Erwerbslosigkeit und die ökologischen Krisen sind die vielleicht drängendsten Herausforderungen unserer Gesellschaft. Eine sozial-ökologische Jobgarantie kann zur Lösung beitragen. Allerdings nur, wenn sie klug gestaltet wird. Eine zeitgemäße Jobgarantie erfüllt zwei Anforderungen: 1) Die Tätigkeiten müssen einer ökologisch nachhaltigen Deckung menschlicher Grundbedürfnisse dienen. 2) Die Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeiten und Arbeitsort müssen ein ökologisch verträgliches Erwerbs- und Lebensmodell unterstützen.
Jobgarantie grün gedacht
Wenn man sich die Frage stellt, wie eine Jobgarantie die sozial-ökologische Transformation unterstützen kann, kommen einem sicherlich zuerst Tätigkeiten in den Sinn, die direkt dem Umweltschutz dienen. Beispielsweise die Pflege von ökologischen Ausgleichsflächen, die Säuberung des öffentlichen Raums von Müll oder das Pflanzen von neuen Setzlingen zur Aufforstung oder Begrünung. Doch welche Tätigkeiten könnte eine grüne Jobgarantie darüber hinaus umfassen?
Nachhaltigkeit heißt, dass jeder Mensch die Möglichkeit hat, ein gutes Leben zu führen, und zugleich die planetaren Grenzen nicht überschritten werden, damit nachfolgende Generationen auch noch ein gutes Leben führen können. Dafür ist es notwendig, dass alle Grundbedürfnisse aller Menschen befriedigt werden. Denn ist ein Grundbedürfnis nicht gedeckt, ist ein gutes Leben nicht möglich. Die neun Grundbedürfnisse sind: Ernährung & Wasser, Wohnen, Gesundheit, Bildung, Beziehungen, ökonomische Sicherheit, physische Sicherheit, sichere Familienplanung & Geburten und sichere Kindheit.
Diese Bedürfnisse können jedoch auf mehr oder weniger ökologisch verträgliche Weise gedeckt werden. Das Arbeitskräfteangebot im Rahmen einer Jobgarantie kann helfen, einen ökologischen Umbau der neun Bedürfnisfelder voranzutreiben.
Wer entscheidet über die Tätigkeiten?
Was genau verändert werden muss, damit nachhaltige Bedürfnisdeckung möglich ist, unterscheidet sich regional. Innerhalb einer staatlichen Rahmensetzung und mit dem Auftrag der sozial-ökologischen Transformation sollte über den Einsatz der Arbeitskräfte der Jobgarantie ein lokales, demokratisches und partizipatives Gremium entscheiden.
Beispielsweise könnte das Gremium aus zufällig gelosten Bürger:innen zusammengesetzt werden, die halbjährlich rotieren. Dadurch werden in regelmäßigen Abständen neue Impulse in den Entscheidungskreis getragen und Bedarfe von verschiedenen Personengruppen berücksichtigt. Bisherige lokal selbstverwaltete Jobgarantieprogramme haben positive sozial-ökologische Auswirkungen gehabt, weil die Rückbindung zur Gemeinschaft vor Ort zu einer Orientierung der Tätigkeiten am Bedarf der Einwohner:innen geführt hat.
Eine Jobgarantie darf nicht missbraucht werden, um bestehende Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor schlechterzustellen. Gerade in finanzschwachen Gemeinden gibt es jedoch viele Aufgaben, die erledigt werden müssten, damit Dörfer und Städte wieder lebenswert werden und Menschen gerne und klimafreundlich dort wohnen. Viele notwendige und sinnvolle Aufgaben bleiben in unserer Gesellschaft unerledigt, da die potenziell Begünstigten für die Leistungen nicht bezahlen können. Dies betrifft zum Beispiel die Unterstützung von Kindern, Alleinerziehenden oder Pflegebedürftigen.
Erste Anforderung: Welche Tätigkeiten sind sozial-ökologisch gerecht?
