Jugendarbeitslosigkeit in der Corona-Pandemie in der EU

19. Oktober 2021

Die Corona-Krise hatte weitreichende Folgen für Jugendliche: Innerhalb von einem Jahr stieg die Jugendarbeitslosigkeit in den EU-27 um 600.000. Junge Frauen, Menschen aus Nicht-EU-Staaten und wenig ausgebildete Jugendliche hatten ein erhöhtes Arbeitslosigkeitsrisiko. Die Länderunterschiede in der EU zeigen, dass Investitionen in das Bildungssystem und in die Arbeitsmarktpolitik sowie die duale Lehrausbildung Jugendliche in Wirtschaftskrisen eher schützen. Es braucht eine Jobgarantie für Jugendliche, um Jugendarbeitslosigkeit in der EU zu bekämpfen – dies würde auch gesamtgesellschaftlich viele positive Effekte bringen.

Seit Ausbruch der COVID-19-Krise stieg die Jugendarbeitslosigkeit in den EU-27 von 2,7 Millionen Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren auf 3,3 Millionen um rund 600.000 innerhalb von einem Jahr. Dabei zeigen sich große Unterschiede im Hinblick auf den Anstieg der Arbeitslosenquote: Griechenland hatte bereits vor der Pandemie eine sehr hohe Jugendarbeitslosenquote mit 34,4 Prozent. Zwischen 1. Quartal 2020 und 2021 stieg diese auf 43,3 Prozent an. In Spanien stieg die Jugendarbeitslosenquote ebenfalls deutlich von 33 Prozent auf 39,5 Prozent. Die niedrigste Jugendarbeitslosenquote hatte im 1. Quartal 2021 Deutschland mit 8,3 Prozent. Malta war sogar in der Lage, die Jugendarbeitslosenquote in diesem Zeitraum um 0,7 Prozentpunkte zu verringern. In Österreich stieg die Jugendarbeitslosenquote von 9,9 Prozent auf 13,3 Prozent (+3,4 Prozentpunkte), womit Österreich nur mehr die sechstniedrigste Quote in der EU hat.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Niedrige Investitionen in Bildung & Arbeitsmarktpolitik

In Ländern, die bereits vor der COVID-Pandemie eine hohe Jugendarbeitslosigkeit hatten, verstärkte sich diese noch weiter – hierfür gilt etwa Griechenland als Paradebeispiel, das auch insgesamt die höchste Jugendarbeitslosigkeitsquote in den EU-27 hatte. Neben der schlechten Ausgangslage ist Griechenland nicht in der Lage, durch verstärkte Investitionen in das Bildungssystem oder in die aktive Arbeitsmarktpolitik (AAMP) Alternativen für Jugendliche zu eröffnen. Hintergrund ist die verfehlte Austeritätspolitik in der Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008. Die überzogene, auferlegte Konsolidierung in Griechenland war nicht nur ökonomisch unvernünftig, sondern hat auch die Spielräume für eine Weiterentwicklung des Sozialstaates und für bessere institutionelle Rahmenbedingungen, die Jugendliche in Wirtschaftskrisen schützen können, geraubt. Diese Ausgangslage, gepaart mit einer hohen Bedeutung des Tourismus für Beschäftigung in Griechenland und einer tiefen Rezession (BIP-Rückgang 2020: -8,2 Prozent), hat dazu geführt, dass die Jugendarbeitslosenquote so dramatisch angestiegen ist.

Stark dualisierte Arbeitsmärkte anfälliger

Südliche Länder wie Spanien, Italien und Portugal, die ebenfalls hohe Anstiege der Jugendarbeitslosigkeit zu verzeichnen hatten, weisen eine weitere Besonderheit auf, die sich für Jugendliche am Arbeitsmarkt negativ auswirken können – hier besteht eine große Divergenz zwischen Arbeitnehmer*innen mit gutem Kündigungsschutz auf der einen Seite und Arbeitnehmer*innen in befristeten Arbeitsverhältnissen auf der anderen Seite, wobei sich hier viele Jugendliche bzw. junge Erwachsene finden (Insider-Outsider-Situation). In diesen Ländern liegt der Anteil der befristeten Verträge bei über 60 Prozent, was bedeutet, dass der übliche Arbeitsmarkteinstieg für Jugendliche über einen befristeten Vertrag abläuft. Diese werden in wirtschaftlichen Krisen meist nicht verlängert.

