„Die Wirklichkeit ist immer das schönste Zeugnis für die Möglichkeit“ – das schrieb schon Johann Nestroy im „Talisman“. Unsere Wirklichkeit muss sich allerdings drastisch verändern, um uns eine lebenswerte Zukunft zu sichern. Dafür brauchen wir nicht nur technische oder ökonomische Veränderung, sondern wir müssen die Komplexität der sozialen Realität mitdenken. Wir müssen vielfältige Perspektiven berücksichtigen, über alte Denkschablonen hinausgehen und ein wirtschaftspolitisches Programm des Umbaus zimmern. Die immer häufiger werdenden Dürren, Brände, Fluten und Hitzetoten symbolisieren das Ausrufezeichen zu dieser Aufforderung zu handeln.
Never change a running system, oder etwa doch?
In der politischen und medialen Debatte zur Klimakrise geht es meist um eine technologische Modernisierung, also das Lösen klima- und gesellschaftspolitischer Herausforderungen mittels Technologie. Ihr Versprechen: ein einfacher Kampf gegen die Klimakrise durch möglichst wenig Veränderung. Der Hintergrund ist, dass viele denken, CO2-Ausstoß sei ein ausschließlich technologisch bedingtes Problem, für das es auch eine technologische Lösung geben muss. Sie hoffen, dass Digitalisierung und grüne Technologien Hand in Hand gehen werden und das Wachstum vom materiellen Ressourcendurchfluss entkoppeln. Mit einer einfachen Kosten-Nutzen-Rechnung könnte der Staat dann die notwendigen technologischen Entwicklungen fördern. Das ist jedoch ein sehr einseitig technisch-ökonomischer Blick auf die Klimakrise. Er versperrt die Sicht auf die soziale Basis wirtschaftlicher Aktivitäten und die komplexen Zusammenhänge zwischen Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft. Aus einer solch verengten Perspektive abgeleitete wirtschaftspolitische Strategien und Maßnahmen greifen daher zwangsläufig zu kurz.
Die Transformation umfassender verstehen
Produktion, Konsum, Mobilität und unsere Freizeitgestaltung von ihrer fossilen Basis zu befreien und auf nachhaltige Beine zu stellen ist also keine rein technologische Herausforderung, sondern eine sozioökonomische. Anstelle eines reinen Technologieoptimismus müssen wir den Menschen als zentralen Kristallisationspunkt der Veränderung in den Mittelpunkt des Umbaus stellen.
So spielen soziale Beziehungen und Normen, aber auch innere Konflikte und Motivationslagen eine wichtige Rolle. Ebenso beeinflussen die Einkommens- und Eigentumssituation, Geschlechterrollen, Alter, Gesundheitszustand und Bildungsgrad, wie Menschen mit Veränderung umgehen können und wie sie den Auswirkungen von Veränderung begegnen.
Der sozial-ökologische Umbau der Wirtschaft kann nur gelingen, wenn dieses Zusammenspiel aus sozialen, ökologischen und ökonomischen Perspektiven verstanden wird. Die Perspektive der von Veränderungen betroffenen Personen muss in den Fokus der Maßnahmenplanung rücken. Außerdem kann eine ambitionierte Klima- und Energiepolitik nur dann gelingen, wenn die politische Akzeptanz für die Maßnahmen vorhanden ist. Die Gelbwestenproteste in Frankreich können als mahnendes Beispiel in dieser Hinsicht verstanden werden. Deshalb müssen wir verstehen, dass soziale Dynamiken höchst relevant im Prozess der Transformation sind und dass sie bremsend oder verstärkend wirken. Moore et al. (2022) unterscheiden hierbei acht relevante Feedback-Mechanismen: