Politik bedeutet sehr oft, Pläne zu entwerfen und umzusetzen. Große Aufgaben können nur bewältigt werden, wenn der Staat als umsichtiger Planer auftritt. Die Bewältigung der Klimakrise, aber auch der aktuellen Energiekrise ist eine solche Aufgabe. Warum zeigen sich politische Entscheidungsträger dabei so zögerlich?
In der neuen Ausgabe der „Wirtschaft und Umwelt“ gehen wir dieser Frage nach. Wir analysieren Erfolgsfaktoren politischer Pläne, etwa die Bedeutung von Zwischenzielen, die Koordination zwischen verschiedenen Entscheidungsinstanzen und die Wichtigkeit der Abwägung der betroffenen Interessen. Dabei zeigen wir auch, wie wichtig ein leistungsfähiger, vorausschauender Sozialstaat für die aktive Gestaltung des Strukturwandels ist.
Klimapolitik: der lange Atem
In der Klimapolitik besteht die größte Herausforderung wohl in der Langfristigkeit der Planung. Das Klimaabkommen von Paris nennt „die zweite Hälfte des Jahrhunderts“ als Zeitraum, in dem Klimaneutralität erreicht werden soll, in dem es also netto keine Emission von Treibhausgasen mehr geben soll. Die Herausforderung ist riesengroß, denn es geht um nicht weniger als den Abschied von einem Wirtschaftssystem, das auf der Nutzung fossiler Energieträger beruht.
Die EU will dieses Ziel bereits im Jahr 2050 erreichen. Das bedeutet, dass in 27 Jahren keine Industrieanlage, kein Kraftwerk, kein Fahrzeug, kein Heizsystem mehr in Betrieb sein darf, das fossile Energieträger verwendet. Für die Größe dieser Aufgabe ist die verbleibende Zeit äußerst kurz. Für Regierungen, die in Perioden von vier oder fünf Jahren denken, liegt das Ziel aber in weiter Ferne.
Damit die Aufgabe auch wirklich angegangen wird, hat sich die EU ein Zwischenziel bis 2030 gesetzt: Verringerung der Emissionen um 55 Prozent. Die Mitgliedstaaten müssen Pläne vorlegen, wie sie ihren Beitrag dazu leisten – die sogenannten „Nationalen Energie- und Klimapläne“. Sie gelten jeweils für zehn Jahre und werden alle fünf Jahre überarbeitet. Dabei soll regelmäßig überprüft werden, ob die Fortschritte ausreichen.
Auf diese Weise wird das langfristige Ziel – Dekarbonisierung bis 2050 – auf die Mitgliedstaaten aufgeteilt und in handhabbare Schritte zerlegt. Der Weg wird überschaubarer. Das erhöht das Vertrauen in die Erreichbarkeit des Ziels. Dadurch kann es gelingen, das Problem der Langfristigkeit der Zielsetzung in den Griff zu bekommen.
Infrastrukturausbau: Herausforderung Koordination
Ein weiteres Beispiel für die Notwendigkeit von Planung ist der Infrastrukturausbau für Verkehr und Energie. Vor allem die Übertragungsnetze für Elektrizität sowie der Ausbau der Straßen- und Schienennetze müssen den vielfältigsten Anforderungen genügen: Sie müssen so gestaltet werden, dass sie die gegenwärtige und zukünftig zu erwartende Nachfrage nach Verkehr bzw. Energietransport decken können und gleichzeitig zu den anderen räumlichen Planungen von Bund, Ländern und Gemeinden passen. Das Zauberwort, um diese Interessen unter einen Hut zu bringen, lautet „Planungskoordination“.
Damit ist gemeint, dass die Gebietskörperschaften gemeinsam – also der Bund mit den Bundesländern und den Gemeinden – einen grundlegenden Plan der Infrastruktur erarbeiten, der die zukünftigen Vorhaben in ihren Grundzügen enthält. Wenn es dann um den konkreten Bau eines der Vorhaben geht, müssen Bund, Länder und Gemeinden einander informieren, einbinden und die Planungen der anderen Gebietskörperschaften berücksichtigen. So sollte etwa eine Gemeinde die anderen Ebenen informieren, wenn sie ein Wohngebiet ausweisen will, das eine vereinbarte Stromleitung in der Umgebung unmöglich machen würde. Für eine wirksame und effiziente Planung ist es also unbedingt nötig, im gesamten Planungsprozess auf die Koordination zwischen den beteiligten Ebenen zu achten.