Duales Ausbildungssystem hilft

Bekannt ist auch, dass die duale Lehrausbildung dazu beiträgt, dass die Jugendarbeitslosigkeit vergleichsweise niedrig bleibt. In Deutschland machen rund 43 Prozent der Schüler*innen der Sekundarstufe II eine Lehre. Auch in Österreich (34 Prozent der Schüler*innen der Sekundarstufe II) – in geringerem Ausmaß in Frankreich und Malta – spielt die duale Ausbildung eine Rolle.

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Jugendarbeitslosigkeit bei den 14- bis 19-Jährigen stieg stark an

Im EU-Durchschnitt war sowohl vor der COVID-Krise als auch im 1. Quartal 2021 die Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen stärker betroffen als junge Erwachsene im Alter von 20 bis 24 Jahren. In Österreich ist dies umgekehrt – hier war die jüngere Gruppe einem geringeren Arbeitslosigkeitsrisiko ausgesetzt, vermutlich bietet ihnen die Ausbildung bis 18 in Österreich einen guten Schutz.

Frauen waren besonders stark betroffen

Junge Frauen waren von der COVID-19-Krise stärker betroffen als junge Männer. Während im 1. Quartal 2020 junge Frauen mit 14,7 Prozent noch eine niedrigere Arbeitslosenquote hatten als junge Männer mit 15,4 Prozent, beträgt im 1. Quartal 2021 die Jugendarbeitslosenquote bei Frauen 19,2 Prozent (+4,5 Prozentpunkte) und bei jungen Männern 18,3 Prozent (+2,9 Prozentpunkte). Hintergrund ist, dass die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie stark den Dienstleistungsbereich trafen, wo verstärkt Frauen tätig sind.

Nicht-EU-Staatsbürger*innen: jede*r Dritte arbeitslos

Zudem traf es Jugendliche mit ausländischer Staatsbürgerschaft. Die Arbeitslosenquote stieg hier von 21, 9 Prozent auf 28,7 Prozent (+6,8 Prozentpunkte). Das Arbeitslosigkeitsrisiko von Jugendlichen mit Staatsbürgerschaft von außerhalb der EU war mit 26,4 Prozent bereits vor der COVID-19-Krise sehr hoch, stieg bis zum 1. Quartal 2021 auf 31,5 Prozent (+ 5,1 Prozentpunkte) an.

Bildung: Bekannte und neue Befunde

In Bezug auf die Bildung zeigt sich erneut der bekannte Befund, dass Jugendliche mit keinem oder nur mit geringem Bildungsabschluss einem hohen Arbeitslosigkeitsrisiko ausgesetzt sind. Durch die COVID-19-Krise stieg die Arbeitslosenquote bei Jugendlichen mit maximal Pflichtschulabschluss von 20,9 Prozent auf 25,2 Prozent (+4,3 Prozentpunkte). Aber die Krise hat zu einem Anstieg des Arbeitslosigkeitsrisikos bei allen Bildungsgruppen geführt. Relativ betrachtet stieg sie jedoch am stärksten bei Jugendlichen mit einem tertiären Bildungsabschluss.

Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen

Insgesamt können einige Schlussfolgerungen für die Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit gezogen werden, national sowie supranational:

  • Aktive Arbeitsmarktpolitik: Besonders in wirtschaftlichen Krisenzeiten muss der Staat aktiv sein und Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen bzw. Subventionen leisten, um vulnerable Gruppen besser zu unterstützen.
  • Investitionen in das Bildungssystem, um hier Ausweichmöglichkeiten zu schaffen und Jugendliche gut auszubilden.
  • Re-Regulierung von Arbeitsverhältnissen: Junge Menschen sollten die Möglichkeit auf gute und stabile Jobs auch am Beginn ihrer Erwerbskarriere bekommen.
  • Die Einführung bzw. Stärkung des dualen Ausbildungssystems: Sie wirkt senkend auf die Jugendarbeitslosigkeit.
  • Die EU-Job-Guarantee ist eine wichtige Strategie auf supranationaler Ebene, dennoch muss hier das derzeitige Budget von 22 Mrd. Euro massiv erhöht werden. Wichtig wären spezielle Förderprogramme für Frauen und Migrant*innen.
  • Jugendgarantien sollten breiter im Sinne einer Jobgarantie implementiert werden. Dies würde bedeuten, dass durch die Jugendgarantie ein Einstiegsarbeitsmarkt im öffentlichen oder gemeinnützigen Sektor geschaffen wird. Davon würden nicht nur die Jugendlichen profitieren, sondern die gesamte Gesellschaft, die die sozial und ökologisch sinnvollen Produkte bzw. Dienstleistungen, die in diesem Bereich entstehen, in Anspruch nehmen kann.

Eine umfassende Analyse zur Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit in der Corona-Krise erscheint demnächst im „Jahrbuch Ökonomie und Gesellschaft“.

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