KindergartenpädagogInnen in Österreich – Stiefkinder und HoffnungsträgerInnen der Bildungspolitik

28. November 2014

Der Kindergarten wird als erste Bildungseinrichtung zu einem immer wichtigeren „Spielfeld“ der Bildungspolitik. Die positiven Effekte professioneller Frühförderung lassen sich später nur schwer erreichen, umso bedeutender erscheinen daher gut ausgebildete und motivierte PädagogInnen. Die Ausbildung der KindergartenpädagogInnen in Österreich hinkt jedoch internationalen Standards hinterher und auch das berufliche Ansehen steht im Widerspruch zum bildungspolitischen Wert ihrer Arbeit.

 

Der Kindergarten als bildungspolitischer Hoffnungsträger

Bereits im Kindergarten wird das Fundament für den späteren Bildungsweg gelegt. Hier können Lernfreude und Selbstvertrauen gestärkt, besondere Bedürfnisse rechtzeitig erkannt und sprachliche sowie soziale Fähigkeiten optimal gefördert werden. Der positive Effekt früher Förderung zeigt sich besonders bei sozial benachteiligten Kindern. Das belegen nicht zuletzt auch die Ergebnisse der internationalen PISA-Testungen. Auch volkswirtschaftlich gesehen rentiert sich jeder in die Frühförderung investierte Euro deutlich stärker als spätere Investitionen in das Bildungssystem.

Aus den genannten Gründen wird der Kindergarten als erste Bildungseinrichtung immer wichtiger. Viel Hoffnung wird in die frühe Förderung gesetzt, was seitens der Regierung auch schon zu ersten Maßnahmen geführt hat. So gibt es etwa seit Herbst 2009 das verpflichtende Kindergartenjahr vor Beginn der Schulpflicht. Zeitgleich wurde auch der „bundesländerübergreifende Bildungsrahmenplan für elementare Bildungseinrichtungen in Österreich“ fertig gestellt (https://www.bmbf.gv.at/schulen/sb/bildungsrahmenplan.html), der die Absicht verfolgt, die Bildungsarbeit der PädagogInnen – zumindest konzeptionell – zu unterstützen. Die dort definierten Ziele und Leitgedanken haben jedoch nur unverbindlichen Empfehlungscharakter, auf eine Festlegung von Mindeststandards oder von erforderlichen Rahmenbedingungen wurde verzichtet.

Im Zuge einer 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern wurde 2008 auch die Einführung einer verpflichtenden frühen sprachlichen Förderung (https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2008_II_478/BGBLA_2008_II_478.html) beschlossen. Kinder mit festgestelltem Sprachförderbedarf sollen demnach im Kindergarten durch entsprechende pädagogische Interventionen unterstützt werden. Die konkrete Art der Umsetzung bleibt jedoch jedem Bundesland, und oft auch den zeitlichen Ressourcen des Personals überlassen.

Fehlende Mindeststandards

Die Betreuung, Bildung und Erziehung von Vorschulkindern ist per Verfassung Ländersache. Das führt dazu, dass jedes Bundesland andere Gruppenhöchstgrößen, andere Betreuungsschlüssel und teilweise sogar unterschiedliche Anstellungserfordernisse für das Kindergartenpersonal vorgibt.

Die verschiedenen Standards, die es in den institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen in Österreich und Europa gibt, wurden 2013 in der von der AK Wien in Auftrag gegebenen Studie  (http://wien.arbeiterkammer.at/service/studien/Bildung/Kinderbetreuung.html) “Rechtliche Rahmenbedingungen für elementarpädagogische Einrichtungen im internationalen Vergleich“ ausführlich beschrieben und kritisch betrachtet.

Dabei fällt auf, dass Österreich aus mehreren Gründen ein europäischer Sonderfall ist. So ist beispielsweise, mit Ausnahme von Österreich und Deutschland, in allen anderen EU-Ländern das Bildungsministerium für die vorschulischen Einrichtungen für Kinder ab 3 Jahren zuständig. Auch der Männeranteil unter den Beschäftigten in elementaren Einrichtungen und der Ausbildungsgrad der pädagogischen Fachkräfte liegen in Österreich unter dem europäischen Durchschnitt.

Angesichts der steigenden Anforderungen, die an die Institution Kindergarten gerichtet werden (wie die Umsetzung von Bildungszielen, Sprachförderung, Integration bzw. Inklusion) stellt sich also nun die Frage, ob die Einrichtungen und das Personal auch entsprechend gut für die neuen Herausforderungen gerüstet sind.

Die Ausbildung der KindergartenpädagogInnen in Österreich ist Schlusslicht in Europa

In fast ganz Europa werden die pädagogischen Schlüsselkräfte im Kindergarten an einer Hochschule ausgebildet. Laut letztem OECD-Bericht „Bildung auf einen Blick 2014“ (http://www.oecd.org/edu/eag.htm) sind Österreich und die Slowakei mittlerweile die einzigen beiden Länder, wo KindergartenpädagogInnen in ihrer Erstausbildung keinen akademischen Abschluss (ISCED 5a oder 5b) erwerben.

Die österreichischen Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik (BAKIP) zeichnet sich durch ein sehr frühes Einstiegsalter (Beginn mit 14 Jahren) und eine vorrangig allgemeinbildende Schulform mit Maturaabschluss (ISCED 4) aus. Eine Fortbildung für KindergartenpädaogInnen ist nur in manchen Bundesländern vorgeschrieben.

Natürlich bedeutet eine akademische Ausbildung nicht immer automatisch auch eine gute Ausbildung. Ein akademischer Anschluss erscheint dennoch sinnvoll, damit zumindest ein Teil der Belegschaft die neuesten wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis transferieren und umgekehrt die eigene Arbeit zum Forschungsgegenstand machen kann. Auch die gesellschaftliche Aufwertung dieses weiblich dominierten Berufs und die mit einer Akademisierung einhergehenden Aufstiegs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten für KindergartenpädagogInnen sind nicht zu verachtende Argumente.

Großer Wert zum kleinen Preis ?

Im 2013 beendeten Reformprozess der „PädagogInnenbildung Neu“ (https://www.bmbf.gv.at/schulen/lehr/labneu/index.html) war anfänglich auch die Eingliederung der KindergartenpädagogInnen vorgesehen. Doch die ExpertInnen und BerufsvertreterInnen, die sich stark dafür einsetzten, konnten sich letztlich nicht durchsetzen. Zu groß waren wohl die Widerstände der Länder und Gemeinden, welche befürchteten, dem Personal im Kindergarten in Folge auch ein akademisches Gehalt zahlen zu müssen.

Während also die frühe Bildung und Förderung im Kindergarten einerseits als immer wichtigeres bildungspolitisches Instrument angesehen wird, bleibt die Arbeit von KindergartenpädagogInnen weiterhin unterbewertet. Das kann auf lange Sicht gefährlich werden. Im städtischen Bereich besteht bereits jetzt akuter PädagogInnenmangel. Schätzungen zufolge steigt meist weniger als die Hälfte der BAKIP-AbsolventInnen auch tatsächlich in den erlernten Beruf ein. Laut Statistik Austria beginnen 41% nach Abschluss ein Studium. Leider wird allzu gern vergessen, dass für eine qualitativ hochwertige frühe Bildung auch ausreichend motiviertes und gut ausgebildetes Personal bereitgestellt werden muss.