Das Gesundheitssystem ist ein bedeutendes Wirtschaftssegment. Den seit zehn Jahren stabilen Kosten von rund zehn Prozent des BIP stehen sinkende Einnahmen gegenüber. Die große und weiter steigende Zahl der Arbeitslosen wird das Finanzierungsproblem verschärfen. Aber anstatt nach neuen Einnahmequellen zu suchen und/oder die „Finanzierung aus einer Hand“ anzustreben, wird von der Politik der Sparstift angesetzt – und das noch dazu am falschen Ende und mit industriellem Denken.
Suggerierte Qualität
Fast jede/r von uns kennt die Bilanzzahlen seines Arbeitgebers. Es wird gemessen und dokumentiert, es werden Leitlinien und Pläne erstellt. Wenn alle vorgegebenen Kriterien erfüllt sind, wird neben Effizienz auch Qualität suggeriert. Allein, es bleibt bei all diesen Vorgaben oft zu wenig Zeit: Wir sollen schneller reden, zuhören und handeln. Gleichzeitig aber sollen wir gute Medizin und Pflege gewährleisten.
Gute Medizin und Pflege
Echte Qualität bedeutet, dass wir die Pflege an die jeweilige Situation anpassen. Gute Pflege und Medizin kann nicht funktionieren, ohne dass die Pflegenden selbst Verantwortung übernehmen. Einfühlungsvermögen und zwischenmenschlicher Kontakt sind einfach nicht messbar, umso effektiver aber sind sie. Wir wollen die Freiheit haben, selbst zu entscheiden, wo und wann Zeit investiert wird. Der Dialog zwischen den verschiedenen Berufsgruppen kann nicht durch „Dokus“ ersetzt werden. Schließlich haben wir es nicht mit souveränen KundInnen, sondern mit hilfesuchenden Menschen zu tun.
Sparen am falschen Ende
Die Arbeit an den Kranken billiger zu machen, wie es in der aktuellen Gesetzesnovelle festgeschrieben ist, ist kein guter Weg. Allen kritischen bis ablehnenden Stellungnahmen der Gewerkschaften, der Arbeiterkammer, der Ärztekammer oder auch privater Gesundheitsdienstleister zum Trotz wurde das „Personalkostendämpfungsprogramm“ im Sommer beschlossen. Da wird am falschen Ende gespart. Es führt schlichtweg kein Weg daran vorbei, Pflegefachkräfte in ausreichender Anzahl zur Verfügung zu stellen. Dies macht einerseits die demografische Entwicklung notwendig, andererseits nehmen chronische Krankheiten und Mehrfacherkrankungen insbesondere bei älteren PatientInnen zu. Dazu kommt, dass Pflegekräfte bislang ärztliche Tätigkeiten übernehmen müssen.
In Österreich geht die Politik einen anderen Weg: In keinem anderen Land der Welt ist die Pflege dreigeteilt, doch genau da steuert das Gesundheitssystem hin. Ab 2024 wird die Ausbildung der Fachpflege an der Fachhochschule stattfinden. Das ist gut. Die neue Pflegefachassistenz steht nach zweijähriger Ausbildung ab 2018 zur Verfügung. Sie soll nach dem Willen der Politik die Mehrheit der Pflegedienstposten besetzen. Parallel dazu wird es weiterhin die einjährig ausgebildete Pflegeassistenz geben. Zu befürchten ist, dass es zu einem Verdrängungseffekt kommen wird: MitarbeiterInnen mit niedrigem Qualifikationsgrad sind billiger, in der Ausbildung und in der Arbeit.
Wirtschaftlicher Sachverstand
Gute Personalausstattung zu ignorieren und somit schlechte Arbeitsbedingungen und Überlastung auf allen Ausbildungsebenen in Kauf zu nehmen, kann dazu führen, dass sich immer weniger ÄrztInnen und PflegeexpertInnen für eine Tätigkeit in derart belasteten Einrichtungen bereitfinden. Die Politik hat die Verantwortung für die Rahmenbedingungen. Ökonomie kann uns helfen. Sie kann gute Pflege und Medizin ermöglichen, ohne beidem die Richtung vorzugeben. Wir brauchen einen vernünftigen Einsatz der Steuergelder, also wirtschaftlichen Sachverstand. In der Rechnung müssen nicht messbare Kriterien berücksichtigt werden, weil es nicht genügt, das Notwendige zu tun.
Kürzungen, Einsparungen und Qualitätsverluste können unsere Gesundheit gefährden – die von MitarbeiterInnen und PatientInnen.
Der Beitrag ist als Kommentar in Arbeit&Wirtschaft 8/2016 erschienen. Schwerpunktthema der Ausgabe ist Pflege und Gesundheit.
www.arbeit-wirtschaft.at