© A&W Blog
1. Plan statt Chaos
Wenn die Corona-Pandemie eines gezeigt hat, dann, dass in Zeiten großer Verwerfungen weder Markt noch Eigenverantwortung, sondern nur gesamtpolitische Steuerung Lösungen hervorbringen kann. Die Politik ist auf allen Ebenen dafür verantwortlich, verlässliche Rahmenbedingungen für die notwendige, riesige Transformation zu schaffen und verbindliche Vorgaben zu machen und damit allen Akteur:innen – Beschäftigten, Unternehmen, Behörden, Trägereinrichtungen usw. – auf dem Weg zur Klimaneutralität Orientierung zu geben. Ein wichtiger Meilenstein wäre ein neues Klimaschutzgesetz auf Bundesebene, das Emissionsziele mit entsprechenden Zeitplänen und konkrete Maßnahmen definiert. Bereits 2020 ist das alte Klimaschutzgesetz ausgelaufen, ein neues ist noch immer nicht beschlossen – und hat etwa für den ÖVP-Landwirtschaftsminister auch keine Priorität. Dabei wäre dieser Rahmen auch essenziell, um Vorgaben auf Landes- und Gemeindeebene zu erarbeiten.
Auch in den Unternehmen sind strategische Pläne für den Umbau in Richtung Klimaneutralität mit konkreten Maßnahmen und Zeitschienen erforderlich. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung aufgrund der neuen EU-Richtlinie macht künftig für 2.000 Unternehmen in Österreich dazu verbindliche Vorgaben und fordert so eine strategische Auseinandersetzung mit sozialen und umweltpolitischen Zielen ein. Das ist ein guter Anfang, der aber angesichts der 360.000 Unternehmen in Österreich nur ein erster Schritt sein kann.
Planvolles Vorgehen ist umso dringlicher, als der soziale und ökologische Umbau in einem stark disruptiven Umfeld stattfinden wird – und zwar nicht nur aufgrund der Teuerungs- und Energiekrise, sondern auch, weil die Folgen der Klimakrise mit Extremwetterlagen wie Hitze und Unwettern immer stärker spürbar werden.
2. Soziale Absicherung: mehr als Geld
Angesichts der anstehenden Umwälzungen muss soziale Absicherung neu diskutiert werden. Das aktuelle System hat viele Stärken, ist aber auch hochkomplex und in seinen einzelnen Elementen – gerade im Bereich der Armutssicherung – nicht immer gut abgestimmt. Die Folgen der Klimakrise werden die soziale Lage gerade für Menschen mit geringem Einkommen und schlechter sozialer Absicherung noch prekärer machen.
Für die anstehenden Herausforderungen ist es unabdingbar, auf der Ebene der grundlegenden Existenzsicherung einen sicheren Boden zu schaffen, auf dem alle den notwendigen Weg der Transformation gehen können. Dafür brauchen wir ein schlüssiges, transparentes und unbürokratisches System, in dem das Notwendige klar definiert wird. Davon ausgehend müssen alle Menschen so unterstützt werden, dass sie gut durch den Umbau der Gesamtwirtschaft kommen. Wichtige Ansatzpunkte enthält die aktuelle EU-Empfehlung des Rates für eine angemessene Mindestsicherung zur Gewährleistung einer aktiven Inklusion.
Diese verweist unter anderem darauf, dass Geldleistungen zwar eine wesentliche Rolle spielen, aber auch öffentliche Angebote – von Kindergärten bis zum Gesundheitssystem, von leistbarem Wohnen bis zu Mobilität – wichtige Bausteine sind. Der Zugang zu diesen Leistungen muss mit einem verbindlichen Versorgungsauftrag der Gebietskörperschaften und individuellen Rechtsansprüchen für die betroffenen Menschen verknüpft werden. Der Ausbau sozialer Dienstleistungen deckt dabei nicht nur wichtige vorhandene Bedürfnisse, sondern schafft auch jede Menge „Green Jobs“ mit geringem Ressourcenverbrauch.
3. Ein krisenfestes Arbeitsrecht und eine neue Arbeitszeitpolitik
Noch eine Lehre aus der Corona-Pandemie: Das Arbeitsrecht ist für den Regelbetrieb gemacht und nicht für den Krisenfall. Hier sind dringend Anpassungen notwendig, denn die Zunahme der Extremwetter, aber auch mögliche Blackouts werden für zahlreiche regionale Krisensituationen sorgen. Als Folge werden Beschäftigte ihre Arbeitsleistung nicht erbringen können, weil sie ihren Arbeitsplatz nicht erreichen (oder ihn nicht verlassen können), möglicherweise ihr Zuhause oder auch das Unternehmen nachhaltig beschädigt wurde. Damit stellen sich etwa Fragen der Dienstverhinderung, auch bei freiwilliger Katastrophenhilfe, und damit Entgeltfortzahlung, des Datenschutzes, aber auch der Haftung und des Schadenersatzes und wer die Kosten wofür trägt. Viele dieser Fragen haben sich bereits im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gestellt. Diese Erfahrungen gilt es zu nutzen und die Antworten darauf weiterzuentwickeln.
