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Die arbeitsmarktpolitischen Pläne der Bundesregierung sind unzureichend
Das aktuelle Problem am Arbeitsmarkt ist schnell auf den Punkt gebracht: Es gibt zu wenig Arbeitsplätze und zu viele Arbeitssuchende. Das führt unter anderem zur Verfestigung von Arbeitslosigkeit. Die Langzeitbeschäftigungslosigkeit steigt. Hier versagen also Markt und Privatwirtschaft, weshalb es kollektiver Anstrengungen bedarf – also politischer, staatlicher Lösungen.
Allerdings macht es den Eindruck, als ob die österreichische Arbeitsmarktpolitik in den letzten Jahren „verlernt“ hätte, Arbeitsplätze zu schaffen. Trotz in den letzten Dekaden stetig steigender Langzeitarbeitslosigkeit hält die Bundesregierung an den immer gleichen Maßnahmen fest und vertraut darauf, dass ein paar wenige UnternehmerInnen das Problem schon lösen werden. Gleichzeitig wird Arbeitslosigkeit zu einem selbst verschuldeten individuell lösbaren Problem deklariert. So fordert die Politik von den Arbeitslosen Anpassungen an die Bedarfe der Betriebe, überregionale Mobilität und Umschulungen sowie Höherqualifizierung.
Qualifizierung ist zwar in der Lage, die individuellen Arbeitsmarktchancen zu verbessern, sie ist eine wichtige Grundlage, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, und dienlich zur Bewältigung des Strukturwandels. Aber in Summe geht ein solcher angebotsorientierter Ansatz an den Ursachen der Arbeitslosigkeit vorbei: Bei 74.000 offenen Stellen und einer halben Million Arbeitssuchenden kann durch Qualifizierung weder die gesamte Arbeitslosigkeit und schon gar nicht die Langzeitarbeitslosigkeit in einem größeren Ausmaß beseitigt werden.
Arbeitslosigkeit mittels Förderung der Privatwirtschaft zu bekämpfen ist in vielerlei Hinsicht problematisch. Denn nach dem Lockdown werden Unternehmen auch ohne teure Geldgeschenken Arbeitskräfte wieder einstellen. Dennoch soll auch nach dem Lockdown vermehrt auf die sogenannte Eingliederungsbeihilfe zurückgegriffen werden. Dabei handelt es sich um eine Förderung, die an Unternehmen gezahlt wird, wenn sie Arbeitskräfte einstellen. Diverse Studien weisen dabei darauf hin, dass es zu diesen Einstellungen zu einem großen Teil auch ohne die Förderung gekommen wäre.
Ein weiteres arbeitsmarktpolitisches Instrument, das von der Bundesregierung als bevorzugte arbeitsmarktpolitische Maßnahme genannt wurde, ist der sogenannte Kombilohn (bzw. Neustartbonus). Damit werden Einkommen für ein halbes Jahr (bis zu einem Jahr) mit bis zu 950 Euro im Monat aufgestockt. Auf den ersten Blick scheint das für Arbeitssuchende durchaus positiv. Bei genauerem Hinsehen hat das Instrument jedoch auch eine problematische Seite: Der Kombilohn rechnet sich besonders für Menschen, die zuvor ein weitaus höheres Einkommen hatten. Somit macht der Kombilohn den Einstieg in Jobs im Niedriglohnbereich vorübergehend attraktiver.
Anstelle dieser angebotsorientierten Maßnahmen braucht es einen nachfrageorientierten Ansatz, der Arbeitsplätze schafft, die den Bedürfnissen der Langzeitarbeitslosen entsprechen, und die großen sozialen und ökologischen Herausforderungen adressiert.
Gesellschaftlicher Fortschritt durch ein Recht auf gute Arbeit
Eine Jobgarantie kann dies leisten. Die Idee ist einfach und elegant: Ausgaben, die sonst für Arbeitslosigkeit anfallen, werden für die Finanzierung von Jobs herangezogen. Der Staat verwirklicht die Forderung nach dem „Recht auf gute Arbeit“. Er garantiert jedem Menschen einen Arbeitsplatz zum kollektivvertraglichen Mindestlohn. Die Jobgarantie ist freiwillig und richtet sich an jene Personen, die sie am dringendsten benötigen und die sonst keine Chancen mehr am Arbeitsmarkt bekommen. Ein guter Indikator hierfür ist die Arbeitslosigkeitsdauer – also eine Fokussierung auf Langzeitarbeitslose.
