Wie steht es um die Gesundheit und Sicherheit auf einen Arbeitsplatz entsandter ArbeitnehmerInnen in Österreich? Vor welchen Herausforderungen stehen wir bei der Gewährleistung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit transnationaler Arbeit? Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass entsandte Personen besonders schutzbedürftig sind. Mangelndes Wissen über Rechte, Pflichten und Beschwerdeverfahren sowie fehlende lokale Kenntnisse („Wer kann mir weiterhelfen?“) setzt entsandte ArbeitnehmerInnen verstärkt der Ausbeutung aus.
Besondere Schutzbedürftigkeit entsandter Personen
„Ich war zu Hause in Ungarn im Krankenstand, weil ich einen Arbeitsunfall in Wien hatte. (…) Ich musste im Bett liegen und wartete auf die Zahlung des Krankengeldes. Aber das Geld kam nie an“ (befragte Person, April 2018). Entsandte ArbeitnehmerInnen sind mehrfach gefährdet. Ihre Migrationssituation, die Bedingungen der Jobannahme, ihr sozioökonomischer Status sowie ihre Bildung und Sprachkenntnisse machen diese ArbeitnehmerInnen besonders schutzbedürftig. Im Falle des ungarischen Befragten erfolgte seitens des Unternehmens keine Krankmeldung, wovon die betroffene Person nichts wusste und daher vergeblich auf das Krankengeld wartete.
ArbeitgeberInnen sind am Zug
ArbeitgeberInnen stehen bei grenzüberschreitenden Entsendungen in besonderem Maße in der Pflicht: Sie müssen ihre ArbeitnehmerInnen über die arbeitsrechtliche Situation im jeweiligen Zielland informieren, sie müssen alle arbeitsschutzrechtlichen Auflagen im Zielland erfüllen und sie müssen entsprechend den Vorgaben der EU-Entsenderichtlinie handeln. Die spezifischen arbeitsschutzrechtlichen Bedingungen variieren in den EU-Staaten, weshalb es seitens der ArbeitgeberInnen besonderer Aufmerksamkeit bei Entsendungen bedarf. Entsandte Personen wiederum wissen oftmals nicht einmal, bei welchem/welcher ArbeitgeberIn sie tatsächlich angestellt sind. Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz werden darüber hinaus von beiden Seiten vernachlässigt; in manchen Fällen werden sogar Dokumente etwa über die Gesundheit, die Arbeitssicherheit und den Arbeitsschutz in einer Sprache unterzeichnet, die entsandte ArbeitnehmerInnen nicht verstehen.
Forschungsarbeit in neun EU-Staaten
Das von 2017 bis 2018 durchgeführte EU-Forschungsprojekt „POOSH“ („Occupational Safety and Health of Posted Workers“) erhob den ArbeitnehmerInnenschutz entsandter Personen und die diesbezüglichen Regulierungen in neun EU-Ländern (Belgien, Deutschland, Italien, Kroatien, Österreich, Rumänien, Slowakei, Slowenien und Spanien). Damit wurde erstmals eine systematische Analyse zu Arbeit, Arbeitsbedingungen und ArbeitnehmerInnenschutz von entsandten Personen in der EU vorgenommen. Konkret ging es darum, zu erforschen, in welchem Ausmaß Bestimmungen zum ArbeitnehmerInnenschutz bei entsandten ArbeitnehmerInnen in der Praxis eingehalten werden. Der Bericht für Österreich liegt nunmehr vor. Die Analyse erfolgte anhand von Forschungsinterviews mit 14 befragten Personen in Österreich (sowohl entsandte Personen als auch zuständige Institutionen in Österreich). Ein vergleichender Bericht über die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz entsandter ArbeitnehmerInnen in ausgewählten EU-Staaten wird im Dezember 2018 vorliegen. Das E-Observatory bietet umfassende Informationen zum ArbeitnehmerInnenschutz und zu den Arbeitsbedingungen entsandter Personen.
