Die aktuelle Umwelt- und Klimapolitik basiert auf grünem Wachstum: Während das BIP weiterhin wächst, sollen gleichzeitig Ressourcenverbrauch und CO2-Emissionen absolut gesenkt werden. Eine neue Studie zeigt jedoch, dass tatsächliche Entkopplungen von Wirtschaftswachstum, Ressourcen-Verbrauch und Emissionen viel zu langsam und viel zu gering sind, um beschlossene Klima- und Umweltziele zu erreichen. Arbeitszeitverkürzung kann Teil des notwendigen Maßnahmenbündels sein, um aus der Klimakrise keine Klimakatastrophe werden zu lassen.
Studie zur Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Umweltauswirkungen
In einer jüngst veröffentlichten Studie haben wir das Wissen über den Zusammenhang von Wirtschaftswachstum (BIP), Ressourcenverbrauch (Rohstoffe und Energie) und CO2-Emissionen systematisiert und zusammengefasst. Mit einem internationalen Team sichteten wir 11.000 wissenschaftliche Arbeiten und identifizierten 835 empirische Studien, die wir im Detail analysiert und bewertet haben. Daraus wird klar: Bisherige Maßnahmen, die nur auf gesteigerte Effizienz und bessere Technologien setzten, können Ressourcenverbrauch und Emissionen weder ausreichend schnell noch stark genug reduzieren.
Effizienz und Auslagerung ermöglichen relative Entkopplung
Die aktuelle Umwelt- und Klimapolitik setzt auf grünes Wachstum und basiert dabei auf dem Konzept der Entkopplung: Während die Wirtschaft weiterhin wächst, sollen gleichzeitig Ressourcenverbrauch und Emissionen sinken. Wächst das BIP, während Ressourcenverbrauch und Emissionen sinken, wird das als absolute Entkopplung bezeichnet. Bei einer relativen Entkopplung steigen Ressourcenverbrauch oder Emissionen weiterhin an, aber weniger stark als das BIP. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, ist es notwendig, die globalen Emissionen bis 2050 auf null zu senken. Österreich will diese Dekarbonisierung dem aktuellen Regierungsprogramm zufolge bereits 2040 erreichen.
Unsere Studie zeigt, dass eine relative Entkopplung sehr häufig vorkommt. Diese gelingt meist durch effizientere Produktionsprozesse und den Ausbau von erneuerbaren Energieträgern. Länder mit einem niedrigen Wirtschaftswachstum von etwa ein bis zwei Prozent pro Jahr sind eher in der Lage, durch Effizienzgewinne ihren Ressourcenverbrauch zu verlangsamen, aber eben nicht zu senken.
Teilweise „gelingt“ diese relative Entkopplung auch, indem umwelt- und klimaschädliche Produktionsprozesse in andere Länder ausgelagert werden. Ressourcenverbrauch und Emissionen bleiben so zwar national stabil oder sinken sogar, sie werden aber in andere, meist ärmere Länder verlagert. Dieser Prozess findet in einer globalisierten Wirtschaft häufig statt und kann dank wissenschaftlicher Fortschritte inzwischen gut analysiert werden. Wir zeigen, dass diese Analysen noch wenig genutzt werden, obwohl sie wichtig sind, um Entkopplung systematisch zu bewerten.
Absolute Entkoppelung ist selten und reicht nicht aus
Beispiele absoluter Entkopplung von Wirtschaftswachstum, Ressourcenverbrauch und Emissionen gibt es selten. Diese finden sich meist in Ländern, in denen Konsum und Emissionen viel zu hoch sind und eher niedriges Wirtschaftswachstum vorherrscht. Auslagerung ist oft ein Teil der Erklärung. In der Vergangenheit waren absolute Entkoppelungen oft auch ein Ergebnis großer sozialer und ökonomischer Umwälzungen, wie z. B. die deutsche Wiedervereinigung oder der Kollaps der Sowjetunion.
Seit etwa 2005 zeigt sich in einigen wenigen, hauptsächlich europäischen Ländern eine leichte absolute Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Emissionen. Die Emissionen sinken von einem sehr hohen Niveau leicht ab, während der Ressourcenverbrauch relativ stabil bleibt. Die Gründe dafür sind gezielte politische Maßnahmen, ein reduzierter Energieverbrauch, ein massiver Ausbau erneuerbarer Energien und ein niedriges Wirtschaftswachstum. Allerdings sind die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Reduktion bisher nicht einmal annähernd ausreichend, um national und international beschlossene Klimaziele zu erreichen. Breite Maßnahmenbündel werden notwendig sein.
Österreich hinkt hinterher
Österreich hatte 2018 leicht höhere Emissionen als 1990, dem ursprünglichen Basisjahr für klimapolitische Ziele. Seit 1990 konnten zwar Fortschritte in der Energieeffizienz und beim Ausbau der Erneuerbaren gemacht werden. 2005 wurde trotzdem der bisherige Höchststand an Emissionen gemessen. Seitdem sinken die Emissionen leicht. In Summe konnten alle Fortschritte aber nur das Wirtschaftswachstum der letzten 30 Jahre kompensieren, jedoch nicht Ressourcenverbrauch und Emissionen absolut und im notwendigen Ausmaß reduzieren.
Diese nicht ausreichende Entkopplung in Österreich steht in völligem Widerspruch zu den völkerrechtlich, europäisch und national beschlossenen Klimazielen. Die empirischen Belege zeigen, dass bestehende Maßnahmen, die fast ausschließlich auf Effizienz, zaghafte Steuern (z. B. höhere Steuern für Kurzstreckenflüge) sowie technologische Innovationen setzen, bei Weitem nicht ausreichen, um die bereits beschlossenen Klimaziele zu erreichen (siehe Abbildung). Es braucht breitere, gesamtgesellschaftliche Maßnahmen, um ein gutes Leben für alle und ein klimafreundliches Wirtschaften zu ermöglichen.