Ab 2021 sollen bis zu 1.200 Mrd. Euro aus dem EU-Budget über die nächsten sieben Jahren neu verteilt werden. Schulungen für Arbeitssuchende, Infrastrukturvorhaben und Klimaschutzmaßnahmen sind nur einige Beispiele dafür, die mit diesen Mitteln gefördert werden können. Die Verhandlungen zwischen den EU-FinanzministerInnen gestalten sich aber schwierig: Ausgerechnet Arbeits- und Sozialprojekte könnten möglichen Kürzungen im EU-Budget zum Opfer fallen. Von der neuen türkis-grünen Regierung ist derweil zum EU-Budget noch kaum etwas Inhaltliches zu hören.
SpätererStart der EU-Förderprogramme zu befürchten
Bei den Budgetverhandlungen ist es bereits zu erheblichen Verzögerungen gekommen: Um die verschiedenen EU-Förderprogramme in den einzelnen EU-Mitgliedsländern fristgerecht bis zum 1.1.2021 umsetzen zu können, müsste es nun zu einer raschen Einigung im Rat (üblicherweise auf Ebene der Staats- und Regierungschefs) und der notwendigen Zustimmung im Europäischen Parlament kommen. Der Zeitplan ist angesichts der Kontroversen unter den Mitgliedsstaaten über die Höhe und Verwendung der Mittel denkbar knapp. EU-Ratspräsident Charles Michel hat die EU-Regierungschefs deswegen nun sogar für 20. Februar 2020 zu einem Sondergipfel eingeladen, bei dem die Frage über das künftige EU-Budgetvolumen gelöst werden soll. Dabei wird es unter anderem auch um die aufgrund des Brexit fehlenden EU-Mitgliedsbeiträge Großbritanniens gehen.
Höhe des EU-Haushalts sorgt für Diskussion
Österreich, Deutschland, dieNiederlande, Schweden und Dänemark sprechen sich für ein EU-Budgetvolumen inHöhe von 1 Prozent der EU-Wirtschaftskraft (des Bruttonationaleinkommens/BNE)aus. Länder wie Polen, Ungarn, Rumänien, Spanien oder Griechenland fordern abereine Ausweitung des Haushaltsvolumens auf bis zu 1,3 Prozent des BNE. Dasentspricht auch der offiziellen Forderung des Europäischen Parlaments.
Die fast schon traditionelle 1-Prozent-Forderungfür das EU-Budgetvolumen durch einige EU-Mitgliedsländer wird jedoch zunehmendzu einem Problem: Denn gleichzeitig fordern dieselben Länder eine Ausweitungder Aufgaben auf EU-Ebene, wie die Einrichtung eines Verteidigungsfonds, Mittelfür ein EU-Grenzmanagement oder eine starke Erhöhung der Mittel für Forschungund Jugendprogramme.
Deshalb treten mittlerweile viele WissenschafterInnen für eine entsprechende Anpassung des EU-Haushaltsrahmens ein. Neben dem Europäischen Parlament legen sich auch der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss und der Deutsche Gewerkschaftsbund auf ein Budgetvolumen von 1,3 Prozent des BNE fest.
Im Dezember 2019 hat der damals zuständigefinnische Ratsvorsitz schließlich ein Volumen von 1,07 Prozent des BNE vorgeschlagen.Eine Entscheidung über die Höhe der EU-Budgets wird voraussichtlich erst ganzam Schluss der Verhandlungen zum EU-Finanzrahmen fallen. Das derzeitige RatsvorsitzlandKroatien hofft auf einen Beschluss bis spätestens Ende Juni 2020. Ein Worst-Case-Szenariomit einem Beschluss im Herbst oder Ende 2020 ist jedoch durchaus möglich.
Nur wenigMittel für Beschäftigte
In Österreich tragen ArbeitnehmerInnenrund 80 Prozent zum Gesamtsteueraufkommen bei. Für die anderen EU-Mitgliedsstaatendürfte Ähnliches gelten. Aus diesem Steueraufkommen stellen dann dieMitgliedsländer Mittel für das EU-Budget zur Verfügung. Trotzdem kommt nur einkleiner Teil der EU-Budgetförderungen den Beschäftigten zugute – noch dazu mitabnehmender Tendenz.
Der für ArbeitnehmerInnen wichtigste Fonds, der Europäische Sozialfonds Plus (ESF+), sollte nach den Vorstellungen der Europäischen Kommission mit rund 101 Mrd. Euro für sieben Jahre ausgestattet werden. Gleichzeitig soll der ESF+ zusätzliche Aufgaben übernehmen, die bisher über andere Finanzierungslinien abgedeckt wurden. Unterm Strich ergibt sich daher eine Verringerung der verfügbaren Mittel gegenüber dem derzeit laufenden Programm. Der finnische Ratsvorsitz sieht nun weitere erhebliche Kürzungen vor: Das Volumen des ESF+ wird nun mit rund 86,3 Mrd. Euro veranschlagt. Im Vergleich zum Kommissionsvorschlag eine weitere drastische Kürzung um rund 15 Mrd. Euro bzw. 17 Prozent.
Die Arbeiterkammer hat bereits im Vorfeld auf die dürftige Mittelausstattung des ESF+ hingewiesen und eine Erhöhung gefordert. Deutlich wird die Schieflage bei der Aufteilung der Budgetmittel bei einem Vergleich mit der EU-Agrarpolitik: Rund 7,9 Prozent des Gesamtbudgets sollen nach dem letzten Verhandlungsstand im Rat für den ESF+ verwendet werden, während für die Agrarpolitik nach derzeitigem Verhandlungsstand rund 31,8 Prozent eingeplant sind.
Erfolg für die Arbeiterkammer: „Just Transition“-Fonds kommt
In ihrer Position vom September 2018 zum EU-Finanzrahmen hat die Arbeiterkammer unter dem Titel „Just Transition“ eine intensive Auseinandersetzung darüber gefordert, wie die bevorstehenden Veränderungen in der Arbeitswelt aufgrund der Klimakrise sozial gerecht gestaltet werden können. Beschäftigte aus CO2-intensiven Industrien sollen über Qualifizierungsmaßnahmen zu ExpertInnen in Branchen mit geringen (CO2-)Emissionen ausgebildet werden.
Unter ihrer neuen Präsidentin Ursula von der Leyen hat die Kommission diese Idee aufgegriffen und einen „Just Transition“-Fonds ins Leben gerufen. Die Förderungen sollen sich insbesondere auf die Kohle-, Schiefer- und Torfindustrie konzentrieren, aber auch Industrien mit hohem CO2-Ausstoß werden berücksichtigt. Leider hat der Vorschlag der Kommission aber gleich mehrere Haken: So fällt die Mittelausstattung mit 7,5 Mrd. Euro mager aus. Denn immerhin gilt der Finanzrahmen für sieben Jahre, d. h. pro Jahr stehen damit nur etwas mehr als 1 Mrd. Euro zur Verfügung. Zweitens soll das Geld über ESF- und EFRE-Mittel finanziert werden. Damit werden dem ESF-Fonds noch mehr Mittel entzogen, als ohnehin schon befürchtet. Eine Lösung wie beim Globalisierungsfonds hätte mehr Flexibilität beim Einsatz der Gelder gebracht. Hauptprofiteur soll Polen mit rund 2 Mrd. Euro Förderungen sein, gefolgt von Deutschland. Für Österreich blieben laut jetzigem Stand gerade einmal 53 Mio. Euro (über einen Zeitraum von sieben Jahren).