Die Europäische Kommission hat die Einrichtung einer Europäischen Arbeitsbehörde angekündigt. Richtig umgesetzt könnte eine solche dazu beitragen, grenzüberschreitendes Lohn- und Sozialdumping effektiver zu bekämpfen. Bis 7. Jänner 2018 sammelt die Kommission Vorschläge in Form einer öffentlichen Konsultation.
AK EUROPA und das ÖGB-Europabüro haben deshalb eine Kampagne gestartet, mit der jede/r ganz einfach an der Konsultation teilnehmen kann. Diese braucht jetzt breite Unterstützung!
Dringender Handlungsbedarf gegen Lohn- und Sozialdumping
Der Kampf gegen grenzüberschreitendes Lohn- und Sozialdumping zählt zu einer der dringendsten Aufgaben der europäischen ArbeitnehmerInnenvertretung. Zahlreiche Beschäftigte, wie beispielsweise in der Bau- oder der Transportbranche, sind seit vielen Jahren Opfer von unlauteren Praktiken mancher Unternehmen. Diese missbrauchen die Dienstleistungs- und ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit in der EU zulasten ihrer Beschäftigten.
Die bisherigen Kontrollen belegen diese Problematik: Seit dem Inkrafttreten des Lohn- und Sozialdumpinggesetzes im Jahr 2011 ergingen bis zum Mai 2017 beinahe 1.000 rechtskräftige Entscheidungen wegen Unterentlohnung. Seitens der Herkunftsländer betrafen 459 bzw. 46 % der Entscheidungen österreichische Unternehmen, 179 (18 %) ungarische, 105 (10,5 %) slowenische, 57 (5,7 %) slowakische, 40 (4 %) deutsche, 38 (3,8 %) tschechische und 34 (3,4 %) polnische Unternehmen.
Im Straßentransport sind Beschäftigte besonders häufig von Lohn- und Sozialdumping betroffen. Viele FahrerInnen sind über Subunternehmen oder Briefkastenfirmen in Ländern mit niedrigeren Lohn- und Sozialstandards beschäftigt, führen die Fahrten aber in anderen Ländern mit höheren Standards durch. Häufig ist ihnen selbst nicht bewusst, dass sie eigentlich Anspruch auf Entlohnung nach den Regelungen des Landes hätten, in dem sie tätig sind. Wochenlang sind sie weit von ihrem Wohnort entfernt, wohnen in den meisten Fällen sogar im LKW ohne adäquate Koch- und Übernachtungsmöglichkeiten, selbst an den Wochenenden. Zu Beginn des Jahres 2017 machte die internationale TransportarbeiterInnengewerkschaft (ITF) auf die desaströsen Arbeitsbedingungen von FahrerInnen bei den Lieferketten von IKEA aufmerksam.
Für eine Arbeitsbehörde im Interesse aller ArbeitnehmerInnen
Die starke Zunahme grenzüberschreitender Beschäftigung in der EU und die damit zusammenhängenden Probleme von Lohn- und Sozialdumping sind schon länger heiße Streitthemen in Brüssel. Aktuell wird gerade über die Reform der sogenannten Entsenderichtlinie verhandelt. Seit 1997 regelt diese Richtlinie Ansprüche von ArbeitnehmerInnen, die in ein anderes EU-Land zur Erbringung von Dienstleistungen entsandt werden. In Anbetracht der mehr als zwei Millionen Entsendungen in der EU wird offensichtlich, wie wichtig hier klare und gerechte Regeln auf europäischer Ebene sind.
In den Trilogverhandlungen zwischen Europäischem Parlament, der Europäischen Kommission und dem Rat der EU prallen immer wieder vermeintlich unterschiedliche Interessen aufeinander: Viele osteuropäische Regierungen bezeichnen billige Arbeitskräfte als ihren Wettbewerbsvorteil am gemeinsamen Markt, westeuropäische wollen Wettbewerbsverzerrungen durch Lohn- und Sozialdumping verhindern. Die europäische Gewerkschaftsbewegung hingegen macht klar: Die ArbeitnehmerInnen Europas sitzen alle im selben Boot! Das Prinzip der Entgeltgleichheit für gleiche Arbeit am gleichen Ort, das in der Entsenderichtlinie festgeschrieben ist, muss den Unterbietungswettlauf an Arbeits- und Sozialrechten in der EU stoppen. Daher muss endlich für die ordnungsgemäße Durchsetzung und Kontrolle der geltenden gesetzlichen Bestimmungen bei grenzüberschreitender Entsendung gesorgt werden.