Damit eine Jobgarantie einen ökologischen Pfad einschlägt, ist es wichtig, Jobs nur in denjenigen Bereichen zu schaffen, die entweder direkt dem Umweltschutz dienen oder die Deckung von Grundbedürfnissen ressourcenleicht ermöglichen.
Bei Tätigkeiten im sozialen Bereich handelt es sich vorwiegend um ressourcen- und energieleichte Tätigkeiten, von denen wir uns als Gesellschaft viele leisten könnten, ohne das Klimabudget zu sehr zu beanspruchen. Zugleich ist die Erledigung dieser Aufgaben notwendig, damit jede Person ein gutes Leben führen kann.
Am Beispiel der Bedürfnisfelder Gesundheit, Wohnen und ökonomische Sicherheit lässt sich illustrieren, welch vielfältige Tätigkeiten eine Jobgarantie umfassen kann.
Jobgarantie & Gesundheit
Der Gesundheitssektor in Österreich ist für ca. 7 Prozent der nationalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Eine Jobgarantie kann durch den Ausbau präventiver Gesundheitsvorsorge, wie aktiver Mobilität, die Klimaschäden reduzieren. Konkrete Tätigkeiten könnten sein:
- Ausbau von Rad- und Fußverkehrsflächen und Schutzmaßnahmen vor motorisierter Gewalt (z. B. Fahrradlots:innen für sichere Schulwege).
- Identifikation und Behebung von Störfaktoren, die aktive Mobilität einschränken (z. B. keine Barrierefreiheit von Fußwegen durch illegales und gefährdendes Parken).
- Ernährungsbildung für gesundes und klimafreundliches Essen (z. B. durch „Urban Gardening“ für Kindergärten und Schulen)
- Identifikation von Lärm- und Emissionsquellen und Überprüfung von Maßnahmen zur Eindämmung (z. B. Tempobegrenzungen auf Straßen).
- Maßnahmen zur Klimaanpassung z. B. Aufforstung, Hochwasserschutz, Begrünung zur Vermeidung von Hitzeinseln.
Jobgarantie & Wohnen
Um klimafreundlich zu wohnen, müssen Gebäude besser gedämmt und im Haushalt muss Energie eingespart werden (Effizienz). Statt viele Ressourcen in den Neubau zu stecken, muss Leerstand und Unterbelegung effizienter genutzt werden, und zu groß gewordene Wohnungen müssen durch Teilung, Umbau oder Umzug besser verteilt werden (Suffizienz). Diese Tätigkeiten einer Jobgarantie können unterstützen:
- Energiespar- und Klimaberatungen für Haushalte
- Erhebung von Leerstand und Unternutzung von Gebäuden
- Wohnberatung zur Anpassung des Wohnraums an die Lebensphase
- Aufräum- und Umzugshilfe bei Umzug in eine flächeneffizientere Wohnung (v. a. für ältere Menschen)
- Verschönerung des öffentlichen Raums in Bezirken mit viel Leerstand, um dort Wohnen attraktiv zu machen und Neubaubedarf anderswo zu vermeiden
- Rückbau von versiegelten Flächen und Renaturierung
Jobgarantie & ökonomische Sicherheit
Um in unserer Marktwirtschaft zu überleben, brauchen Menschen Einkommen und Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. Eine Jobgarantie garantiert Einkommen zu gesellschaftlich festgelegten Mindeststandards und kann frei zugängliche (öffentliche) Güter und Dienstleistungen für alle zur Verfügung stellen. Wie viel Einkommen Bürger:innen darüber hinaus zur Befriedigung der Grundbedürfnisse ausgeben müssen und ob sie umweltverträgliche Konsumformen wählen können, lässt sich so durch eine Jobgarantie gestalten:
- Betreiben von Leihzentren z. B. für Werkzeug, Haushaltsgeräte, Lastenräder
- Wiederverwendung und Tausch von gebrauchten Gegenständen und Kleidung z. B. Schenkboxen, Secondhand-Geschäfte
