Lernumgebungen sind in Österreich sehr unterschiedlich verteilt. Gerade Schulstandorte in Städten stehen häufig vor großen Herausforderungen. Sie bräuchten mehr finanzielle Mittel, um jedes Kind – unabhängig von seinem sozialen Hintergrund – optimal zu fördern. Um mehr Chancengerechtigkeit im Bildungssystem zu erreichen, muss deshalb die Einführung des Chancen-Index oberste Priorität haben.
Herausforderungen im Bildungssystem
In Österreich wird der Bildungserfolg nach wie vor in hohem Maße vom Elternhaus geprägt. Fehlt Kindern und Jugendlichen die elterliche Unterstützungsleistung, weil die Eltern nicht helfen können, bleibt der schulische Erfolg der Kinder oftmals aus. Aktuelle Ergebnisse der Bildungsstandardüberprüfungen (BIST) zeigen, dass Schulkinder, deren Eltern maximal die Pflichtschule abgeschlossen haben, gegenüber Akademikerkindern im Unterrichtsfach Mathematik (8. Schulstufe) um 101 Punkte zurückliegen. Das entspricht rund 25 Lernmonaten.
Dies verdeutlicht, dass es österreichischen Schulen im Gegensatz zu anderen Ländern wesentlich seltener gelingt, die soziale Herkunft der SchülerInnen auszugleichen. Allzu oft sind die Lernbedingungen, die Kinder an Schulen vorfinden, nicht an ihre Bedürfnisse angepasst. Die Herausforderungen sind besonders groß, je niedriger der Bildungshintergrund der Eltern ist.
Um diesem Trend entgegen zu wirken, bräuchte Österreich bessere Lernbedingungen für wirklich JEDES Kind. Die Zusammensetzung der SchülerInnen einer Schule bestimmt dieses Lernumfeld maßgeblich. Eine Konzentration von SchülerInnen mit hohem Förderbedarf verschlechtert die Lernergebnisse deutlich.
Neue Schulfinanzierung: das AK-Chancen-Index-Modell
Die AK Wien hat bereits 2016 ein Finanzierungsmodell vorgelegt (Schüchner & Schnell, 2016), um stark belastete Schulen bei ihren Herausforderungen zu unterstützen. Denn damit an jeder Schule jedes Kind zum Bildungsziel begleitet werden kann, braucht es eine Ressourcenzuteilung, die an die Anforderungen des Standorts angepasst ist.
Das Chancen-Index-Modell bietet dafür eine transparente Berechnungsgrundlage für die Neuvergabe von Schulressourcen, um so gerechtere Ausgangsbedingungen für Schulstandorte zu erreichen. Zunächst erhalten dabei alle Standorte eine definierte Basisfinanzierung. Für Schulen mit großen Herausforderungen sind anschließend mehr zusätzliche finanzielle Mittel vorzusehen. Schulen mit vielen SchülerInnen, die großen Förderbedarf haben, können die strukturelle Ungleichheiten durch mehr Förderangebote, pädagogisches Unterstützungspersonal, administrative Supportstrukturen etc. ausgleichen. Dabei werden die durch den Chancen-Index vergebenen zusätzlichen Mittel mit aktiver Schulentwicklung und pädagogischer Freiheit der Standorte verknüpft. So wird eine nachhaltige Weiterentwicklung der Standorte gewährleistet.
Basis für die Berechnung sind der Bildungshintergrund der Eltern (stärker gewichtet) einerseits sowie die Alltagssprache der Kinder andererseits. Nach der Berechnung erhält jeder Schulstandort einen Indexwert, der zwischen 100 (hohe Chancen) und 180 (niedrige Chancen) liegt. Die Indexwerte werden insgesamt 7 Indexstufen zugeteilt. Je höher die Indexstufe, desto höher ist der Gesamtförderbedarf an dieser Schule.
Lernumgebungen variieren weiterhin stark
Lernumgebungen sind in Österreich sehr unterschiedlich verteilt. Bereits 2016 konnten wir auf Basis der Schulstatistik 2014 zeigen, dass sich rund 17 % aller Pflichtschulen (Volksschulen, NMS, AHS-Unterstufe) in den Chancen-Index-Stufen 5 bis 7 (also „hoher“ bis „sehr hoher“ Unterstützungsbedarf) befinden. Durch eine Kombination von Schulstatistik, Bildungsstandregister und abgestimmter Erwerbstatistik konnte nun erstmals der Chancen-Index für jeden einzelnen Schulstandort in Österreich berechnet werden. Diese aktuellen Berechnungen, durchgeführt von der Statistik Austria ergeben, dass sich der Anteil mit „hohem“ bis „sehr hohem“ Unterstützungsbedarf in den letzten drei Jahren kaum verändert hat. Auch 2017 befanden sich 17,5 % aller Pflichtschulen in den Indexstufen 5 bis 7.
Die überwiegende Mehrheit der österreichischen Schulstandorte befindet sich in den sozial und alltagssprachlich gut durchmischten Chancen-Index-Stufen 3 und 4. Ein Blick auf die Volksschulen zeigt beispielsweise, dass fast 82 % aller Schulstandorte in diesen beiden Indexstufen anzutreffen sind (siehe Abbildung 1). Lediglich 0,4 % aller Volksschulen in Österreich befinden sich in Indexstufe 1 (also Volksschulen mit einem hohen Anteil von Schulkindern ohne Unterstützungsbedarf). Folglich würden fast alle Volksschulen in Österreich vom Chancen-Index-Modell profitieren, da es zusätzliche Mittel anteilsmäßig für Schulstandorte ab Index-Stufe 2 vorsieht.