Die Rolle von Erwerbsarbeit findet im Kampf gegen den Klimawandel immer noch zu wenig Berücksichtigung, dabei ist der Produktionsbereich der mit Abstand größte Emissionsverursacher. Die derzeit sehr hohe Arbeitslosigkeit macht eine Debatte über die Klimafreundlichkeit von Jobs schwierig, die Kontroverse um das „Environment versus Jobs“-Dilemma steckt in einer Pattsituation. Der populäre Vorschlag, „Green Jobs“ zu schaffen, blendet die dabei geschaffenen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen oft aus und ignoriert damit die vielfältigen sozialen Ansprüche an Erwerbsarbeit. Soziale Unternehmen, die in der Kreislaufwirtschaft tätig sind, zeigen als Leuchttürme zukunftsfähiger Beschäftigungsmöglichkeiten Wege aus diesem Dilemma.
Erwerbsarbeit hat in der Auseinandersetzung um die Nachhaltigkeitswende bislang einen untergeordneten Stellenwert. Von wenigen Ausnahmen, wie etwa dem Verbundprojekt Arbeit und Ökologie, einmal abgesehen, finden Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse in der Debatte bislang noch wenig Berücksichtigung. Dabei sind Produktionsbetriebe, also die Orte der Erwerbsarbeit, die mit Abstand größten Verursacher von Emissionen. Die Ausklammerung dieses Bereiches ist daher nicht nachvollziehbar.
Die Klimawirkungen von Erwerbsarbeit
Eine Berücksichtigung des Verhältnisses von (Erwerbs-)Arbeit und Ökologie liefert gleich aus mehreren Gründen wichtige Impulse, um Synergien und Barrieren in den Gestaltungsmöglichkeiten in Richtung einer sozial-ökologischen Transformation auszumachen.
Einerseits zieht Erwerbsarbeit in ihrer derzeitigen Form wiederum Konsum nach sich: Arbeitende kaufen beispielsweise Arbeitskleidung oder Produkte, die ihren Arbeitsalltag erleichtern, und sind auf Fertigprodukte oder Restaurants für die Essensversorgung angewiesen. Erwerbsarbeit induziert auch Mobilität, Pendelmobilität zum Arbeitsort ebenso wie Geschäftsreisen. Sowohl erwerbsarbeitsinduzierter Konsum als auch Mobilität haben zwar durch die Corona-Krise abgenommen. Aber selbst wenn sie auf absehbare Zeit nicht mehr auf Vorkrisenniveau steigen sollten, bleiben sie weiterhin relevante Faktoren.
Andererseits haben die hergestellten Produkte und Dienstleistungen einen direkten Einfluss auf den Ressourcenverbrauch und damit auf die Umwelt. Das gilt einerseits für Produktionsbereiche, die sehr ressourcenintensiv sind und damit eine besonders schlechte Klimabilanz aufweisen (etwa die Stahlindustrie oder die industrielle Landwirtschaft), aber auch für Dienstleistungen, wie beispielsweise in manchen Fällen das Marketing, das nicht nachhaltige Konsumwünsche befeuern kann.
Es ist also klar, dass viele Branchen und Industrien in ihrer jetzigen Form nicht aufrechterhalten bleiben können, wenn wir die Klimakrise aufhalten – oder zumindest den Schaden begrenzen – wollen. Die unmittelbare Betroffenheit von Arbeitsplätzen durch die Reduktion oder den vollständigen Ausstieg aus der Produktion klimaschädlicher Produkte (etwa Verbrennungsmotoren) scheint eine unauflösbare Kontroverse zu sein. Die Auseinandersetzungen enden oft in einer Pattsituation zwischen dem „Job-Dilemma“, also einer unverträglichen Zerstörung von Arbeitsplätzen, und dem „Environmental-Dilemma“, der ebenso unverträglichen Zerstörung der Umwelt.