Im September 2017 hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner Rede zur Lage der Union die Schaffung einer Europäischen Arbeitsbehörde vorgeschlagen. Er sprach damit indirekt auch die mangelnde Durchsetzung bereits bestehender europäischer Arbeits- und Sozialversicherungsvorschriften an. Allerdings hielt sich die Kommission seit dieser Rede im September mit genaueren Informationen, wie eine solche Behörde aussehen und arbeiten soll, zurück. Jetzt hat sie dazu eine öffentliche Konsultation gestartet, die noch bis 7. Jänner 2018 läuft.
Gewerkschaften aus ganz Europa sagen NEIN zu Sozialdumping
Aus Sicht der europäischen ArbeitnehmerInnenvertretung sollten die Hauptaufgaben einer solchen Behörde die Förderung der effektiven Durchsetzung des europäischen Arbeits- und Sozialversicherungsrechts sowie der Kampf gegen Sozialdumping und grenzüberschreitenden Sozialbetrug sein. Denn die Durchsetzung von Sozialvorschriften ist — wo sie überhaupt vorhanden ist — zersplittert und lückenhaft und die Kapazitäten nationaler Behörden reichen oft nicht aus, um hoch mobile und komplexe Geschäftspraktiken zu kontrollieren. Diese Unzulänglichkeiten werden von manchen Unternehmen ausgenutzt, um nationale und europäische Sozialvorschriften zu umgehen. Insbesondere viele Arbeitsüberlassungsagenturen haben dies zu ihrem alleinigen Geschäftsmodell gemacht. Immer wieder berichten Medien von Ausbeutung, menschenunwürdigen Unterkünften und klaren Verstößen gegen EU-Recht.
Eine Europäische Arbeitsbehörde könnte zu einer Verbesserung der Verwaltungszusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten beitragen — zum Beispiel bei Verwaltungsstrafverfahren in Fällen von Lohn- oder Sozialdumping, Verstößen gegen ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften oder bei der Koordination grenzüberschreitender Kontrollen. Insbesondere die effektive Durchsetzung des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts in grenzüberschreitenden Fällen scheitert oft daran, dass die Möglichkeit, Strafen durchzusetzen, meist an den nationalen Grenzbalken endet. Hier könnte eine Europäische Arbeitsbehörde Abhilfe schaffen.
Doch auch die Rechtsansprüche der ArbeitnehmerInnen müssen im Mittelpunkt einer Europäischen Arbeitsbehörde stehen: Gewerkschaften aus ganz Europa fordern deshalb, dass sie dabei unterstützt werden, die Rechte von ArbeitnehmerInnen in grenzüberschreitenden Fällen zu verfolgen und in ihrem Namen durchzusetzen. In einem gemeinsamen Europa muss es endlich möglich sein, ArbeitnehmerInnenrechte auch über nationale Grenzen hinweg effektiv geltend zu machen.
Unsere Stimme gegen Sozialdumping!
Es ist symptomatisch, dass die EU zwar schon eine gemeinsame Bankenaufsicht hat, aber bisher untätig geblieben ist, wenn es um die Durchsetzung von ArbeitnehmerInnenrechten geht. Eine Europäische Arbeitsbehörde könnte dies ändern. Dafür muss sie aber so ausgestaltet werden, dass sie im Interesse der ArbeitnehmerInnen arbeitet. Falsch oder schlecht ausgestattet könnte sie ganz im Interesse der Dumpingfirmen keine Verbesserungen für die ArbeitnehmerInnen Europas bringen.
Um diejenigen Kräfte innerhalb der Europäischen Kommission und der europäischen Regierungen zu unterstützen, die sich für eine solche Europäische Arbeitsbehörde einsetzen, braucht es möglichst viele UnterstützerInnen. Die ExpertInnen von AK, ÖGB, DGB und dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) haben dazu eine Musterantwort auf die Konsultation der Kommission ausgearbeitet. Diese kann über die Website www.no2socialdumping.eu mit nur wenigen Klicks an die Kommission geschickt werden.
Jetzt mitmachen und unter www.no2socialdumping.eu die EU-Kommission zum Handeln auffordern!