Neue Chancen für Langzeitarbeitslose!

01. September 2020

Die Verfestigung von Arbeitslosigkeit ist zu einem zunehmenden Problem am österreichischen Arbeitsmarkt geworden, für das es einer Lösung bedarf. Ausbau und Adaption von sozialökonomischen Beschäftigungsprojekten und deren Weiterentwicklung zu einer Jobgarantie sind eine mögliche Antwort! Ein Paradigmenwechsel in der öffentlichen Beschäftigungsförderung hin zu sozialer Teilhabe ist dringend notwendig. Deutschland kann dabei als Vorbild dienen.

Corona-Krise verstärkt Langzeitarbeitslosigkeit

Bereits vor der COVID-19-Pandemie war die Langzeitarbeitslosigkeit in Österreich inakzeptabel hoch, die Corona-Krise hat dieses Problem allerdings noch weiter verschärft. Aktuell (Stand Juli 2020) sind ca. 119.000 Personen beim AMS als langzeitbeschäftigungslos gemeldet (d. h. sie waren über ein Jahr beim AMS als arbeitslos, in Schulung oder auf Lehrstellensuche vorgemerkt, und es liegen keine Unterbrechungen von mehr als 62 Tagen vor). Im Juli des Vorjahres waren es rund 96.000 Personen, um 23.000 bzw. 24 Prozent weniger. Ältere Personen sind besonders hart von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen, so finden Personen ab 50 Jahren kaum wieder eine neue Arbeitsstelle, wenn sie einmal arbeitslos geworden sind.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Es ist zu erwarten, dass die Langzeitarbeitslosigkeit in den nächsten Monaten noch weiter zunimmt, denn Personen, die mit Ausbruch der COVID-19-Pandemie im März ihren Job verloren haben, sind in der Statistik noch gar nicht erfasst, da sie noch nicht länger als ein Jahr arbeitslos sind. Darüber hinaus wirken sogenannte Hysterese-Effekte. Darunter versteht man Wirkungen, die erst bzw. noch immer auftreten, wenn deren Ursache bereits verschwunden ist. Das bedeutet, dass die Arbeitslosigkeit, die einmal angestiegen ist, nicht mehr auf das Niveau, das davor bestanden hat, zurückkehrt – auch wenn die Ursachen dafür bereits weggefallen sind. Das ist auch angesichts der COVID-19-Pandemie zu erwarten.

Arbeitslosigkeit und ihre gravierenden Folgen

Engagiertes staatliches Eingreifen ist notwendig, um dafür zu sorgen, dass sich Arbeitslosigkeit nicht verfestigt und bestehen bleibt, denn sie ist mit erheblichen sozialen und gesellschaftlichen Konsequenzen verbunden. Für einen überwiegenden Teil der Menschen bildet Arbeit die materielle Lebensgrundlage. Arbeitslose Personen sind daher wesentlich häufiger armutsgefährdet. Für arbeitslose Personen war die Armutsgefährdungsquote 2019 in Österreich fast dreimal so hoch wie für den Durchschnitt der Bevölkerung. Arbeitslosigkeit – insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit – führt außerdem zu sozialer Exklusion, trägt zur Destrukturierung des Alltags bei und begünstigt die Entstehung bzw. Verstärkung gesundheitlicher Probleme. So ist Arbeitslosigkeit etwa mit einem höheren Mortalitätsrisiko verbunden und begünstigt psychische Probleme. Das zeigt sich auch aktuell in der Corona-Krise. Gesundheitliche Einschränkungen vermindern allerdings wiederum die Chancen auf Beschäftigung, sodass die Arbeitslosigkeit zur Sackgasse wird. Es bedarf daher konsequenten staatlichen Eingreifens, um das Problem der Arbeitslosigkeit mit all seinen sozialen und gesellschaftlichen Folgen zu lindern.