Zur Schaffung „grüner“ Arbeitsplätze
Angesichts der Corona-Krise auf dem Arbeitsmarkt erscheint das Argument, jeden Arbeitsplatz sichern zu müssen, dringlicher denn je: Die Corona-Pandemie hat eine noch nie dagewesene Krise am Arbeitsmarkt verursacht. Im Februar 2021 waren 508.923 Menschen arbeitslos oder in Schulungen, weitere 485.000 in Kurzarbeit. Damit waren 22 Prozent der Erwerbsbevölkerung nicht oder nur eingeschränkt erwerbstätig. Demgegenüber steht eine Überlastung im Gesundheitsbereich und im Sozialwesen und eine weiterhin sehr ungleiche Verteilung der unbezahlten Sorgearbeit. Das führt nicht zuletzt dazu, dass Frauen überproportional von der Krise betroffen sind. Eine Neugestaltung und Umverteilung von (Erwerbs-)Arbeit ist nicht nur angesichts der multiplen Krisen (Klima und Corona), sondern auch aus Verteilungsgründen unumgänglich.
Ein populärer politischer Vorschlag für die notwendige Neugestaltung ist das Schaffen von sogenannten „Green Jobs“ in umweltfreundlichen Bereichen. Umweltministerin Leonore Gewessler sprach zuletzt von 100.000 neuen „Klimajobs“, die in den nächsten Jahren entstehen sollen. Die Europäische Kommission verspricht im Rahmen des „European Green Deal“ jährlich zusätzlich 260 Milliarden Euro für Investitionen in nachhaltige Wirtschaft und „Green Jobs“, mit dem Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein. In der sogenannten „Green Economy“ würden also neue Jobs primär in „grünen Sektoren“ geschaffen. Was auf den ersten Blick vielversprechend scheint, ist aber aus unterschiedlichen Gründen problematisch und oft nur wenig nachhaltig. Obwohl in der medialen Darstellung hochqualifizierte technische Berufe dominant sind, entfallen laut einer Studie der Arbeiterkammer die größten Anteile dieser „Green Jobs“ auf die Land- und Forstwirtschaft, das Baugewerbe und die Abwasser- und Abfallentsorgung – Bereiche, die oft nicht gerade für gute Arbeitsbedingungen bekannt sind. Die anhaltende Kritik an der Strategie der „Green Jobs“ hinterfragt die Qualität der hier geschaffenen Jobs. Diese Arbeiten sind mitunter gesundheitsgefährdend, schlecht entlohnt und kommen den Forderungen nach „guter Arbeit“ wohl nur in den seltensten Fällen nach. Zudem werden dabei keine grundlegenden Änderungen in der Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit in Angriff genommen.
Gute Arbeit versus nachhaltige Arbeit?
Nachhaltige Erwerbsarbeit meint nicht „nur“ Tätigkeiten in Branchen, die der Umwelt zumindest nicht schaden, sondern muss die Komplexität von Erwerbsarbeit in unserer Gesellschaft berücksichtigen: Die Funktionen von Erwerbsarbeit gehen schon lange über die bloße Existenzsicherung hinaus. Erwerbsarbeit ist mit vielen gesellschaftlichen und sozialstaatlichen Funktionen aufgeladen: Identität, Anerkennung, soziale Einbindung, aber auch Versicherungsleistungen und Pensionsansprüche. Dementsprechend vielfältig sind auch die Probleme, wenn Erwerbsarbeit, insbesondere gute und nachhaltige Erwerbsarbeit, ungleich verteilt ist. Es gilt zu berücksichtigen, dass Erwerbsarbeit nach wie vor eine zentrale Quelle von Anerkennung und Sinnstiftung ist, obwohl einerseits viele Bereiche der Erwerbsarbeit gesellschaftlich sinnlos oder sogar schädlich sind. Andererseits findet gesellschaftlich notwendige Arbeit häufig außerhalb der Erwerbsarbeit statt und ist damit nicht nur unbezahlt, sondern auch mit wenig Anerkennung verbunden.