Ein großes Thema ist Hitze, denn die Klimakrise sorgt für eine starke Zunahme an Hitzetagen. Die Folgen sind auch am Arbeitsplatz zu spüren. Arbeit in der direkten Sonne, in Küchen und Backstuben oder in schlecht gedämmten und unklimatisierten Werkshallen oder Fahrerkabinen – immer öfter erreichen Temperaturen am Arbeitsplatz ein gesundheitsgefährdendes Ausmaß, vor dem die Beschäftigten geschützt werden müssen. Manchmal fehlen entsprechende Grenzwerte, die (ausreichend rasche) Überprüfung und schnell wirksame Maßnahmen.
Wesentlich ist auch die Weiterentwicklung des Arbeitszeitrechts. 12-Stunden-Tage sind sicherlich die falsche Antwort auf die anstehenden Herausforderungen. Auf der anderen Seite reicht die positive Ideenpalette von neuen Pausenregelungen (etwa auch dann, wenn es in den Pausenräumen zu heiß ist), der Einführung einer Mittagssiesta bis hin zu Jahresarbeitszeitmodellen, die geringere Arbeitszeiten während der heißen Jahreszeit vorsehen. Besonders im Fokus steht die Forderung einer generellen Verkürzung der Wochenarbeitszeit, die nicht nur für eine massive gesundheitliche Entlastung der Beschäftigten sorgen würde, sondern ein wesentlicher Bestandteil eines neuen Wohlstandsmodells jenseits von Konsumorientierung sein kann.
4. Qualifikation als zentraler Schlüssel
Qualifikation kommt bei der Bewältigung des Umbruchs eine Schlüsselrolle zu. So werden einerseits ausreichend Fachkräfte für die wachsenden Bereiche benötigt, etwa beim Ausbau erneuerbarer Energien, aber auch im Bereich sozialer Dienstleistungen, etwa in der Kinderbetreuung und Elementarbildung. Andererseits müssen Menschen, deren Tätigkeitsfelder wegfallen, durch entsprechende Aus- und Weiterbildungen neue Chancen auf dem sich ändernden Arbeitsmarkt geboten werden.
Entgegen landläufiger Meinung sind dafür kaum neue Bildungswege erforderlich. Auch in den technischen Bereichen kann der überwiegende Bedarf durch traditionelle Lehrberufe abgedeckt werden. Für Fortschritte in der Klima-, Energie- bzw. Wärmewende braucht es einen Ausbau des Weiterbildungsangebots bei Zusatzmodulen, die auf bestehende Berufsausbildungen aufsetzen (z. B. Ergänzung um Elektrotechnik, Installations- und Gebäudetechnik) und damit in wenigen Wochen oder Monaten die erforderlichen Kompetenzen vermitteln. Es gilt dabei, junge Frauen deutlich stärker anzusprechen als bisher, um hier das Potenzial an talentierten Menschen mit Interesse an nachgefragten Berufen auszuschöpfen. Gerade viele junge Menschen sind für einen „Arbeitsplatz mit Sinn“ zu gewinnen.
Unternehmen sind dabei auch gefordert, Agenden der Aus- und Weiterbildung ihrer Beschäftigten viel stärker als bisher wahrzunehmen und konkret in ihre Planungen mit einzubeziehen. Eine aktuelle Studie des IHS zeigt, dass der Anteil der Betriebe an den Weiterbildungskosten seit 2009 um ein Viertel gesunken ist. Hier braucht es eine Kehrtwende – gerade vor dem Hintergrund des Wehklagens der Unternehmen über den Mangel an Fachkräften.
5. Sichere Beschäftigung: eine Garantie auf Arbeit und Kompetenzerwerb
Der Umbau der Wirtschaft wird zwangsläufig zu Umwälzungen am Arbeitsmarkt und einer massiven Veränderung der nachgefragten Kompetenzen führen. Das zeigt die große Bedeutung von Arbeitsmarktpolitik im sozial-ökologischen Wandel.
