Um das Ziel einer klimaneutralen und nachhaltigen Wirtschaft zu erreichen, müssen viele der aktuell noch auf fossilen Energieträgern beruhenden Geschäftsmodelle auf den Prüfstand. Sowohl die Klimakrise als auch unser Ziel, die fossile energetische Basis unserer Produktion und unseres Konsums zu überwinden, erzeugen einen Veränderungsdruck. In dieser Veränderung – oder anders ausgedrückt: im „grünen“ Strukturwandel – wird entweder das Althergebrachte mit etwas Neuem verschmolzen oder etwas gänzlich Neues muss an seine Stelle treten. Damit dieser Prozess sozial ausgewogen und gerecht verläuft, braucht es aktive politische Gestaltung. Eine politische Gestaltung in Form einer Strukturwandelpolitik, welche die Mission „Dekarbonisierung“ vorantreibt und die soziale Dimension der mit der Veränderung verbundenen Entwicklungen mit ins Zentrum der wirtschaftspolitischen Maßnahmen stellt. Einen besonderen Stellenwert darin nimmt die Arbeitsmarktpolitik ein. Sie ist es, die den Strukturwandel begleiten muss, um die mit ihm verbundenen Chancen für Wertschöpfung und Beschäftigung zu nutzen oder potenzielle soziale Verwerfungen zu mildern.
Just Transition im grünen Strukturwandel: eine Strategie für einen gerechten Wandel am Arbeitsmarkt
Die Ausgangsposition Österreichs im Strukturwandel ist eine sehr gute. Ein stabiler und gut funktionierender Sozial- und Wohlfahrtsstaat, innovative Unternehmen mit ihren qualifizierten und motivierten Beschäftigten und eine gut ausgebaute moderne Infrastruktur bieten eine solide Basis, um gut und sozial ausgewogen durch den Prozess des Wandels zu kommen. Einen wesentlichen Beitrag zu einem gerechten und fairen Wandel muss die Politik leisten – auch die Arbeitsmarktpolitik. In der Gestaltung eines „gerechten Wandels“ bzw. einer „Just Transition“ muss es vorrangig darum gehen, arbeitsmarktpolitische Instrumente und Maßnahmen so zu gestalten, dass die Chancen für Wertschöpfung und Beschäftigung des grünen Strukturwandels auch genutzt werden können, und gleichzeitig müssen jene, die stark negativ vom Strukturwandel betroffen sein werden, sozial abgesichert und bei einer Neuorientierung unterstützt werden.
Die aktuelle Studienlage zu den Beschäftigungseffekten des grünen Strukturwandels ist eindeutig. Klimapolitik und der damit verbundene grüne Strukturwandel haben großes Potenzial für (regionale) Beschäftigung und Wertschöpfung im Ausmaß eines positiven Gesamtbeschäftigungseffekts von +0,6 Prozent bis +2 Prozent bis zum Jahr 2030. Die großen Zukunfts- und Wachstumsbereiche sind der gesamte Bereich der erneuerbaren Energien und des Netzinfrastrukturausbaus, der Wärme- und Kälteerzeugung, die thermische Sanierung, Energieeffizienz, Elektromobilität, Kreislaufwirtschaft und der Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Ob und in welchem Ausmaß diese Potenziale genutzt werden können, hängt maßgeblich von der politischen Gestaltung und den begleitenden wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ab. Diese den Strukturwandel begleitenden Maßnahmen sind es damit auch, welche maßgeblich die beschäftigungspolitischen Chancen und Gefahren, die mit jeder Art von großen Veränderungen verbunden sind, beeinflussen können.
Im Prozess des Wandels gilt es daher, bestehende Beschäftigung bestmöglich zu sichern und neu entstehende Beschäftigungsmöglichkeiten mit guten Arbeitsbedingungen zu nutzen. Für die Arbeitsmarktpolitik ergeben sich dabei vielfältige Herausforderungen, die nach Ausgangspunkt und Ausmaß der notwendigen Anpassungen unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Es braucht eine regional- und beschäftigungspolitische „Just Transition“-Strategie, die zielgerichtet die Veränderungen in Arbeitsplatzprofilen, Qualifikationsanforderungen, regionalen Arbeitsplatzangeboten, bei der Umsetzung innovativer Modelle zur Arbeitszeitverkürzung und das Matching zwischen Arbeitsangebot und -nachfrage im Strukturwandel unterstützt.
Eine „Just Transition“-Strategie muss differenzierte Antworten geben
Der Strukturwandel hin zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Wirtschaft betrifft auch die Art und Weise, wie wir arbeiten, produzieren und konsumieren. Damit ist klar, dass der Wandel große Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte haben wird. Bestehende Qualifikationen und Fähigkeiten werden durch den Strukturwandel ent- oder abgewertet, während andere Qualifikationen und Fähigkeiten an Bedeutung gewinnen werden. Einige Arbeitsprofile werden unter Umständen sogar gänzlich verschwinden und wiederum andere neu entstehen. Für die Politik ergibt sich neben Aufgaben der rechtlichen und ordnungspolitischen Gestaltung und dem Setzen von Anreizen und Pflichten für Unternehmen auch die Aufgabe, Beschäftigte, Erwerbsarbeitslose und am Arbeitsmarkt Benachteiligte durch niedrigschwellige und inklusive Angebote Ausbildungs-, Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zu unterstützen oder als öffentliche Hand selbst verstärkt Beschäftigung in gesellschaftlich wichtigen Bereichen anzubieten. Solche Angebote helfen den Beschäftigten, sich im Zuge des grünen Strukturwandels nachgefragte Fähigkeiten und Qualifikationen anzueignen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu erschließen. Außerdem ist die Arbeitsmarktpolitik gefordert, die Beschäftigten dabei zu unterstützen, in potenzielle Wachstums- und Zukunftsbereiche zu wechseln, und für alle gute Arbeitsplatzangebote zu garantieren.
Eine tragfähige „Just Transition“-Strategie muss in diesem Zusammenhang auf die unterschiedlichen arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitischen Anforderungen im Strukturwandel eingehen. Casano unterscheidet drei wesentliche arbeitsmarktpolitische Prozesse: „Steigende grüne Nachfrage“, „Grüne Qualifikationsanpassung“ und „Neue grüne Arbeitsplätze“, die in einer „Just Transition“-Strategie berücksichtigt werden müssen.