Aktive Arbeitsmarktpolitik und Investitionen in das Bildungssystem schaffen Chancengleichheit

30. Juni 2015

Im siebten Jahr der Finanz- und Wirtschaftskrise bleibt die Arbeitslosigkeit generell, aber im speziellen die Jugendarbeitslosigkeit die zentrale Herausforderung der Gesellschaft. Eine aktuelle Studie schätzt für die einzelnen Bundesländer in Österreich das Problemausmaß an Jugendlichen, die weder in Beschäftigung, in Ausbildung noch in Schulung (NEET) sind und zeigt Handlungsoptionen auf.

 

Aufgrund der begrenzten Aussagekraft der Jugendarbeitslosenquote fokussieren die nationale bzw. internationale Arbeitsmarktforschung und politische EntscheidungsträgerInnen auf den NEET-Indikator (NEET steht für not in employment, education or training) als Ergänzung zur Jugendarbeitslosenquote. Es wird angenommen, dass der NEET-Indikator das Ausgrenzungsrisiko von Jugendlichen besser erfasst als die Jugendarbeitslosenquote (zur Aussagekraft des Indikators siehe Tamesberger 2013).

Entwicklung der NEET-Rate

Zwischen 2006 und 2013 lag die NEET-Rate in Österreich bei durchschnittlich 7,4% bzw. waren rund 75.000 Jugendliche im Alter zwischen 15 und 24 Jahren von einem NEET-Status betroffen. Analog zu den ersten Berechnungen auf Bundesländerebene (Bacher et al (2013) ) zeigte sich auch in den aktuellen Analysen, dass sich die einzelnen Bundesländer in der Höhe ihrer NEET-Raten deutlich voneinander unterscheiden. Während in Salzburg im Beobachtungszeitraum die NEET-Rate lediglich 5,9% betrug, lag dieser Wert in Wien bei 10,9%. Darüber hinaus gestalteten sich auch die Entwicklungsverläufe der Bundesländer sehr unterschiedlich. Vorarlberg konnte seit 2008 die NEET-Rate kontinuierlich reduzieren, auch Salzburg verzeichnete zwischen 2006 und 2013 einen signifikanten Rückgang. Die NEET-Rate reduzierte sich in Vorarlberg von 9,2% im Jahr 2008 auf 7% im Jahr 2013. In Salzburg sank die NEET-Rate von 6,2 Prozent im Jahr 2006 auf 4,7 Prozent im Jahr 2013. Salzburg weist somit die niedrigste NEET-Rate in Österreich auf. In den restlichen Bundesländern schwankten die Raten zwischen den Jahren sehr stark, sodass kein allgemeiner Trend bestimmt werden kann. Die nachfolgende Abbildung zeigt die Entwicklung der NEET-Raten in den einzelnen Bundesländern über die Zeit hinweg.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Duale Lehrausbildung, positive Konjunktur und aktive Arbeitsmarktpolitik als Mittel zur Senkung der NEET-Rate

Die in der Untersuchung festgestellten Unterschiede konnten zu einem großen Teil auf die individuelle Sozialstruktur (Geschlecht, Alter, Einwohnerzahl, Geburtsland und Staatsbürgerschaft) der einzelnen Bundesländer zurückgeführt werden. Dennoch blieben auch unter Kontrolle der Sozialstruktur Unterschiede in den NEET-Raten bestehen. In einem nächsten Schritt wurde daher überprüft, inwiefern sich die von Bundesland zu Bundesland variierenden institutionellen und konjunkturellen Rahmenbedingungen auf die Höhe der NEET-Rate auswirken. Es zeigte sich, dass ein hoher Stellenwert der dualen Lehrausbildung, eine positive Konjunktur und hohe Ausgaben für die aktive Arbeitsmarktpolitik einen Beitrag zur Senkung der NEET-Rate leisten.

Von einem guten Konjunkturverlauf profitieren jedoch vor allem junge Männer. In der Gruppe der Frauen konnte eine positive wirtschaftliche Lage die NEET-Rate nicht in gleichem Ausmaß reduzieren. Dies kann einerseits dadurch erklärt werden, dass junge Männer vermehrt in konjunkturabhängigen Branchen tätig sind. Anderseits liegt bei jungen Frauen eine Nicht-Erwerbstätigkeit häufig in Betreuungsverpflichtungen gegenüber Kleinkinder begründet, sodass diese auch bei guter konjunktureller Entwicklung (freiwillig oder unfreiwillig) nicht in die Erwerbstätigkeit zurückkehren.

Gleichzeitig haben die in der Untersuchung berücksichtigten Strukturmerkmale auch einen unterschiedlich starken Effekt auf migrantische und nicht-migrantische Jugendliche aus. Ein hoher Stellenwert der Bildung und der aktiven Arbeitsmarktpolitik kann in der Gruppe der Jugendlichen, welche nicht in Österreich geborenen wurden, die NEET-Rate in stärkerem Ausmaß reduzieren als unter den autochthonen Jugendlichen. Dies kann dahingehend gedeutet werden, dass bei knappen Ressourcen im Bildungssystem oder in der aktiven Arbeitsmarktpolitik es nicht möglich ist, auf Problemlagen von Risikogruppen einzugehen. Verfügt man hingegen über ausreichend Mittel, so kommen diese vor allem Risikogruppen wie MigrantInnen zugute. Diese weisen häufig mehrere Risikofaktoren gleichzeitig auf und benötigen folglich zur Bewältigung der NEET-Situation verhältnismäßig mehr Ressourcen. Die nachfolgende Abbildung soll diesen Zusammenhang verdeutlichen.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Fazit und Handlungsempfehlungen

Um einer unfreiwilligen NEET-Situation junger Mütter entgegenzuwirken, scheint es dringend erforderlich, Kinderbetreuungsangebote und deren Öffnungszeiten auszuweiten, sodass auch junge Mütter die Chance haben, ins Berufsleben bzw. ins Bildungssystem zurückzukehren. Der Ausbau der Kinderbetreuungsangebote hat dabei mehrfach positive Wirkungen. Es verbessert sich nicht nur die Betreuungssituation und dringend notwendige Arbeitsplätze entstehen, sondern es rechnet sich auch fiskalisch (Pirklbauer).

Die Ergebnisse der Studie  zeigen deutlich, dass mehr Ressourcen für das Bildungssystem und die aktive Arbeitsmarktpolitik sowohl die NEET-Rate reduzieren als auch zu mehr Chancengleichheit zwischen österreichischen und migrantischen Jugendlichen beitragen.

Allgemein scheint es zur Senkung der NEET-Rate sinnvoll, dem Bildungssystem und der aktiven Arbeitsmarktpolitik mehr Ressourcen zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig Maßnahmen zur Belebung der Konjunktur zu setzen. Da sich die einzelnen Bundesländer in ihren strukturellen Gegebenheiten jedoch deutlich voneinander unterscheiden, ist es erforderlich, dass die Maßnahmen für jedes Bundesland speziell definiert werden. Für das Burgenland scheint es diesbezüglich zielführend, die Konjunktur zu beleben und die duale Lehrausbildung zu fördern. Oberösterreich verfügt hingegen bereits über eine relativ gute wirtschaftliche Lage, während für das allgemeine Bildungssystem verhältnismäßig wenig ausgegeben wird, sodass primär an dieser Stelle angesetzt werden sollte.