Die Medienberichte über Hitzetote am Arbeitsplatz mehren sich seit einigen Jahren. Meist handelt es sich dabei um ArbeitnehmerInnen auf Baustellen oder im baunahen Gewerbe. Obwohl die Klimakrise die Temperaturen weiter anheizt, gibt es immer noch keine gesetzlich verpflichtenden Temperaturobergrenzen an Österreichs Arbeitsplätzen. ArbeitgeberInnen müssen zwar für den Schutz vor erheblicher Beeinträchtigung durch Hitze sorgen, klare Grenzwerte gibt es dafür aber nicht. Darum werden in den Betrieben auch kaum Schutzmaßnahmen getroffen, trotz 40 °C und mehr. Welche Präventionsmaßnahmen könnten weitere Hitzetote in Zukunft verhindern?
Wer kennt sie nicht – die Medienbeiträge über Hitzerekorde und die Berichte über die Toten der weltweiten Hitzewellen? Diese Fälle sind mittlerweile nicht mehr tausende Kilometer entfernt, sondern können auch vor unserer Haustür bzw. im eigenen Land beobachtet werden. Wenn von „Hitzetoten“ gesprochen wird, sind damit meist ältere oder vorerkrankte Personen gemeint, die aufgrund der Extremtemperaturen vorzeitig verstorben sind (Hitze-Mortalitätsmonitoring (ages.at). Die immer häufiger und zunehmend regelmäßig auftretenden Temperaturen um 35 °C und mehr gefährden aber verstärkt auch Personen im Erwerbsalter. Und zwar besonders jene, die bei der Arbeit massiv der Hitze ausgesetzt sind und dort keinen Handlungsspielraum zum eigenen Schutz haben. Besonders hitzeexponierte Personengruppen sind etwa die OutdoorworkerInnen. Diese ArbeitnehmerInnen verrichten oftmals schwere körperliche Arbeiten im Freien, dazu zählen besonders Arbeiten auf Baustellen. Weitere Hotspot-Arbeitsplätze befinden sich beispielsweise in unklimatisierten Triebfahrzeugen oder Krankabinen. Da BauarbeiterInnen besonders hitzeexponiert und gefährdet sind, ist hier mittlerweile eine Diskussion über „verpflichtend“ hitzefrei ab mehr als 32,5° C entbrannt.
Wie heiß ist es an Arbeitsplätzen tatsächlich?
Bei sommerlicher Hitze werden immer öfter gesundheitlich massiv bedenkliche Temperaturen erreicht. Die Perspektive ist eindeutig: Der Trend zu immer heißeren Sommern mit neuen Hitzerekorden und vermehrten Hitzewellen wird sich in den nächsten Jahren weiter fortsetzen. Der neueste Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) bestätigt diese Problematik und ihre direkten Auswirkungen auf die Gesundheit. Offensichtlich ist, dass Hitze als Gefahr immer noch unterschätzt wird. Das liegt auch an dem oftmals etwas zeitversetzten Eintreten der Hitzeerkrankungen. So ist es etwa schwierig nachzuweisen, dass ein Tod durch z. B. Herz-Kreislaufversagen von einer Hitzewelle verursacht wurde.
Bei einem Hitzschlag oder anderen Erkrankungen wie einem Sonnenstich ist die Ursache offensichtlicher. Die Notwendigkeit eines zeitgemäßen Gesundheitsschutzes ist jedenfalls evident! Das zeigt sich spätestens bei einem Blick auf die tatsächlich am Arbeitsplatz gemessenen Realtemperaturen. Denn während die öffentliche Diskussion sich immer um die Messungen der offiziellen Messstellen dreht, herrschen direkt vor Ort an vielen Arbeitsplätzen massiv höhere und sehr oft eindeutig gesundheitsgefährdende Temperaturen.
Offizielle Schattenmessungen versus Realtemperatur am Arbeitsplatz
Bei den medial kolportierten Temperaturen in Österreich handelt es sich im Regelfall um die Messergebnisse der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik). Die ca. 260 Messstellen in Österreich liefern die Daten dazu. Erhoben und gemessen wird im schattigen Inneren von weißen Wetterhäuschen, die in ca. 1,5 Meter Höhe auf kühlen Wiesen oder ähnlichen Böden angebracht sind. Diese Messungen sind von enormer wissenschaftlicher Bedeutung und bilden die Grundlage für viele wichtige Anwendungen, etwa auch für den Anspruch einer Schlechtwetterentschädigung bei der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK). Darunter fällt auch die „Möglichkeit von hitzefrei“ für bei der BUAK versicherte BauarbeiterInnen, genauso wie jene bei Kälte. Die Temperaturrealität an Arbeitsplätzen spiegeln diese Messungen jedoch nicht.