Ziel muss es also sein, Erwerbsarbeit sowohl ökologisch als auch sozial nachhaltig neu zu gestalten und zu verteilen. In der gegenwärtigen Struktur des Erwerbsarbeitsmarkts scheint es schwer, diese Forderungen in Einklang zu bringen. Es bringt wenig, für die Ökologisierung der Wirtschaft bei den Arbeitsbedingungen zurückzuschrauben und der Zerstörung der äußeren Natur entgegenzutreten, wenn dabei die Zerstörung der inneren Natur des Menschen voranschreitet. Umgekehrt ist es nicht sinnvoll, den Klimawandel womöglich noch zu beschleunigen, indem um jeden Preis Beschäftigung aufrechterhalten wird, selbst wenn diese umwelt- und damit auch gesellschaftsschädlich ist. Die Frage ist, ob „Green Jobs“, die ökologisch sinnvoll sind, auch so gestaltet werden können, dass sie den Beschäftigten menschenwürdige Arbeitsbedingungen bieten. Was es braucht, sind nicht einfach „Green Jobs“, sondern „Decent Green Jobs“, die ein sozial verträglicher Weg für eine Ökologisierung der Arbeitswelt unter Beibehaltung der gegenwärtigen Erwerbsarbeitszentrierung sind.
Es ist möglich: zukunftsfähige Beschäftigung in der Kreislaufwirtschaft
„Eine sozial-ökologische Transformation hin zu einer zirkulären, klimaneutralen ,Maintenance-Economyʻ ist mit enormen gesellschaftlichen Umbrüchen verbunden“, betont auch Matthias Neitsch, Geschäftsführer von RepaNet, dem österreichischen Re-Use- und Reparaturnetzwerk. „Der letzte vergleichbare Umbruch fand in den 80er-Jahren statt. Damals wurden zur Abfederung der enormen Kollateralschäden durch explodierende Arbeitslosigkeit für besonders vulnerable Gruppen die sozialen Integrationsunternehmen geschaffen. Diese stehen auch jetzt wieder zur Bewältigung der ,Just Transitionʻ in eine klimaneutrale Kreislaufwirtschaft bereit.“
Die sozialen Unternehmen haben die Notwendigkeit der Schaffung von nachhaltiger Erwerbsarbeit im Sinne von „Decent Green Jobs“ insbesondere für vulnerable Gruppen erkannt und zeigen, wie diese gestaltet werden können. Das DRZ (Demontage- und Recyclingzentrum) in Wien etwa sammelt Elektro-Altgeräte und bereitet diese für die Wiederverwendung auf. In der angeschlossenen trash_design Manufaktur entstehen außerdem Schmuck, Möbel und Accessoires aus Elektroschrott. Auch im Bereich der ökologischen Landwirtschaft finden sich soziale Unternehmen: WUK bio.pflanzen betreibt zum Beispiel eine Bio-Gärtnerei in Gänserndorf und bietet neben frischem Biogemüse auch Jungpflanzen an. Zudem ist das soziale Unternehmen auch für die nachhaltige Beweidung der Donauinsel mit Schafen zuständig. An der Erbringung dieser Produkte und Dienstleistungen sind arbeitsmarktferne Menschen beteiligt, denen im Rahmen einer befristeten geförderten Beschäftigung bei den sozialen Unternehmen nicht nur arbeitsplatznahe Ausbildung, sondern auch unmittelbar Teilhabe an den oben genannten Funktionen der Erwerbsarbeit geboten wird. Damit verbinden soziale Unternehmen im Bereich der Kreislaufwirtschaft ökologisch sinnvolle Tätigkeiten mit sozial wünschenswerten Beschäftigungsmöglichkeiten. Als Leuchttürme für zukunftsfähige Formen der Erwerbsarbeit bieten soziale Unternehmen schon jetzt konkrete Beispiele, wie die Kontroverse zwischen Jobsicherung und Umwelterhaltung aufgelöst werden kann.