Die offensichtlichen Vorteile der Jobgarantie sind die Verringerung von Erwerbslosigkeit, Armut und Ungleichheit. Sie ermöglicht soziale Teilhabe, stabilisiert privaten Konsum und Steuereinnahmen sowie generell die wirtschaftliche Entwicklung. Eine wichtige, weniger offensichtliche Wirkung der Jobgarantie ist, dass dadurch das Thema Arbeitslosigkeit weg von der individuellen, privaten hin zur politischen Ebene gelangt. Dies kann zum gesellschaftlichen Bewusstsein beitragen, dass Arbeitslosigkeit weder natürlich noch Ergebnis von individueller Arbeitsunwilligkeit ist. Die alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten zu Mindestlöhnen könnten die Verhandlungsmacht von Arbeitssuchenden und in weiterer Folge aller ArbeitnehmerInnen stärken. Dadurch könnte es sein, dass sich private Unternehmen mit schlecht bezahlten Jobs, mit ungünstigen Arbeitsbedingungen oder mit sogenannten „Bullshit-Jobs“ um die verfügbaren Arbeitskräfte verstärkt bemühen und ihre Arbeitsbedingungen anpassen müssen. Dadurch könnten sich langfristig Arbeitsbedingungen in Branchen verbessern, und die Entwicklung einer High-Quality-Ökonomie würde unterstützt. Eine erstrebenswerte Entwicklung, zu der wir den Mut haben sollten.
Demokratische Gemeinwohlorientierung
In erster Linie geht es darum, zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen, die das Gemeinwohl fördern. Während der Bund finanziert, sind die Gemeinden und Städte sowie das AMS für die Organisation bzw. Umsetzung der Jobgarantie zuständig. Träger sollen öffentliche oder gemeinnützige Einrichtungen sein, da diese per Definition gemeinwohl- und nicht profitorientiert sind. Die regionale Bevölkerung soll in die Wahl der geförderten Projekte einbezogen werden. Richtig umgesetzt, gewährleisten solche Organisationsformen, dass die Produkte und Dienstleistungen, die im Rahmen der Jobgarantie bereitgestellt werden, im Interesse aller sind, das Gemeinwohl fördern und dass es eine entsprechende regionale Nachfrage gibt.
Die Bedarfe in den Gemeinden sind enorm: Kinderbetreuung, Pflege, Kreislaufwirtschaft, leistbares Wohnen, öffentlicher Verkehr etc. Auch in der aktuellen Corona-Krise kommen zusätzliche Tätigkeitsfelder hinzu: Contact-Tracing, Test- und Impfstraßen, Unterstützungspersonal in den Schulen etc. Überall dort könnten Gemeinden im Rahmen der Jobgarantie Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose schaffen. Die amerikanische Ökonomin Pavlina Tcherneva skizziert eine Jobgarantie als Care-Programm: Care für die Umwelt, Care für die Menschen und Care für die Gemeinden. Die Jobgarantie könnte damit wesentlich zur sozial-ökologischen Transformation beitragen und Möglichkeiten schaffen, um neue Wirtschaftsformen auszuprobieren.
Eine Jobgarantie für Langzeitarbeitslose zahlt sich schon nach wenigen Jahren selbst
Ökonomisch ist eine Jobgarantie in Österreich auf jeden Fall leistbar. Das hat die Aktion 20.000 gezeigt. Sie war ein jobgarantieähnliches Programm in kleinerem Ausmaß. Das Institut für höhere Studien hat eine fiskalische Untersuchung vorgenommen. Von den TeilnehmerInnen befanden sich 41 Prozent im sechsmonatigen Nachbetrachtungszeitraum in nicht geförderter Beschäftigung, weitaus mehr als vergleichbare Langzeitbeschäftigungslose, die keinen geförderten Arbeitsplatz bekamen.
Die nachhaltig höhere Arbeitsmarktintegration der TeilnehmerInnen schlägt sich auch in deutlich höheren Einnahmen der öffentlichen Hand nieder. Bereits nach 3,75 Jahre (45 Monaten) haben sich die Mehrkosten der Aktion 20.000 selbst refinanziert. Auch unsere Modellrechnungen zeigen, dass eine Jobgarantie in Österreich für rund 45.000 Langzeitarbeitslose anfangs kaum kostspieliger als die Alternative – nämlich Arbeitslosigkeit – ist und langfristig je nach Ausgestaltung sogar zu Einsparungen führen kann. Die Kosten des politischen Nicht-Handelns sind hingegen sehr hoch und die Folgen bei vielen Menschen irreversibel.
Deshalb braucht es jetzt eine gemeinwohlorientierte Jobgarantie, insbesondere für Langzeitarbeitslose.
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