Rund 610.000 unselbständig Beschäftigte in Österreich würden lieber kürzer, 304.000 länger arbeiten, als sie aktuell können. Aufgerechnet ergibt das ein unfreiwillig geleistetes Arbeitsvolumen von knapp 50.000 Vollzeitjobs. Welche Höhen und Tiefen die hiesige Arbeitszeitlandschaft noch kennzeichnen, eröffnet eine Analyse der Mikrozensus-Daten.
Angesichts der wirtschaftlich nach wie vor sehr angespannten Lage in Österreich und Europa erfährt das Thema Arbeitszeit eine kleine Renaissance. Hierzulande ist mitunter die sogenannte Freizeitoption – kürzlich u.a. im neuen Kollektivvertrag der Maschinen- und Metallwarenindustrie vereinbart – ein Grund dafür. Dass Arbeitszeitverkürzung zwar keine „eierlegende Wollmilchsau“ ist, ist klar. Ebenso klar sollte natürlich das Potential in so unterschiedlichen Bereichen wie Beschäftigungs- und Gesundheitspolitik, Gender-Gerechtigkeit, Weiterbildung, zivilgesellschaftliches Engagement und demokratische Partizipation, Ökologie und individuelle Work-Life-Balance sein. Einen Schritt vorher stellt sich allerdings noch eine andere – in Hinblick auf die politische Umsetzbarkeit gar allerwichtigste – Frage: Wollen wir überhaupt kürzer arbeiten? Eine Analyse der Mikrozensus-Daten erlaubt hierzu einige Einsichten.
Arbeitszeiten in Österreich – Status Quo
Zwei Aspekte sind für die hiesige Arbeitszeitlandschaft unbestritten sehr charakteristisch: die hohe Teilzeitquote und die langen Vollzeitarbeitszeiten. Laut Eurostat ist die Teilzeitquote nur noch in den Niederlanden höher als in Österreich mit 26,9 % aller Beschäftigten. Auch bei den durchschnittlichen Arbeitszeiten aller Vollzeitbeschäftigten liegt Österreich mit 43 Wochenstunden wiederum an zweiter Stelle hinter Griechenland.
Betrachtet man nur die unselbständig Beschäftigten ist Österreich mit 41,5 Stunden Platz drei, hinter Großbritannien, Portugal und ex aequo mit Zypern. Im Vergleich bspw. mit skandinavischen Ländern oder Frankreich arbeiten hierzulande relativ wenige Leute im Bereich 35-39, hingegen sehr viele über 40 Stunden.
Der Gesamtdurchschnitt der Arbeitszeiten von unselbständig Beschäftigten in Österreich ist zwischen 2006 und 2014 um rund 1,7 Stunden auf 36,5 Wochenstunden gesunken (Mikrozensus, eigene Berechnungen). Dieser Rückgang ergibt sich einerseits durch die Ausweitung von Teilzeitarbeit – die Teilzeitquote stieg im besagten Zeitraum um 5,1 Prozentpunkte an, andererseits haben sich auch die Wochenstunden der Vollzeitbeschäftigten um rund -0,9 auf 42 Stunden reduziert. Die durchschnittliche Teilzeitarbeitszeit hingegen ist relativ konstant geblieben bzw. sogar leicht gestiegen, nämlich um 0,3 auf 21,7 Stunden.
Man könnte sich nun natürlich fragen, wie sich diese Entwicklungen auf die Verteilung des Arbeitsvolumens auf die gesellschaftlichen Schultern ausgewirkt haben. Zieht man den hierfür oftmals verwendeten Gini-Koeffizienten als Maßstab heran, zeigt sich eine langsame, aber kontinuierliche Öffnung der „Arbeitszeit-Schere“. Ginge es nach den individuellen Arbeitszeitwünschen der Beschäftigten, wäre das Arbeitsvolumen bedeutend gleicher verteilt, als in Realität der Fall ist.
Normalität für Männer und Frauen
Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich die Arbeitszeitrealitäten von Frauen und Männern stark unterscheiden. Das sogenannte „Gender Time Gap“ hat sich im Zeitraum 2006-2014 zwar um etwa 0,9 Stunden reduziert, betrug 2014 aber nach wie vor ganze 8,6 Wochenstunden oder rund 21 %. Wie unterschiedlich männliche und weibliche Arbeitszeiten strukturiert sind, zeigt auch folgende Abbildung. Während nur rund 8,4 % der Männer unter 34 Stunden arbeiten, ist dies bei Frauen mit 46 % Normalität.