Jede sechste Schule kann ihre Kinder auf Grund der Lernumgebung nicht fördern. Die Chancen-Index Finanzierung gleicht diese Nachteile aus. Der Befund für das österreichische Bildungssystem ist eindeutig: unseren Schulen gelingt es im Gegensatz zu jenen in anderen Ländern deutlich weniger häufig die soziale Herkunft der Schülerinnen und Schüler auszugleichen.
Die Lernbedingungen die Kinder an österreichischen Schulen vorfinden sind nicht an ihre Bedürfnisse angepasst. Die Grundlage für den Lehrerfolg ist oft die Unterstützung durch ihre Eltern. Doch häufig können Eltern ihren Kindern nicht weiterhelfen. Eine lineare Gleichungen mit einer Unbekannten oder eine Weg-Zeit-Aufgabe stellt beispielsweise viele Eltern vor Probleme. Die Herausforderungen sind besonders groß in Familien, in denen die Eltern selbst kaum schulische Erfahrungen gesammelt haben und häufig über niedrige Bildungsabschlüsse verfügen. Bleibt noch Nachhilfe als Lösung, doch die ist für viele nicht leistbar.
Und so kommt es, dass Schulkinder, deren Eltern maximal die Pflichtschule abgeschlossen haben, gegenüber Akademikerkindern nach acht Jahren um 27 Lernmonate zurück liegen. Das entspricht fast drei Schuljahren.
Damit dass nicht weiter passiert brauchen wir bessere Lernbedingungen für jedes Kind an den Schulen. Wir benötigen engagierte Pädagoginnen und fokussierte Schulentwicklung um an den Schulen ein Umfeld zu entwickeln, dass die Talente jedes Kindes fördert. Am besten in einer verschränkten Ganztagesschule. Die Zusammensetzung der SchülerInnen einer Schule bestimmt dieses Umfeld maßgeblich. SchülerInnen erbringen dann bessere Schulleistungen, wenn sie in gut durchmischten Schulgemeinschaften lernen. Eine Konzentration von SchülerInnen mit hohem Förderbedarf verschlechtert die Lernergebnisse deutlich.
Lernumgebungen variieren im Österreich
Zurzeit sind Bedingungen fürs Lernen sehr unterschiedliche verteilt. Auf Basis von Daten aus der österreichischen Bevölkerungsstatistik wurde die Zusammensetzung der Schulkinder bezüglich des Bildungshintergrundes der Eltern und der gesprochenen Alltagssprache der SchülerInnen ermittelt. Die Gemeinden wurden in Cluster mit zumindest 200 Schulkindern zusammengefasst. Als Ergebnis haben wir den Chancen-Index Wert für jeden Schulcluster bekommen. Der Wert 1 steht beispielsweise für eine Schule mit einer hohen Anteil von Schulkindern ohne Unterstützungsbedarf. Der Wert 7 lässt auf sehr viele Schulkinder mit großem Unterstützungsbedarf schließen. In der Stufe 1 und 2 befinden sich 13 Prozent der Cluster, in den Stufen 5 bis 7 sind es 17 Prozent. Die überwiegende Mehrheit der österreichischen Schulen (in Form von Schulclustern) befindet sich in den gut durchmischten Chancen-Index Stufen 3 und 4.
Die Unterschiede des Lernumfeldes zeigen sich auch bezüglich der unterschiedlichen Schultypen. So finden sich in der Volksschule die meisten Cluster in der Indexstufe 3. In der Mittelstufe geht die Tendenz bei der Neuen Mittelschule Richtung Indexstufe 4 und bei der AHS in Richtung Indexstufe 2.
Aber auch bei AHS Unterstufen kommt es zu ungleichen Rahmenbedingungen. So finden sich in der AHS Unterstufe 9 Prozent der Standorte in den Stufen 5 bis 7.
Standortbedingungen ändern um Kinder zu fördern
Um mit diesen Rahmenbedingungen umzugehen und ein entsprechendes Lernumfeld zu schaffen braucht es:
- Erstens eine fokussierte Standortentwicklung mit engagierten PädagogInnen, Fortbildung und Teamentwicklung.
- Zweitens ausreichende Ausstattung der Standorte um das vorgenommene auch umsetzen zu können.
Die geplanten Bildungsreformen der Bundesregierung ermöglichen eine bessere Förderung je nach Schulstandort. Die geplante Clusterbildung, die erweiterte Schulautonomie und die bedarfsorientierte Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte sind eine Verbesserung im Vergleich zum Status quo und Grundlage für die Finanzierung auf Basis des Chancen-Index. Damit diese aber wirken können brauchen sie eine angepasste Ausstattung, je nachdem ob die Schülerinnen und Schüler einer Schule mehr oder weniger Unterstützung brauchen.
Die Arbeiterkammer Wien hat ein Modell für eine gerechte, transparente und bedarfsorientierte Schulfinanzierung entwickelt. Es geht darum das Angebot der Schule an die Voraussetzungen der SchülerInnen anzupassen. Das Grundprinzip dabei ist eine solide Basisfinanzierung für alle Standorte. Als Basis erhält jeder Schulstandort Ressourcen auf Grundlage der Zahl der SchülerInnen und die über den Lehrplan definierten Aufgaben. Dazu gibt es auch administrative Unterstützung. Zusatzaufgaben an Standorten wie den Abbau von Lernschwächen, Legasthenie, Verhaltensauffälligkeiten werden berücksichtigt.
