Bildung wird vererbt und die Schule gleicht diesen Umstand nicht aus. Um dies zu ändern braucht es eine transparente und gerechte Schulfinanzierung auf Basis eines Chancen-Index. Damit an jeder Schule jedes Kind zum Bildungsziel begleitet werden kann, braucht es eine Ressourcenzuteilung, die an die Anforderungen angepasst ist. Punktgenaue Ausstattung statt eine Verteilung mit der Gießkanne.
Bildungschancen von Eltern abhängig
Unzählige Befunde dokumentieren seit Jahren: Bildungschancen in Österreich sind ungleich verteilt. Je höher der Bildungsabschluss der Eltern, desto höher die Chance auf einen eben solchen Abschluss. So erreichen 54% der Kinder deren Eltern einen Universitätsabschluss haben ebenfalls einen. Haben die Eltern maximal Pflichtschulabschluss gelingt das nur 6%.
Betrachtet man die Leistungsunterschiede der Kinder der vierten und achten Schulstufe verfestigt sich das Faktum der Bildungsvererbung. Der Lernunterschied zwischen Kindern von Eltern mit Matura und Kindern von Eltern mit maximal Pflichtschulabschluss am Ende der Volksschule beträgt 20,9 Schulmonate. Dies entspricht ungefähr 2 Schuljahren, die das Kind aufholen müsste, um mit den Kindern deren Eltern Matura haben gleichzuziehen. Bis zur achten Schulstufe verringert sich dieser Abstand zwar etwas, bleibt aber signifikant (z.B. in Mathematik bei 16,5 Monaten).
Ungleiche Voraussetzungen
Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Verteilung des intellektuellen Potentials der Kinder in Österreich so ungleich auf die Bevölkerung verteilt ist. Viel näher liegt, dass das österreichische Bildungssystem die unterschiedlichen Voraussetzungen, die die Kinder mitbringen nicht ausgleicht. Bildungschancen hängen mit der Herkunft zusammen.
Verstärkt wird dies dadurch, dass die mitgebrachten Voraussetzungen der Kinder ungleich auf Schulen verteilt sind. Je geringer die Durchmischung an den Standorten, desto schwieriger die Rahmenbedingungen die SchülerInnen zu einem erfolgreichen Bildungsabschluss zu bringen. Und diese Voraussetzungen sind auf die Schulen in Österreich ungleich verteilt. 20% der Volksschulstandorte in Österreich haben eine hohe (10%) oder sehr hohe (10%) soziale Benachteiligung; weitere 21% eine Mittlere. In urbanen Gebieten verstärkt sich diese Situation. So gibt es in Wien 35% mit sehr hoher und 22% mit hoher Benachteiligung. Dem gegenüber steht das Burgenland mit 0% in diesen beiden Gruppen.
Unterschiede spielen keine Rolle bei Mittelzuteilung
Diese Unterschiede an den Schulstandorten spielen bei der Mittelzuteilung von Personal- und Sachaufwand derzeit keine Rolle. Standorte mit großen Herausforderungen bekommen im Wesentlichen die gleichen Mittel zu Verfügung gestellt wie jene mit Geringeren. Für Schulen mit mehr benachteiligten SchülerInnen ist es eine große Herausforderung eine Lehr-Lern-Umgebung von hoher Qualität zu schaffen und somit vergleichbare Bedingungen zu ermöglichen wie an Schulen mit geringerer Belastung. Deswegen brauchen Schulen an ihre Rahmenbedingungen angepasste zusätzliche Ressourcen, mulitprofessionelle Teams, Fort- und Teambildung und pädagogische Freiheit, um den Schulalltag an den individuellen Voraussetzungen der SchülerInnen zu orientieren. Sie brauchen die Finanzierung auf Basis eines Chancen-Index. Das schafft vergleichbare Bedingungen und ermöglicht die Entwicklung einer Lehr-Lern-Umgebung von hoher Qualität für jede/n SchülerIn.
Modelle zum Ausgleich von Benachteiligung durch vermehrte Mittelzuteilung werden bereits unter anderem in mehreren Kantonen in der Schweiz, in einigen deutschen Bundesländern, in der mit Wien vergleichbaren Stadt Hamburg, in Belgien und seit mehr als 25 Jahren in den Niederlanden mit Erfolg praktiziert. Auch die OECD empfiehlt die Umstellung auf eine indexbasierte Mittelverteilung als eine Maßnahme zur Reduktion von sozialen Benachteiligungen.
Ein neues Modell der Schulfinanzierung
Das österreichische Schulsystem zeichnet sich durch eine föderale Grundstruktur, unterschiedliche Finanzierungssysteme (BundeslehreInnen, LandeslehrerInnen) und einen großen strukturellen Unterschied zwischen ländlichen (Herausforderung strukturschwächere Gebiete) und städtischen (soziale Herausforderung) Gebieten aus. Zurzeit ist es nicht nachvollziehbar wie und nach welchen Kriterien Mittel verteilt werden. Es besteht keine Vorgabe wie viele Mittel ein Standort mit geringer Benachteiligung braucht, um den Unterricht zu gestalten. Ebenfalls fehlt es an Informationen darüber, was Schulen mit hoher Benachteiligung benötigen. Kurzum: Es fehlt eine aufgabenorientierte Finanzierung. Unter diesen Bedingungen muss ein Modell entwickelt werden, dass im Vergleich zum bestehenden System keinen Standort benachteiligt und Schulen mit großen Herausforderungen die entsprechenden zusätzlichen Ressourcen zukommen lässt. Dies bedarf einer gerechten Basisfinanzierung und zusätzlicher Mittel, die auf Grundlage des Chancen-Index an die Standorte verteilt werden. Dieses System wäre transparent und nachvollziehbar.