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Die meisten Jobs gingen im März und April verloren – vor allem im Tourismus (80.000 weniger als 2019), Bau (25.000 weniger), sonstige Dienstleistungen (insbesondere Arbeitskräfteüberlassung, -22.000, aber auch der Veranstaltungsbereich), Handel und Verkehr (jeweils etwa 13.000 weniger). Über 90 % des Beschäftigungsrückgangs im März gingen auf diese Branchen zurück, in denen nur 36 % der Beschäftigten arbeiteten. Bis auf die Bauwirtschaft sind die Zahlen in keiner dieser Branchen wieder auf Vorjahresniveau.
Die Arbeitslosenzahlen zeichnen ein noch düstereres Bild: Im August gab es 92.000 Arbeitslose mehr als im selben Monat 2019. Das bedeutet, dass noch immer mehr als die Hälfte der 225.000 Menschen, die im März und April arbeitslos geworden sind, keine Beschäftigung gefunden haben. Das ist ein sprunghafter Anstieg der Arbeitslosigkeit um 40 %. Bei den unter 25-Jährigen waren die Jobverluste in der Krise noch einmal höher, im Juli 2020 waren etwa doppelt so viele Junge arbeitslos als im Vorjahres-Juli, ein empfindlicher Unterschied zu den (auch viel zu hohen) plus 74 % Arbeitslosigkeit der 25 – 44-Jährigen und plus 52 % bei den über 45-Jährigen.
Frauenbranchen – Männerbranchen
Sowohl die Jobverluste als auch die Erholung sah für Frauen anders aus als für Männer. Vor der Krise gab es in Österreich etwas weniger weibliche als männliche Beschäftigte – 1,8 Millionen verglichen mit 2 Millionen. Während im Juli sogar 40.000 Männer mehr beschäftigt sind als noch im Feber, sind es bei den Frauen um 20.000 weniger. Die kurzfristige Erholung ist also männlich, wohingegen die mittelfristig anhaltenden Folgen vor allem Frauen betreffen. Im Vergleich mit dem Vorjahr sind die Zahlen aber etwa gleich, sowohl bei Männern als auch bei Frauen ist das Beschäftigungsniveau etwa um 2 % niedriger. Das liegt wohl daran, dass die Baubranche sowohl sehr saisonal als auch sehr männlich ist. Auch mit Blick auf die Arbeitslosenzahlen waren es bei Frauen wie Männern etwa 40 % mehr als im Vorjahr.
Die für beide Geschlechter sehr ähnlichen Beschäftigungseffekte beziehen sich aber weder auf die Arbeitsstunden noch auf die Lohnsummen, wo die Daten nicht monatlich verfügbar sind. Hier würde sich eine detailliertere Analyse mit Blick auf die sozialen Folgen lohnen.
Warum gehen Jobs verloren?
Es gibt unterschiedliche Gründe für den Arbeitsplätze-Abbau. In der ersten Corona-Phase waren es vor allem Firmen, die im Lockdown von Produktion und Verkauf nicht glaubten, überleben zu können, die das Kurzarbeits-Angebot nicht annahmen. Eine große Rolle spielten wohl auch „Saisonbranchen“, die den üblichen Kündigungstermin einfach vorzogen. Firmen stellen in der Regel Menschen an, weil deren Arbeit zu einem Betriebsüberschuss führt. Wenn das nicht mehr passiert, ist das wirtschaftliche Überleben des Unternehmens in Gefahr. Bei einzelnen, wenigen Arbeitgebern mag zu diesem Zeitpunkt aber auch die „Chance“, alte und für ArbeitnehmerInnen vorteilhafte Verträge auflösen zu können, eine Rolle gespielt haben.