Das betrifft zum Beispiel Arbeit in der direkten Sonne oder wenn sich die Umgebung aufgrund verschiedener Einflüsse zusätzlich erhitzt. Dazu zählen lokale Arbeitsplätze innerhalb der städtischen Hitzeinseln oder Baugruben und Künetten, aufgrund ihrer Wannenform und der dadurch fehlenden Luftzirkulation. Weiters gibt es Arbeiten, bei denen Hitze entsteht, wie etwa beim Asphaltieren oder in Backstuben. Hitzeverstärkend wirkt auch das Arbeiten mit Materialien, die reflektieren, wie bei Spengler- oder Fassadenarbeiten, und Arbeiten mit Materialien wie Beton, die Hitze speichern. Auch unklimatisierte Arbeitsplätze in Kranen oder Triebfahrzeugen werden schnell zu Hitzepolen jenseits von 40 °C. Messungen aus dem Jahr 2019 belegen, dass bei Schattentemperaturen von 30 °C im Freien bereits 44 °C bis 46 °C im Inneren der Krankabine erreicht werden. Betroffene Kranfahrer berichteten in der AK-Beratung von Spitzentemperaturen von über 70 °C in alten, ungedämmten Fahrerkabinen. An diesen „hitzeexponierten“ Arbeitsplätzen herrschen also regelmäßig 10 bis 20 oder im Extremfall 30 °C mehr als an der zugehörigen Messstelle der ZAMG. Immer öfter gelangen die dort arbeitenden Menschen daher in einen eindeutig gesundheitsgefährdenden Grenzbereich, wo Hitzeerkrankungen von Kollaps bis zum tödlichen Hitzeschlag drohen.
Messungen durchführen – Hitzebelastung arbeitsmedizinisch bewerten
Um die Gefahr zu bannen und die tatsächliche Exposition an den Arbeitsplätzen bewerten zu können, braucht es auf betrieblicher Ebene dringend aktuelle Temperaturmessungen. Hierfür können Sicherheitsfachkräfte mit entsprechenden Messgeräten herangezogen werden. Die Ergebnisse können anschließend von den zuständigen ArbeitsmedizinerInnen beurteilt und die notwendigen Schutzmaßnahmen gesetzt werden. Hitzeprävention ist keine Akutmaßnahme – vielmehr muss der Schutz vor Hitze und UV-Strahlung in Zukunft fixer Teil einer professionellen Arbeitsorganisation bzw. Baustellenvorbereitung werden. Die Klimakrise macht das erforderlich! Die Fürsorgepflicht der ArbeitgeberInnen und die Vorgaben des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG § 66, Abs. 2) sehen schon bisher eine allgemeine Verpflichtung zum Schutz ihrer ArbeitnehmerInnen vor beeinträchtigender Hitze vor. ArbeitgeberInnen haben daher die Arbeitsvorgänge und Arbeitsplätze entsprechend zu gestalten und alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, damit die Hitzeeinwirkungen möglichst gering gehalten werden. Bisher wird das Thema „Hitze am Arbeitsplatz“ aber weitläufig nicht als Gefahr erkannt oder sogar bewusst negiert. Damit bleiben die Messungen, die arbeitsmedizinische Bewertung und folglich auch die notwendigen Schutzmaßnahmen und zu guter Letzt die Gesundheit der ArbeitnehmerInnen auf der Strecke. Besonders bedenklich wird es dort, wo die Arbeitszeitgrenzen voll ausgenutzt werden. Das ist bei OutdoorworkerInnen in der warmen Jahreszeit der Regelfall und die Hitzetoten, gerade auf Baustellen, sind somit kein Zufall.
Wann wird Hitze zur Gesundheitsgefahr?
Derzeit müssen ArbeitgeberInnen im Zuge der Arbeitsplatzevaluierung auch Gefahren durch Hitze bewerten. Dafür können sie auf die Expertise ihrer gesetzlich vorgesehenen Präventivfachkräfte (Sicherheitsfachkräfte und ArbeitsmedizinerInnen) zurückgreifen. Weiters ist bei der Bewertung der Gefahren auch der Stand der Technik zu berücksichtigen. Die Letztverantwortung für die Schutzmaßnahmen bleibt immer bei den ArbeitgeberInnen. Während sich in Studien auch langfristige Erkrankungen durch andauernde Arbeit unter Hitzeeinwirkung und der damit einhergehenden Dehydrierung abzeichnen (siehe AK Wien Literaturstudie Belastungen am Arbeitsplatz durch Hitze am Beispiel der Triebfahrzeugführer:innen und Baukranführer:innen), sind es derzeit vor allem die „akuten“ Hitzeerkrankungen, die Sorge bereiten. Setzt man die Realtemperaturen am Arbeitsplatz in Verhältnis zu den gesundheitlichen Anforderungen, wird rasch klar, dass diese Belastungen zu Sonnenstich, Ohnmacht oder Kreislaufkollaps führen. Im Extremfall droht ArbeitnehmerInnen am Arbeitsplatz der Hitzetod. Denn medizinisch ist klar, sogar für junge und gesunde Personen gilt: ab 25 °C kommt es zu körperlicher Beanspruchung (man schwitzt), ab 30 °C wird es belastend und ab 35 °C wird es problematisch. Die ansteigende Belastung bildet sich auch in den Unfallzahlen ab. Die Körperkerntemperatur (Normaltemperatur) kann nicht mehr gehalten werden und die Abkühlung bzw. Regulierung funktioniert nicht mehr, wenn die Außentemperatur höher ist als im Körper. Das bedeutet, die Körperkerntemperatur beginnt zu steigen – und damit wird es kritisch. Mit jedem Grad mehr steigt auch die Wahrscheinlichkeit von gesundheitlichen Auswirkungen. Hitzeschutz und hitzefrei statt hitzetot – so müsste die neue Präventionsdevise lauten!