Ausmaß der Entsendungen
Die Erhebungen ergaben, dass viele nach Österreich entsandten Personen nicht ausreichend über ihre Rechte informiert sind. Dies öffnet Tür und Tor für die Ausbeutung der ArbeitnehmerInnen: „Das ist der Grund, warum manche Unternehmen diese ArbeitnehmerInnen anheuern. Sie wissen über ihre Rechte und Pflichten nicht Bescheid, sie sprechen die Sprache nicht“ (befragte Person einer österreichischen Institution, August 2017). Dies trifft wohl auf einige der in Summe 108.627 offiziell nach Österreich entsandten Personen (Stand 2015) zu. Mit dieser Anzahl an eingehenden Entsendungen liegt Österreich nach Deutschland, Frankreich und Belgien an vierter Stelle in der EU. Die wichtigsten Herkunftsländer der Entsendungen sind: die Slowakei, Deutschland, Polen, Ungarn und Slowenien. Österreichische Unternehmen schickten nur rund halb so viele Personen, nämlich 64.373 ArbeitnehmerInnen, in andere EU-Staaten. Der bedeutendste wirtschaftliche Sektor in diesem Zusammenhang ist die Baubranche, sowohl bei der Entsendung nach als auch von Österreich.
Rechtliche Regelung der Entsendung in der EU
Der ArbeitnehmerInnenschutz von entsandten Personen ist in Artikel 3 der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Personen geregelt und untrennbar mit der Gewährleistung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen verbunden. Entsandte Personen sind jene, die von ihrem/ihrer ArbeitgeberIn für einen begrenzten Zeitraum in einen anderen EU-Mitgliedstaat geschickt werden, um dort eine Dienstleistung zu erbringen. Obwohl die Entsenderichtlinie also die Einhaltung des ArbeitnehmerInnenschutzes vorschreibt, kommt es bei Entsendungen in der EU zu zahlreichen Problemen. Oft gehen schwerwiegende Verstöße gegen den ArbeitnehmerInnenschutz Hand in Hand mit Unterbezahlung, exzessiven Arbeitszeiten, einem Mangel an Präventionsmaßnahmen und der Nichteinhaltung von Sozialversicherungsvorschriften. Hinzu kommen Herausforderungen des ArbeitnehmerInnenschutzes in kulturell vielfältigen Arbeitsumgebungen, allen voran Sprachbarrieren. Dies führt zu einer erhöhten Anzahl von arbeitsbedingten Unfällen, vor allem in risikoreichen und gefährlichen Branchen, und kann sowohl kurzfristige als auch langfristige Auswirkungen (etwa Behinderungen oder chronische Erkrankungen) auf die Gesundheit von entsandten Personen haben.
Rechtliche und institutionelle Einbettung in Österreich
In Österreich ist die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz verankert. Die Überprüfung der Einhaltung des Gesetzes obliegt der Arbeitsinspektion und ist im Arbeitsinspektionsgesetz festgelegt. Lohnkontrollen werden von der Finanzpolizei durchgeführt und Sozialversicherungszahlungen von den Krankenkassen überprüft. Im Bausektor übernimmt zudem die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) die Lohnkontrollen. Obwohl es auf nationaler Ebene eine enge Kooperation zwischen den für die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz zuständigen Behörden gibt, wird eine verstärkte transnationale Kooperation zwischen den für die Entsendung zuständigen und den für die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz zuständigen Behörden zur Verbesserung der Monitoring- und Kontrollmechanismen im Bereich der Entsendungen empfohlen.
Fazit
Um Lohn- und Sozialdumping sowie betrügerischer Beschäftigungspraxis Einhalt zu gebieten, bedarf es der umfassenden Schulung von Unternehmen über die Entsendungspflichten bereits in den Herkunftsländern sowie der Aufklärung über Rechte und Pflichten der ArbeitnehmerInnen vor Arbeitsantritt in einem Zielland. Entsandte ArbeitnehmerInnen sind aufgrund ihrer mehrfachen Belastung besonders schutzbedürftig, da sie oftmals weder die vor Ort gesprochene Sprache verstehen noch Personen und Prozesse im Land des Arbeitseinsatzes kennen. Die Einbindung in soziale Netzwerke, die über „lokales Wissen“ verfügen, erscheint aufgrund fehlender Sprachkenntnisse und der oftmals auch kurzen Aufenthaltsdauer im Zielland sehr schwierig bis nahezu unmöglich. Entsandte ArbeitnehmerInnen sind daher verstärkt der Ausbeutung ausgesetzt. Bei den Unternehmen wiederum mangelt es an umfassender Einhaltung ihrer Pflichten, nicht nur im Hinblick auf die notwendigen Schulungen über arbeitsschutzrechtliche Bedingungen ihrer ArbeitnehmerInnen, sondern auch in Bezug auf die Notwendigkeit der Einhaltung der in Österreich geltenden Rechte. Umfassendes Monitoring und Kontrollmechanismen sollten sowohl im Herkunfts- als auch im Zielland verstärkt werden und direkte Kommunikationswege verbessert werden, die es den beteiligten Institutionen ermöglichen, relevante Informationen auszutauschen.