Eine weitere Herausforderung bei der Planung ist damit schon angeklungen: der Ausgleich der Interessen zwischen den Betroffenen. Denn es ist offensichtlich: Planung ist dort notwendig, wo widerstreitende Interessen aufeinandertreffen. Je klarer und transparenter diese Interessenabwägung erfolgt, desto eher wird eine planerische Entscheidung akzeptiert.
Was kann politische Planung leisten?
Manche Pläne in der Politik hatten einen schlechten Ruf. Besonders die detaillierten Wirtschaftspläne der kommunistischen Staaten gelten vielen heute als Grund für den Untergang der Sowjetunion. Doch auch in Japan und Frankreich folgte die Wirtschaftspolitik bis in die 1980er Jahre mehrjährigen Plänen; Indien arbeitete damit bis 2017. Bis heute nutzt China Fünfjahrespläne; der derzeit gültige, 14. Fünfjahresplan läuft von 2021 bis 2025 und enthält unter anderem das Ziel der Klimaneutralität Chinas bis 2060. Im Gegensatz zu früheren Plänen erfolgt die Steuerung kaum mehr im Detail, sondern auf einer übergeordneten Ebene.
Auch die EU arbeitet in hohem Maß mit Planungsinstrumenten. So ist der europäische Grüne Deal „die Wachstumsstrategie, mit der die EU zu einer fairen und wohlhabenden Gesellschaft mit einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft werden soll, in der im Jahr 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freigesetzt werden und das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt ist.“
Viel hängt davon ab, dass der Plan der Klimaneutralität wirklich umgesetzt wird. Die Chancen dafür sind umso größer, je besser er in überschaubare Teilschritte aufgeteilt wird und je besser er auf den verschiedenen politischen Ebenen abgestimmt ist. Je klarer die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Zielsetzungen und je klarer die Zuständigkeiten geregelt sind, desto leichter fällt die notwendige Koordinierung der Planung. Je transparenter die Interessen der Betroffenen einbezogen werden und je offener sie im Licht der Gesetze abgewogen werden, desto eher wird der Plan als demokratisch legitimiert angesehen.
Wir brauchen mehr Planung, weil der Markt es nicht kann!
Für viele Probleme liefert der Markt keine Lösung, nicht zuletzt wenn es um soziale und ökologische Herausforderungen geht. Dauerhafte Lösungen politischer Herausforderungen und ein gutes Leben erfordern Planung. Sie muss die Bedürfnisse der Betroffenen berücksichtigen, vor allem derer, deren Stimme oft ungehört bleibt. Und sie muss grundlegende politische Ziele berücksichtigen, allen voran die Sicherung einer guten Arbeit für alle und eine gerechte Verteilung des Wohlstands.
- Die Bedürfnisse der Beschäftigten beim nötigen Umbau der Wirtschaft müssen berücksichtigt werden: Es braucht also eine Strategie der „Just Transition“, neue Steuerungsmechanismen der Umsetzung und eine Verankerung des Konzepts auf allen Ebenen. Die Unternehmen müssen Pläne zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen gemeinsam mit den Betriebsräten erarbeiten.
- Bei Treibhausgasen muss dringend das Ruder herumgerissen werden. Zu lange wurden bloß Ziele festgelegt, aber kaum handfeste Projekte zur Emissionsminderung beschlossen. Der Nationale Energie- und Klimaplan (NEKP) muss überarbeitet werden; er muss konkrete gesetzliche Maßnahmen enthalten, damit Österreich auf einen Pfad der Zielerreichung einschwenkt.
- In der Raumplanung müssen umwelt-, klima- und mobilitätspolitische Fragen ins Zentrum gestellt werden. Nur so kann die Verfügbarkeit von Wohnraum und Gewerbeflächen gesichert und gleichzeitig der Bodenverbrauch reduziert werden. Ein wichtiger, notwendiger Schritt dafür ist eine Rahmenkompetenz des Bundes in der Raumplanung.
- Zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ist „Planungskoordination“ nötig. Das heißt, sie sind verpflichtet, sich bei der Planung (von Wohngegenden, Straßen, Eisenbahnen, Stromleitungen, Windparks etc.) abzustimmen und einander einzubeziehen und die Pläne der anderen Gebietskörperschaften zu berücksichtigen.
- Der Sozialstaat muss gestärkt und ausgebaut werden. Auch hier stellt sich die Verteilungsfrage. Denn die Kranken- und Pensionsversicherung den Privaten zu überlassen, führt vor allem dazu, dass dort die Profite steigen. Damit alle etwas von einem leistungsfähigen Sozialstaat haben, sind eine krisenfeste Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme sowie langfristige Planung und Strategieentwicklung notwendig.