Chancen-Index zeigt Förderbedarf
Für Schulen mit großen Herausforderungen gibt es Mittel auf Basis des Chancen-Index. Der Chancenindex erlaubt die Einschätzung der Zusammensetzung der SchülerInnenschaft an Schulen. Auf Basis der individuellen Voraussetzungen der SchülerInnen und Schüler wird für Standorte ein Indexwert berechnet, der Grundlage für zusätzliche Mittel ist. Je nach Indexstufe werden weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen zugeteilt. Diese zusätzlichen Mittel sind aber damit verbunden, dass sich der Standort in einen Entwicklungsprozess begibt um den Standort nachhaltig weiterzuentwickeln. Zusätzliche Mittel alleine bewirken noch nichts.
Basiswert für jedes Kind ist 100. Der wichtigste Faktor zur Chancen-Indexberechnung ist der Bildungsstand der Eltern. Als zweiter Faktor mit geringerem Gewicht wird die Umgangssprache der SchülerInnen herangezogen. Dies berücksichtigt die Notwendigkeit, dass alle Kinder die Bildungssprache Deutsch erlernen sollen und entsprechende Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.
Aus diesen individuellen Werten wird ein Schulindexwert berechnet. Dieser Schulwert liegt zwischen 100 (hohe Chancen) und 180 (niedrige Chancen). Die Indexwerte werden insgesamt 7 Indexstufen zugeteilt. Je höher die Indexstufe, desto mehr Personal bekommt die Schule. Basis ist jener Bedarf, der für eine Schule mit sehr niedrigen Chancen zur Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen angenommen wird.
Eine Schule mit hohem Förderbedarf hat den Chancenindex-Wert 7. Hier haben beispielsweise 51 Prozent der Eltern maximal Pflichtschulabschluss, 46 Prozent eine Berufsausbildung, 3 Prozent Matura, und 88 Prozent haben eine andere Alltagssprache als Deutsch. Diese Schule braucht Unterstützung.
Ob das jetzt mehr Lehrerinnen und Lehrer, mehr Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter oder mehr Psychologinnen und Psychologen sind bleibt den Standorten überlassen. Es geht darum dass multiprofessionelle Teams im Interesse der Kinder tätig werden.
Mehr Unterstützung für mehr Chancen
Die Auswirkungen auf das gesamte System können auf Basis der Berechnungen der Arbeiterkammer Wien abgeleitet werden. Die Berechnungen konzentrieren sich auf die zurzeit laut OECD in den Klassen befindlichen PädagogInnen und die Unterschiede zum Chancen-Index-Modell für die Volksschule und die Neue Mittelschule. Generell ist festzustellen, dass durch die Berechnung von fairen Basis-Ressourcen als Grundlage für die pädagogische Arbeit und die Zuteilung von Bedarfsorientierten zusätzlichen Mitteln mehr Vollzeitäquivalente benötigt werden. Durch den Einsatz von weiteren MitarbeiterInnen in multiprofessionellen Teams an Standorten mit besonderen Herausforderungen können die SchülerInnen zu besseren Bildungserfolgen begleitet werden. Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen und Folgeeffekte werden als nächster Schritt in einer weiteren Studie untersucht.
Nach der Berechnung stehen den Schulen auf Basis des Chancen-Index Modells in der Volksschule rund 30.000 VZÄ (Vollzeitäquivalente) und in der Neuen Mittelschule rund 25.500 VZÄ zur Verfügung. Dividiert man die Anzahl der SchülerInnen mit dem OECD Durchschnittswert des SchülerIn zu LehrerIn Verhältnisses erlangt man die zurzeit laut OECD angenommen VZÄ in den Klassen. Das sind für Volksschulen rund 26.900 VZÄ und für die Neue Mittelschule rund 23.100 VZÄ. Es zeigt sich, dass durch den Chancen Index mehr PädagogInnen an die Schulen kommen.
Anders formuliert steigt der Anteil der Vollzeitäquivalente VZÄ in der Volksschule um 12% (3100 VZÄ) und in der Neuen Mittelschule rund 10% (2400 VZÄ). Dies gilt für alle Bundesländer, auch wenn der Zuwachs zwischen den Ländern unterschiedlich hoch ausfällt. In der Volksschule beträgt der Zuwachs im Burgenland +2% und in Wien +31%, in der neuen Mittelschulen sind es +3% in Kärnten und +35% in Wien. Die Zuwächse sind auf Grund der Zusammensetzung der Schülerpopulation der einzelnen Bundesländer erklärbar.
Legt man die berechneten VZÄ zu Grunde und multipliziert diese mit dem durchschnittlichen Gehalt einer/eines PflichtschullehrerIn mit € 56.000,- pro Jahr ergibt dies einen zusätzlichen Budgetbedarf in der Volksschule von rund € 176.000.000,-, in der Neuen Mittelschule wären es € 132.000.000,- zusätzlich.
Wesentlich dabei ist, dass durch eine ausreichende Anzahl an Pädagoginnen und Pädagogen und durch Teambildung jeder Standort profitiert. Dafür braucht es zusätzliche Mittel die gerecht verteilt werden und an einen Qualitätsentwicklungsprozess gekoppelt sind. Es braucht Schulkonzepte für die pädagogische Arbeit am Schulstandort und fokussierte Schulentwicklung. Nur so können die Schulen nachhaltig weiterentwickelt werden mit dem Ziel: Jedes Kind optimal zu fördern.