßgebliche Kraft. In vielen Fällen erfordert es Milliarden für die Erschließung neuer Energiequellen, die Umstrukturierung der Infrastruktur, soziale Inklusion oder die Kompensation negativer Effekte auf die Beschäftigung. Daher ist der öffentliche Sektor essenziell, sowohl für eine erfolgreiche Umsetzung als auch für die Stärkung partizipativer und demokratischer Prozesse. Jedenfalls ist für die Sicherstellung eines gerechten Übergangs zu nachhaltiger Wirtschaft eine Kombination aus makroökonomischer und sektoraler Politik, Beschäftigungs- und Sozialpolitik notwendig. Ökologische und soziale Herausforderungen müssen nicht nur berücksichtigt, sondern explizit zusammengedacht werden – wie die exemplarisch gewählten Beispiele aus Bogota und Kalifornien eindeutig aufzeigen.