- Reparaturservice und Up-Cycling, (Fahrrad-)Werkstätten und Reparaturcafés
- Digital- und Computerberatungen für Open-Source-Software, Open Hardware und Datenschutz, z. B. im Hacker Space
- Betreiben von lokalen Sortierstellen für Mehrwegsysteme, Kompostier- und Recyclingstellen
- Fahrradliefer- und Transportdienste für mobilitätseingeschränkte Menschen und gemeinnützige Einrichtungen
Zweite Anforderung: Arbeitsbedingungen, die nachhaltiges Leben & Arbeiten vereinbaren
Um die drohenden ökologischen Krisen zu verhindern, müssen wir anders konsumieren, produzieren, verteilen und auch arbeiten: Wir werden mehr ressourcenleichten Tätigkeiten im sozialen Bereich und dem Dienstleistungsbereich nachgehen und weniger Aktivitäten, die viel Energie verbrauchen oder Emissionen verursachen. Durchschnittlich werden wir weniger Erwerbsarbeit verrichten, aber diese wird fairer aufgeteilt und bezahlt. Leider ist Erwerbsarbeit bisher noch oft Treiber umweltschädlichen Verhaltens, beispielsweise durch Pendeln und lange Arbeitszeiten.
Damit eine Jobgarantie ihr volles ökologisches Potenzial entfalten kann, muss sie einen Beitrag für nachhaltiges Arbeiten und Leben leisten. Deswegen soll eine Jobgarantie standardmäßig in kurzer Vollzeit von 20 bis 30 Wochenstunden lokal am Wohnort und zu Zeiten stattfinden, die mit einer vollen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben vereinbar sind. Dies ermöglicht es, Erwerbsarbeit mit anderer wichtiger Arbeit, wie Care-Arbeit, Ehrenamt und Eigenarbeit, zu verbinden.
Sozial-ökologische Jobgarantie für alle
Außerdem muss eine Jobgarantie gut entlohnt sein, unbefristet sein und jeder Person offenstehen, damit auch Beschäftigte in klimaschädlichen Jobs hineinwechseln können. Denn die ökologische Transformation wird nur gelingen, wenn umweltfreundliche Arbeitsplätze Jobs in umweltschädlichen Branchen ersetzen. Nicht, wenn umweltfreundliche Arbeitsplätze nur zusätzlich zu weiterbestehenden umweltschädlichen Jobs geschaffen werden.
Eine Jobgarantie muss stets freiwillig bleiben, das heißt, es darf keine Sanktionen oder Armut geben, wenn Menschen ein Angebot für eine Jobgarantie nicht annehmen. Andernfalls droht die Jobgarantie zu einer Form der sinnlosen Zwangsarbeit zu verkommen.
Eine groß angelegte Jobgarantie ist auch finanzierbar: Bei durchschnittlichen Nettokosten von ca. 6.800 Euro pro Jahr und Person in einer Jobgarantie könnte man mit einer Umwidmung der jährlich vom Staat getätigten umweltschädlichen Subventionen von ca. 4,2 Mrd. Euro, z. B. für Flugzeugkerosin, mehr Menschen eine Jobgarantie anbieten, als zum Höhepunkt der Corona-Krise im April 2020 erwerbslos waren (ca. 570.000 Personen).
Eine zeitgemäße Jobgarantie zahlt sich aus
Mit solch einer Jobgarantie könnten wir schnell in eine sozial-ökologische Transformation einschwenken. Dies hätte eine dreifache Dividende: für Beschäftigte in der Jobgarantie ein verlässliches, hinreichendes Einkommen für eine sinnvolle und generationengerechte Tätigkeit; für Empfänger:innen der Produkte und Dienstleistungen aus der Jobgarantie Möglichkeiten, ihre Grundbedürfnisse klimagerecht zu decken; und für das Staatsbudget eine Strategie, die psychosozialen Kosten der Erwerbslosigkeit und Folgekosten einer Verfehlung von Umwelt- und Klimazielen zu mildern.