Alle BürgerInnen sollen den gleichen Zugang zu den Leistungen der öffentlichen Hand – wie etwa zu Pflege und Betreuungsangeboten haben. Das ist ein wesentliches Ziel inklusiver Sozialpolitik. Interne Analysen der KundInnen des Fonds Soziales Wien (FSW) haben aber gezeigt, dass bestimmte Gruppen von WienerInnen mit ausländischer Herkunft die Pflege- und Betreuungsleistungen der Stadt unterdurchschnittlich oft in Anspruch nehmen. Aufgrund dieser Erkenntnis wurden im Rahmen einer aktuellen Studie MigrantInnen zu ihrem Informationsstand, Einstellungen zum Älterwerden und ihren Erwartungen an die Pflege- und Betreuungsangebote befragt. Die Studienergebnisse bestätigen inklusive Ansätze in der Pflege- und Betreuungspolitik und zeigen zudem Handlungsoptionen auf.
Nutzung von Informationsmöglichkeiten zu Pflege und Betreuung
Ein zentraler Anspruch im Rahmen der Studie war es, nicht nur über die betroffenen Menschen zu reden, sondern diese selbst zu Wort kommen und ihre Erwartungen an das System der Pflege und Betreuung formulieren zu lassen. Deshalb wurden von Prof. Reinprecht (Institut für Soziologie, Universität Wien) und seinem Team 429 WienerInnen, die ursprünglich aus der Türkei, dem Iran, Bosnien, Serbien und Polen kommen, interviewt. Die unterschiedlichen Erwartungen wurden nicht nur nach dem Herkunftsland, sondern unter anderem auch nach dem Milieu der Befragten analysiert, das in den Ergebnissen häufig einen stärkeren Einfluss als das Herkunftsland zeigt.
Nur 21% der befragten MigrantInnen haben sich bereits über Pflege und Betreuungsangebote informiert. Als Informationsquellen wurden von 49% die Familie oder Verwandte genannt, fast genauso wichtig sind FreundInnen oder Bekannte (48%), HausärztInnen (43%) oder Einrichtungen der Stadt Wien (34%). Im Bereich Pflege und Betreuung werden Beratungsstellen für MigrantInnen (16%) und „ethnische“ Vereine (6%) eher selten als Informationsquelle genutzt. Auffällig ist, dass 27% der Personen, die sich noch nicht informiert haben auch nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen.
Universelle Werte und Pflegeeinrichtungen, die für alle offen sind
Die Erwartungen der befragten MigrantInnen an die Pflegekräfte orientieren sich stark an universellen Werten wie Respekt (96%) und Verständnis (90%). Das gleiche Geschlecht ist für 46% der Befragten wichtig (für 15% der befragten Männer und für 71% der befragten Frauen), eine muttersprachliche Betreuung für 47%, dass die Pflegekraft der gleichen Volksgruppe angehört hat jedoch weniger Bedeutung (26%). Die drei letztgenannten Punkte können als Schwerpunkt „Identität“ zusammengefasst werden. Es fällt auf, dass diese „Identität“ für die befragten Frauen deutlich wichtiger (51% Zustimmung) als für die Männer (22%) ist.
Befragt nach der bevorzugten Wohnform im Falle einer Pflegebedürftigkeit dominiert der Wunsch nach einem Verbleib in der eigenen Wohnung mit einer Betreuung durch mobile Dienste. Für rund ein Drittel käme auch eine stationäre Einrichtung in Frage. Die Mehrheit der Befragten bevorzugt dabei Einrichtungen, die für Menschen jeder Herkunft offen sind und die gruppenspezifische Vergemeinschaftungen zulassen, wie etwa bestimmte kulturspezifische Angebote oder die Möglichkeit mit anderen Landsleuten zusammen sein zu können. Damit werden inklusive Ansätze in der Pflege- und Betreuungspolitik ggü. spezifischen Angeboten für bestimmte Gruppen bestätigt. Zudem zeigen die Studienergebnisse, dass Wohlbefinden (95%) und Geselligkeit (82%) für die Befragten stärker ausschlaggebende Kriterien für eine attraktive Pflegeeinrichtung sind, als etwa der Wunsch nach Gemeinschaft mit Landsleuten und muttersprachlicher Unterhaltung (59%) oder eine Ausstattung mit Gebetsräumen und Rücksichtnahme auf religiöse Bedürfnisse (46%). Die Ergebnisse variieren jedoch nach Herkunftsländern: