Immer mehr Menschen in Österreich sind auf hochwertige professionelle Pflege und Betreuung angewiesen. Heute beziehen rund 461.000 Menschen in Österreich Pflegegeld, bis 2050 wird laut WIFO ein Anstieg auf 750.000 erwartet. Viele davon werden vermutlich auch in Zukunft die wertvolle Arbeit von Pflege- und Betreuungskräften in Anspruch nehmen. Bis 2050 werden daher Schätzungen von Versicherungsträgern zufolge rund 40.000 zusätzliche Pflegekräfte benötigt. In der derzeit laufenden Diskussion zur Attraktivierung der Pflegeberufe braucht es daher mehr denn je Rahmenbedingungen, die Menschen für diesen Beruf begeistern und langfristig gesund im Arbeitsfeld Langzeitpflege halten.
Arbeit zwischen Sinnstiftung und Überlastung
Beschäftigte in der Langzeitpflege erleben ihren Beruf sehr ambivalent. Sie erleben einen täglichen Spagat zwischen Sinnstiftung und Überlastung. Vier von fünf Pflegekräften sind laut Arbeitsklima-Index der Überzeugung, in ihrem Beruf Sinnvolles zu tun. Gleichzeitig ist die Arbeit aber für viele physisch und psychisch stark beanspruchend. Sechs von zehn Beschäftigten tun sich z. B. schwer, nach der Arbeit abzuschalten. Ein Verbleib im Beruf bis zur Pension scheint unter den heutigen Voraussetzungen für viele kaum möglich. Laut einer aktuellen Nordcare-Erhebung schildern 46% der Pflegekräfte im Heim, dass sie in den letzten Jahren eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen verspüren. Als Grund nennen viele erhöhte Anforderungen, Personal- und Zeitmangel.
Aktuelle Studie zeigt – steigende Anforderungen kaum abgebildet
Während die Anforderungen in den österreichischen Alten- und Pflegeheimen einem massiven Wandel unterworfen sind, wurden die gesetzlichen Rahmenbedingungen, wie z. B. die Vorgaben zur Personalbemessung, kaum an die Notwendigkeiten angepasst, zeigte bereits eine Studie der AK OÖ aus dem Jahr 2016. Eine erst kürzlich präsentierte Studie im Auftrag der Bundesarbeitskammer, erstellt von Jürgen Glaser, Christian Seubert und Matea Prskalo von der Universität Innsbruck, bestätigt: Es braucht dringend zeitgemäße und transparente Personalberechnungsmethoden für die Langzeitpflege.
Für die Studie wurden 18 Altenheime aus allen Bundesländern ausgewählt, die im Zeitraum Dezember 2016 bis Februar 2018 Einblicke in ihren Arbeitsalltag ermöglichten. Es erfolgte eine fundierte arbeitspsychologische Analyse und Bewertung der Tätigkeitsprofile der verschiedenen Berufsgruppen in der stationären Langzeitpflege, die bei der Konzeption einer zeitgemäßen Personalberechnungsmethode berücksichtigt werden sollten.
Menschsein als Nebenschauplatz in der Arbeitswelt
Der zwischenmenschliche Aspekt der Pflege und Betreuung ist häufig nicht in den Personalvorgaben abgebildet. Die rechtlichen Grundlagen sind häufig an die Pflegegeldeinstufung gekoppelt, die die medizinische Pflege im Fokus hat und lediglich einen Schutz vor Verwahrlosung bieten soll. Nähe, Zuwendung und Beziehungspflege spielen in den Vorgaben aus den 1990er-Jahren kaum eine Rolle. Die Folgen sind unattraktive Arbeitsplätze, für die es immer schwieriger wird, qualifizierte Interessentinnen bzw. Interessenten zu finden, und Menschen mit Pflegebedarf, die nicht jene professionelle und menschliche Zuwendung erhalten, die sie brauchen.
Zu wenig Zeit für persönliche Betreuung
Die Zeit für emotionale Zuwendung, das persönliche Gespräch oder die Begleitung im Alltag ist viel zu knapp. Im Schnitt können Pflegekräfte nur 10% ihrer Arbeitszeit für Betreuung aufwenden, bei den Fachsozialbetreuern/-innen ist dieser Anteil etwas höher. Der Zeitmangel macht den Pflegenden Stress, denn sie haben das Gefühl, den Bewohnern/-innen nicht das geben zu können, was diese dringend brauchen: Zeit und Zuwendung.