Quelle: Eurostat. (Der Indikator misst das verfügbare Einkommen pro Kopf unter Berücksichtigung öffentlicher Leistungen, der Haushaltsgröße und der nationalen Kaufkraft) © A&W Blog
Quelle: Eurostat. (Der Indikator misst das verfügbare Einkommen pro Kopf unter Berücksichtigung öffentlicher Leistungen, der Haushaltsgröße und der Kaufkraftunterschiede zwischen den Ländern.)In der Verteilung der Vermögen weisen beide Länder relativ hohe Konzentration auf, das oberste Zehntel der Haushalte besitzt über 60% des Privatvermögens. Der Gini-Koeffizient der Ungleichheit der Verteilung der verfügbaren Haushaltseinkommen liegt in Schweden (2014: 0,254) und Österreich (2015: 0,272) merklich unter dem EU-Durchschnitt (2014: 0,309). In beiden Ländern hat die Ungleichheit der Einkommensverteilung über einen längeren Zeitraum hinweg allerdings zugenommen.
In Schweden hat das wesentlich mit der Politik der konservativen Regierung (2006-2014) in Form von Steuersenkungen auf Einkommen und Vermögen und Transferkürzungen im Sozialbereich zu tun.
In Österreich prägt vor allem die starke Zunahme prekärer Beschäftigung (Teilzeit mit wenigen Stunden, unterbrochene Erwerbskarrieren ua) die zunehmende Ungleichheit in der Verteilung der Einkommen; die Umverteilungswirkung des Sozialstaates ist weiterhin kräftig, kann die zunehmende Ungleichheit in der Primärverteilung aber weniger ausgleichen.
Wohnpolitik in Schweden kein Vorbild
In Schweden folgten in den letzten Jahrzehnten kräftigen Boomphasen regelmäßig tiefe Rezessionen. Diese hohe Volatilität der Konjunktur war vor allem durch die starken Schwankungen der Immobilienpreise bestimmt. Ein Mix aus starkem Bevölkerungswachstum, zu geringem öffentlichen Wohnbau, steuerlicher Begünstigung von Privatverschuldung, ungenügend reguliertem Finanzsektor und niedrigen Zinssätzen führte zu kräftiger kreditfinanzierter Nachfrage nach Häusern und Wohnungen und steigenden Immobilienpreisen. Dies machte leistbares Wohnen für die Mittelschicht oft zur Illusion und sobald die Immobilienblase platzte, drohte Ungemach für den Bankensektor, die Staatsfinanzen und die Konjunktur.
Die Anzeichen eines überhitzten Immobilienmarktes sind auch heute unübersehbar: Die Haus- und Wohnungspreise haben sich seit 2000 verdoppelt, die Verschuldung der privaten Haushalte beträgt bereits 180% des verfügbaren Einkommens, in Österreich liegt sie halb so hoch. Der verschuldungsfinanzierte Bauboom treibt das Wirtschaftswachstums 2015/16 auf real 3-4%, ob das nachhaltig ist, bleibt abzuwarten.
Österreichs Wohnungsmarkt ist durch sozialen Wohnbau und Mietenregulierung viel stabiler, wenn es auch in den Ballungsräumen, vor allem in Wien, über mehrere Jahre versäumt wurde, die Neubauleistung geförderter Wohnungen den Anforderungen der rasch wachsenden Bevölkerung anzupassen. Deshalb ist in manchen Segmenten des Immobilienmarktes auch bei uns eine Blase entstanden und die Immobilienpreise sind in den letzten Jahren rascher gestiegen als gesund.
Schwedischer Sozialstaat: In Teilen nach wie vor Vorbild
Das umfassende Angebot an sozialen Dienstleistungen macht den nordischen Wohlfahrtsstaat einzigartig. Bei ähnlich hohen Gesamtkosten der Familienförderung gehen in Schweden die Hälfte der Mittel in Sachleistungen wie Krippen und Kindergärten; in Österreich ist das nur ein Fünftel. Für Pflege gibt Schweden in Relation zum BIP drei Mal so viel aus wie Österreich, ausschließlich in Form von Sachleistungen wie Heimhilfen oder Pflegeheime.
Die Vollversorgung mit sozialen Sachleistungen schützt in besonderem Ausmaß die Menschen in den Phasen am Beginn und Ende des Lebens, bringt echte Wahlfreiheit für die betreuenden Personen, investiert umfassend zugunsten von Frauen und erfüllt das Prinzip der Gleichheit. Hier kann in Österreich noch viel verbessert werden. Hingegen steht das heimische Gesundheitssystem heute in Umfang und Qualität der Leistungen besser da als das schwedische, einzig bei der Vorsorge haben die Schweden die Nase vorne.
Kein Vorbild ist auch das schwedische Bildungssystem: Die konservative Regierung hat in Schweden nicht nur Steuern gesenkt und Sozialtransfers gekürzt, sondern auch das Schulsystem privaten Anbietern geöffnet. Das sollte die Wahlfreiheit der Eltern erhöhen, mündete aber in hohen Gewinnen privater Schulbetreiber und schlechten PISA-Ergebnissen.
Gemeinsam aktiver in der EU?
Schweden und Österreich liegen bei nahezu allen Wohlstandsindikatoren besser als der Rest der EU. Sie könnten gemeinsam ein Vorbild für die anderen Länder bilden.
Doch die Bereitschaft zu einer Führungsrolle in der EU ist in Stockholm wie Wien gering ausgeprägt. Dies hat auch damit zu tun, dass die Brüsseler Vorstellungen zu Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie ArbeitnehmerInnenrechten oft in Konflikt mit den Errungenschaften der nationalen Wohlfahrtsstaaten geraten. Doch auf der anderen Seite ist auch die Vorstellung irreführend, man könne den Sozialstaat langfristig ausschließlich mit nationalstaatlichen Instrumenten bewahren. Wer den Sozialstaat sichern und ausbauen will, der muss ihn mit einer aktiven Sozial-, Beschäftigungs- und Verteilungspolitik auf europäischer Ebene absichern.
Deshalb besteht dringender Bedarf in der Europäischen Union, dem dominanten neoliberalen Projekt ein progressives soziales Projekt entgegenzustellen. Der schwedische Regierungschef Stefan Löfven stellt Fragen der Verteilung und Beschäftigung in den Mittelpunkt seiner europäischen Politik und hat für 2017 einen Gipfel der EU-Regierungschefs zu einem sozialen Europa angekündigt.