In der zweiten Phase sind eher die Erwartungen an die gesamtwirtschaftliche Entwicklung wichtig. Die Weltwirtschaft befindet sich in einer substanziellen Krise, die Konjunktureinbrüche sind so groß wie seit den 1930er-Jahren nicht mehr. Das liegt vor allem an der weltweiten Pandemie, aber auch am Abschwung seit 2019. Die Industrieproduktion ist schon vor Corona zurückgegangen. Auch dass viele Menschen ihre Arbeitsplätze und damit teilweise große Teile ihres Einkommens verloren haben, wird sich negativ auf die Nachfrage auswirken. In anderen Worten: Auch wenn die Lockdown-Maßnahmen schrittweise zurückgenommen wurden, muss sich der Arbeitsmarkt nicht automatisch vollständig erholen.
Wege in die Krise
Eine automatische Erholung ist nicht zu erwarten, weil die Effekte auf die Binnennachfrage großteils noch ausstehen. Menschen, denen das Erwerbseinkommen wegfällt, können selbst auch weniger ausgeben, was in zweiten und dritten Runden zu weiteren Arbeitsplatzverlusten führt. Dass eine Erholung in weiten Teilen der Gastronomie- und Reisebranche einfach nicht möglich ist, solange die Pandemie nur beruhigt, aber nicht überwunden ist, macht die Sache noch schwieriger.
Noch gefährlicher für die Arbeitsmarktsituation sind aber die drohenden Unternehmensinsolvenzen im Herbst. Wo Firmen sich gar nicht mehr über Wasser halten können, gehen Arbeitsplätze dauerhaft verloren. Damit gehen auch die im Unternehmen erworbenen Qualifikationen verloren, den betroffenen ArbeitnehmerInnen droht eine längere Erwerbslosigkeit. Aber Unternehmen, die nicht mehr existieren, können auch nicht investieren und kaufen keine Vorprodukte zu, Effekte, die sich durch den ganzen Wirtschaftskreislauf fortpflanzen können.
Die verfügbaren Einkommen sind für die Nachfrage wirtschaftlich enorm wichtig, auf der individuellen Ebene sind aber die sozialen Fragen noch brennender. Bei einer Nettoersatzrate von 55 % im Arbeitslosengeld bedeutet der Jobverlust für viele ArbeitnehmerInnen einschneidende Verluste beim Lebensstandard. Für die meisten ist es bei solchen Einkommensverlusten nicht mit weniger oft auswärts Essengehen getan; da droht die Miete unleistbar zu werden. Wenn solche Effekte sich verfestigen, kann es zu Verdrängung und sozialen Abstiegen mit langen Nachfolgen kommen.
Wege aus der Krise
Österreich steckt offensichtlich in einer Gesundheitskrise, die enormes soziales und wirtschaftliches Sprengpotenzial hat. Die wichtigste Aufgabe ist es, eine soziale Krise zu verhindern. Dazu braucht es eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Der drohende Einkommensverlust kann durch eine Erhöhung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld abgefangen werden (die in Österreich mit 55 % weit unter dem europäischen Schnitt liegt). Aber darüber hinausgehend sind Maßnahmen wie Ausbildungsplätze für die besonders betroffenen Jungen und Beschäftigungsmaßnahmen für die besonders gefährdeten älteren Erwerbslosen schon erprobt und haben sich als wirksam erwiesen. Auch hier lohnt der Blick ins Detail der Branchen- und Geschlechterunterschiede am Arbeitsmarkt, um gezielte Maßnahmen zu entwerfen, die Frauen und NiedrigverdienerInnen jenseits der systemerhaltenden Berufe in den Fokus stellen – bei ihnen ist die soziale Gefährdung durch Jobverluste besonders hoch.
Auch eine Aufstockung der jetzt besonders essenziellen VermittlerInnen beim AMS, mehr Qualifizierungsplätze und Weiterbildungsförderung liegen auf der Hand. Ebenso über die Kurzarbeit hinausgehende Maßnahmen zur Arbeitszeitverkürzung.
Eine Wirtschaftspolitik, die bei den arbeitenden und arbeitslosen Menschen ansetzt, ist die logische Grundlage für eine wirksame staatliche Intervention auf der Marko-Ebene: Eine Investitionsoffensive in die soziale und ökologische Infrastruktur schwächt die Kriseneffekte bei der Nachfrage ab und erledigt in einem Aufwasch die wichtigen gesellschaftlichen Aufgaben, vor denen wir stehen.
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