Österreich bei BIP und real verfügbarem Einkommen pro Kopf in der EU-Spitzengruppe

25. Juli 2017

[Hinweis: am 23.7.2020 wurde eine aktualisierte Version veröffentlicht]

Österreichs Wirtschaftsleistung je EinwohnerIn übertraf 2016 mit 36.700 Euro den EU-Durchschnitt um 26 Prozent und erreichte den vierthöchsten Wert der EU. Dies belegt einmal mehr die Qualität des heimischen Wirtschaftsstandorts. Für die Messung des Wohlstands müssen zusätzlich andere Indikatoren herangezogen werden, etwa das verfügbare Einkommen in der Mitte der Haushalte. Auch hier liegen die Wohlfahrtsstaaten Österreich und Schweden an der Spitze der EU. Um diesen hohen Wohlstand auch in Zukunft gewährleisten zu können, sind weitere Anstrengungen geboten: Eine die Innovation, Infrastruktur und gesamtwirtschaftliche Nachfrage fördernde Wirtschaftspolitik genauso wie Verbesserungen im Sozialstaat statt radikaler Abgabensenkung sowie mehr Augenmerk auf die Verteilung des Wohlstandes.

Österreichs Wirtschaftsleistung an vierter Stelle der EU-28

Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf zu Kaufkraftstandards wird als gebräuchlichster Indikator für den Vergleich der Wirtschaftsleistung eines Landes verwendet. Für Österreich betrug es 2016 36.700 Euro – nach Luxemburg, Irland und den Niederlanden der vierthöchste Wert in der EU. Knapp dahinter folgen Dänemark, Schweden und Deutschland. Einmal mehr zeigen die Produktionsdaten, dass dem notorischen Jammern über den heimischen Wirtschaftsstandort die sachliche Fundierung fehlt. Es basiert entweder auf Unkenntnis der Fakten oder folgt rein interessenpolitischen Zwecken.

Die Entwicklung des BIP pro Kopf seit Beginn der von Banken und Finanzmärkten ausgelösten Wirtschaftskrise zeigt die günstige Entwicklung der Wirtschaftsleistung in den Wohlfahrtsstaaten Österreich und Schweden. Deutschland holt auf, auch weil in den letzten Jahren die Löhne endlich wieder steigen. Das ist erfreulich, da es ebenso eine Ausweitung der Nachfrage bei unserem wichtigsten Handelspartner bedeutet. Hingegen gibt der anhaltende Niedergang der italienischen Wirtschaft Anlass zur Sorge und der Wirtschaftseinbruch in Griechenland bringt das Scheitern der griechischen und der europäischen Krisenpolitik drastisch zum Ausdruck.

BIP: ein eingeschränkt brauchbares Wohlstandsmaß

Das Bruttoinlandsprodukt stellt ein nur eingeschränkt brauchbares Maß als Wohlstandsindikator dar: Es berücksichtigt nicht wie viel Arbeitszeit für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen aufgewendet werden muss; es erfasst Qualitätsänderungen zu wenig; es bewertet die immer wichtiger werdenden sozialen Dienstleistungen nur nach den bei ihrer Herstellung entstehenden Kosten und nicht nach ihrem Nutzen für die Gesellschaft; es negiert wichtige Bestandsgrößen wie Vermögen, Ressourcen und Wissen; es berücksichtigt den mit der Produktion verbundenen Material- und Ressourcenverbrauch nicht; es spiegelt die Verteilung von Einkommen und Vermögen nicht wieder und ist zu stark auf die Messung von Produktion zu den auf den Märkten erzielten Preisen und zu wenig auf die tatsächlichen Konsummöglichkeiten ausgerichtet.

Verfügbares Einkommen in der Mitte der Haushalte: Österreich und Schweden brillieren

Deshalb ist es notwendig, auch andere Indikatoren zur Wohlstandsmessung heranzuziehen. Einen gut geeigneten Indikator zur Bewertung des materiellen Lebensstandards bildet das real verfügbare Einkommen eines Haushalts in der Mitte der Gesellschaft (Medianes Äquivalenzgesamtnettoeinkommen zu Kaufkraftstandards). Es zeigt das verfügbare Einkommen nach Abzug der Abgaben und Hinzurechnung von Transfers und sozialen Dienstleistungen für einen Haushalt in der Mitte der Verteilung auf Basis der EU-Haushaltsbefragung SILC.

Österreich wies 2015 mit 22.989 Euro nach Luxemburg und knapp vor Schweden den zweithöchsten Wert der EU auf. Luxemburg bildet einen Sonderfall, weil es sich um eine Stadt mit Umland handelt (so als würde man Wien samt Speckgürtel international vergleichen) und zudem seit LuxLeaks berechtigte Zweifel an der Seriosität von Teilen der Luxemburgischen wirtschaftlichen Tätigkeit bestehen. Abstrahiert man von diesem Sonderfall, dann wiesen die Wohlfahrtsstaaten Österreich und Schweden den höchsten materiellen Lebensstandard in der Mitte der Haushalte auf.

Auch seit Beginn der Finanzkrise entwickelt sich das verfügbare Einkommen in der Mitte der Gesellschaft besser als im EU-Durchschnitt – Österreich kann seine Spitzenposition weiter ausbauen. Das ist auch auf die im EU-Vergleich ausgewogenere Form der Budgetkonsolidierung zurückzuführen. Mit der umfangreichen Senkung der Lohn- und Einkommensteuer 2016, dem kräftigen Beschäftigungswachstum und den bemerkenswerten Exporterfolgen bzw. dem kräftigen Konjunkturaufschwung sollte sich der materielle Lebensstandard der Haushalte weiterhin überdurchschnittlich gut entwickeln.

Wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen

·         In der Wirtschaftsleistung pro Kopf kommen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eines Landes zum Ausdruck: Für hochentwickelte Volkswirtschaften wie die österreichische spielen das Bildungs-, Forschungs- und Innovationssystem, die wirtschaftliche und soziale Infrastruktur, das Institutionensystem und die Steuerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage eine entscheidende Rolle. All diese Faktoren gilt es von hohem Niveau aus weiterzuentwickeln.

·         Die Lebensbedingungen in der Mitte der Gesellschaft spielen eine wichtige Rolle in der Messung des wirtschaftlichen Wohlstands. Sie werden auch von den sozialen Transfers und sozialen Dienstleistungen des Wohlfahrtsstaates entscheidend geprägt. Radikale Steuersenkungen drohen die wirtschaftliche und soziale Stellung der breiten Masse der Haushalte zu gefährden.

·         Österreich gehört zu den wirtschaftlich und sozial erfolgreichsten Ländern der EU und der Welt. Die Verteilung von Einkommen und Vermögen erfordert höheres Augenmerk der Politik: Eine hohe Konzentration der Vermögen, rasch zunehmende Erbvolumina, die auf eine kleine Schicht vom Schicksal Begünstigter entfallen und steigende Kapitaleinkommen drohen die Gesellschaft zu destabilisieren, die Wirtschaft zu versteinern und die soziale Mobilität einzuschränken.