Der Einstieg von Gazprom bei der OMV wird mit dem geplanten Asset-Tausch wahrscheinlicher. Aber auch erhebliche Teile des Gasnetzes und damit der „Hauptschlagader“ der österreichischen (und europäischen) Gasversorgung sollen schon im Frühjahr verkauft werden. Damit fällt ein Tabu nach dem anderen, doch weder Eigentümer(innen) noch der zuständige Minister melden sich zu Wort. Wiederholt sich das Telekom-Theater?
Gazprom ante portas
Eine große Männerfreundschaft: Gerhard Schröder und Rainer Seele hatten den Blick fest gegen Osten gerichtet bei einer OMV-Veranstaltung, die zwar den Namen „Energiegespräch“ trug, aber eher der Völkerverständigung zwischen Russland und Österreich dienen sollte. Rainer Seele, CEO der OMV und Präsident der Deutsch-Russischen Handelskammer, hat sich einen einflussreichen Fürsprecher für sein immer deutlicher werdendes Projekt eingeladen: Den Einstieg der Gazprom bei der OMV. Bereits im Sommer 2014 – kurz nachdem Siegfried Wolf zum neuen Aufsichtsrats-Vorsitzenden der ÖIAG ernannt wurde – gab es Gerüchte über eine solche Möglichkeit. Laut Reuters war die Gazprom an dem 24,9%-Anteil der International Petroleum Investment Company (IPIC) interessiert. Mit Rainer Seele ist einer an die Spitze gerückt, der ganz klar sagt, dass er die strategische Kooperation mit den russischen Partnern ausbauen will, und zwar „auf die gesamte Wertschöpfungskette“.
Das Zusammenrücken zeichnet sich schon deutlich ab: Die OMV beteiligt sich an der Gazprom-Pipeline North-Stream 2, mit der russisches Erdgas über die Ostsee nach Deutschland (Europa) geliefert werden soll. Die OMV hat außerdem einen Asset-Tausch angekündigt. Die OMV soll eine 25%-Beteiligung an der russischen Gas-Lagerstätte Achimov erhalten. Rainer Seele hat seine Liebe zu diesem Gasfeld im Nordwesten Sibiriens möglicherweise schon bei seinem vorigen Arbeitgeber Wintershall entdeckt. Zur Erschließung des Achimov-Gasfelds wurde bereits im Jahr 2003 ein Joint-Venture zwischen Gazprom und Wintershall gegründet.
Teilverkauf der Gas Connect Austria geplant
Offen blieb bislang die Frage, welches Asset die Gazprom im Gegenzug für die Achimov-Beteiligung erhalten soll. Die Entscheidung soll erst im ersten Halbjahr 2016 bekanntgegeben werden. Ganz gut ins Bild passt da die Ankündigung der OMV, 49% der Gas Connect Austria (GCA) im Frühjahr 2016 verkaufen zu wollen. Warum die Gas Connect verkauft werden soll, ist rein betriebswirtschaftlich nicht nachvollziehbar, wie ein Blick in die Geschäftsberichte beweist. Die GCA hatte 2014 im Durchschnitt 270 MitarbeiterInnen und in den letzten Jahren einen durchschnittlichen Bilanzgewinn von 100 Millionen Euro jährlich, wobei 115 Millionen Euro Dividende aus dem Geschäftsjahr 2014 an den Mutterkonzern OMV ausgeschüttet wurden.
„Hauptschlagader“ der Gasversorgungsinfrastruktur betroffen
Nicht nur aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist der OMV-Plan hinterfragenswert. Die GCA ist Errichterin, Eigentümerin und Betreiberin von Erdgas-Fernleitungen in Österreich. Mit wenigen Ausnahmen stehen sämtliche Erdgas-Fernleitungen in Österreich im Eigentum der Gas Connect. Mit anderen Worten: Die GCA ist zuständig für die „Hauptschlagadern“ der österreichischen Gasversorgung. Gleichzeitig sind die GCA-Leitungen zentrales Element der europäischen Gasversorgung. Die GCA-Leitungen wurden deshalb in den vergangenen Jahren einer deutlichen technischen Aufwertung unterzogen: Um die Versorgungssicherheit in Zentralosteuropa bei einem Lieferausfall der Gazprom zu erhöhen, kann das Gas in den GCA-Pipelines nun auch in die Gegenrichtung, also von Westen nach Osten, gepumpt werden („reverse flow“). Die EU-Partner dürften über einen Verkauf der Gas Connect nicht sonderlich „amused“ sein.
Versorgungssicherheit spielt keine Rolle
Jetzt könnte man natürlich aus einer ökologischen Perspektive argumentieren, dass Österreich sich mittelfristig ohnedies aus der fossilen Energie verabschieden soll, also raus aus dem Gas und den Leitungen. Selbst wenn man die Zeitdimension außer Acht lässt und postuliert, dass der Ausstieg aus fossilen Energieträgern bereits gelungen ist, so sind diese Leitungen auch weiterhin für den Transport von (nicht fossilem) Gas und zur Wärmeversorgung zentral. Abgesehen davon, dass eben sehr wohl das Hier und Heute eine Rolle spielt. Und natürlich geht es derzeit und in den nächsten Jahren – wenn nicht Jahrzehnten – noch darum, wichtige Infrastruktur bei gegebener Importabhängigkeit zu behalten bzw. sogar eher auszubauen. Die Gaslieferkrise 2009 hat gezeigt, dass Transportinfrastruktur für Erdgas ein strategischer Faktor der Energieversorgung ist (siehe oben).
Der Eigentümer bleibt stumm
Netze im Energie- oder Mobilitätsbereich zu verkaufen war bisher immer tabu. Diese Einrichtungen gehören ganz klar zum strategischen Eigentum eines Staates. Aber was sagt dieser Eigentümer? Denn eigentlich ist ja die OMV noch zu 31,5% im Besitz der Österreichischen Bundes- und Industriebeteiligungen GmbH (ÖBIB) und zu 25% in jenem der International Petroleum Investment Company (IPIC), die über einen Syndikatsvertrag verbunden sind. Der Eigentümer sagt denkbar wenig. Und auch der Wirtschafts- und Energieminister ist verstummt. Die Frage ist: Interessiert es sie nicht oder ist ohnedies schon alles ausgehandelt?
Oder erleben wir eine Telekom 2? Ein Déjà-vu, wenn das Stück schon vorbei ist und die Regisseure des Ausverkaufs ihr Spiel schon fertig inszeniert haben? Irgendwie beschleicht einen die dunkle Ahnung, dass wir hier keiner Uraufführung beiwohnen, sondern eher knapp davor sind, dass das Stück aus dem Programm genommen wird. Weil es dann nichts mehr gibt, womit man spielen kann…
Dieser Beitrag erschien zunächst in Wirtschaftspolitik-Standpunkte 4/2015. Für den Blog wurde er geringfügig überarbeitet.