Auch innerhalb von Branchen wird es dabei zu Verschiebungen kommen. Exemplarisch etwa am Bauwesen illustriert: Hier gibt es bereits viele sozial-ökologische Lösungen, auch wenn Wissen darüber noch gestärkt werden muss. Die Anwendung hat auch Auswirkungen auf die erforderlichen Qualifikationen, da die Verarbeitung ökologischer Stoffe zwar keine grundlegend neuen Ausbildungen erfordert, aber meist höhere Anforderungen stellt als kunststofflastige Werkstoffe. Vor allem für jene Beschäftigten, deren Tätigkeitsprofile verschwinden werden, braucht es ein Recht auf den Erwerb neuer, nachgefragter Kompetenzen und für die Dauer der Qualifizierung auch den Anspruch auf entsprechende soziale Absicherung.
Damit es keinesfalls zu langen Phasen der Arbeitslosigkeit kommt, ist eine Jobgarantie ein weiteres, unverzichtbares Element einer Arbeitsmarktpolitik für den sozial-ökologischen Wandel. Allerdings nur, wenn sie klug gestaltet wird, sinnvolle Tätigkeiten anbietet und die Arbeitsbedingungen ein ökologisch verträgliches Erwerbs- und Lebensmodell unterstützen.
6. Einbindung von Betriebsräten und Belegschaft auf Betriebsebene
Good-Practice-Unternehmen zeigen eindrücklich, dass sozial-ökologisch verantwortungsvolles Handeln nicht nur möglich, sondern auch nach betriebswirtschaftlichen Kennzahlen lohnend ist. Ein Schlüssel dabei ist die Einbindung der Belegschaftsvertretungen. Betriebsrätinnen und Betriebsräte verfügen über viel Wissen über die jeweiligen Unternehmen und können wichtiges Know-how in den Transformationsprozess einbringen. Vor allem aber sind sie die Brücke zu den Beschäftigten, können in entscheidender Weise die Prozesse im Sinne der Arbeitnehmer:innen mitgestalten und ihre Mitsprache in den Diskussionsprozessen sicherstellen. Wichtige Elemente für einen arbeitnehmer:innen-orientierten Übergang in den Unternehmen können etwa strategische Qualifizierung, neue Arbeitszeitmodelle oder die Erprobung neuer Arbeitsformen sein.
Eine breite Einbindung von Betriebsräten und Arbeitnehmer:innen kann so eine Win-win-Situation für alle Beteiligten schaffen, indem sie die Dekarbonisierung von Produkten und Produktionsprozessen vorantreibt, damit zukunftsträchtige Geschäftsmodelle unterstützen und so langfristig Arbeitsplätze sichern und im besten Fall auch Arbeitsbedingungen verbessern.
Eine wichtige Rolle können die Belegschaftsvertretungen auch bei der Entwicklung von Präventionsmaßnahmen einnehmen, damit die Unternehmen und ihre Beschäftigten die näher rückenden „Einschläge“ von Energiekrisen sowie von Extremwetterereignissen besser bewältigen können.
7. Finanzierung sicherstellen: am Gipfel konzentrieren sich Geld, Macht – und CO2
Viele der genannten Maßnahmen verursachen Kosten, womit sich die Frage stellt, wer das alles bezahlen soll. Auch wenn das paradox klingt: Geld ist mehr als genug da. Dem jüngst erschienenen Allianz Global Wealth Report 2022 zufolge wuchs das globale Finanzvermögen 2021 zum dritten Mal in Folge zweistellig. Eine Millionärssteuer ist das Gebot der Stunde ebenso wie eine Steuer auf die Übergewinne der Energie- und Erdölkonzerne, die aufgrund der aktuellen Teuerungen einen unverdienten Geldregen auf Kosten der Allgemeinheit genießen. Beides würde mehrere Milliarden Euro in die öffentlichen Kassen spülen. Und es wäre mehr als gerecht, denn jene, die am meisten haben, haben auch am meisten dazu beigetragen, dass es die Klimakrise überhaupt gibt.
Eine Studie der JKU Linz berechnete etwa, wie sich ein Steuersatz von 0,7 Prozent jährlich ab einem Vermögen einer Million Euro auswirken würde. Obwohl so eine Steuer die allermeisten Menschen überhaupt nicht betrifft, könnte sie je nach Modell zwischen 2,7 und 6,3 Milliarden Euro für Österreich einbringen. Und in jedem Fall gilt: Handeln ist teuer, aber die Kosten des Nichtstuns sind unleistbar.
Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0: Dieser Beitrag ist
unter einer Creative-Commons-Lizenz vom Typ Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
International zugänglich. Um eine Kopie dieser Lizenz einzusehen, konsultieren Sie http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/.
Weitere Informationen https://awblog.at/ueberdiesenblog/open-access-zielsetzung-und-verwendung