Öffentlich geförderte Beschäftigung als neue Chance

Circa 22.000 Langzeitarbeitslose und arbeitsmarktferne Personen mit Vermittlungshemmnissen bekommen in sozialökonomischen Beschäftigungsprojekten eine zweite Chance. Sie erhalten einen öffentlich geförderten Arbeitsplatz, sozialpädagogische Begleitung und können einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen. Die Förderung dieser „Transitarbeitsplätze“ ist allerdings auf maximal ein Jahr beschränkt, im Durchschnitt werden die Betroffenen sogar nur etwa vier Monate gefördert. Diese Förderdauer ist aufgrund der vielfältigen Problemlagen – die durch lange Arbeitslosigkeit entstehen – jedoch häufig nicht ausreichend, um sie wieder an den allgemeinen („ersten“) Arbeitsmarkt heranzuführen. Die Tätigkeitsfelder sollten verstärkt auf das Gesundheits- und Sozialwesen sowie den Klimaschutz erweitert und die geförderte Beschäftigungsdauer sollte ausgedehnt werden. So könnten die Geförderten wieder eine längerfristige Perspektive erhalten. Nicht der rasche Transit in den allgemeinen („ersten“) Arbeitsmarkt sollte im Mittelpunkt der Förderung stehen, sondern die Beschäftigung an sich. Denn Arbeit sichert nicht nur die materielle Lebensgrundlage, sondern ist auch zentral für wesentliche immaterielle Bedürfnisse, wie soziale Kontakte, das Wohlbefinden oder die Sicherung des sozialen Status. Der öffentlichen Beschäftigungsförderung kommt damit auch eine wesentliche sozialpolitische Funktion zu.

Deutschland als Vorbild: soziale Teilhabe fördern

Ein aktueller Vergleich von arbeitsmarktpolitischen Fördermaßnahmen in Österreich und Deutschland zeigt, dass dies in Deutschland bereits erfolgreich umgesetzt wurde. Mit dem Bundesprogramm „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“ wurde zwischen 2015 und Ende 2018 ein solcher sozialpolitischer Schwerpunkt erprobt. Die explizite Adressierung des Ziels „soziale Teilhabe“ war im Rahmen des Projekts völlig neu, und damit erfolgte ein Paradigmenwechsel in der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit. 13.100 öffentliche und gemeinnützige Arbeitsplätze – ein Drittel davon im Sozialbereich – wurden geschaffen und Langzeitarbeitslose bis zu drei Jahre lang gefördert. Dadurch verbesserte sich die Lebenszufriedenheit, das Selbstvertrauen und die gesellschaftliche Anerkennung der Geförderten deutlich. Wegen dieser umfassenden sozialen Effekte zeigte eine Effizienzanalyse, dass der Nutzen des Programms „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“ die Kosten deutlich überstieg.

Aufgrund dieser Erfolge des Programms und der äußerst positiven Evaluierung war das Programm Vorbild für das aktuelle Teilhabechancengesetz in Deutschland. Dieses neugeschaffene Instrument zeichnet sich durch eine längere Förderdauer von bis zu fünf Jahren und einen hohen, degressiv ausgestalteten Lohnkostenzuschuss von bis zu 100 Prozent aus. Daneben erhalten die Geförderten umfassendes Coaching und können neue Qualifikationen erwerben, während sie einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen. Im ersten Jahr nach der Einführung haben bereits rund 35.000 Personen einen öffentlich geförderten Arbeitsplatz und damit eine neue Perspektive erhalten. Die Finanzierung erfolgt zum Teil dadurch, dass durch das Programm eingesparte passive Leistungen wie Arbeitslosengeld zur Finanzierung der geförderten Beschäftigung herangezogen werden. Durch diesen Passiv-aktiv-Transfer wird folglich Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanziert. Das Teilhabechancengesetz sollte Österreich als Vorbild dienen.

Jobgarantie für Langzeitarbeitslose

Eine entsprechende Adaption der sozialökonomischen Beschäftigungsprojekte und eine Verlängerung der Förderdauer kann auch der erste Schritt hin zu einer Jobgarantie sein. Sie würde neue Arbeitsplätze für jene Personen schaffen, die sie am dringendsten benötigen, und dadurch für zusätzliche Nachfrage am Arbeitsmarkt sorgen. Damit ließe sich eine zentrale Ursache der Arbeitslosigkeit, nämlich der Mangel an geeigneten Arbeitsplätzen, beheben. Die geförderten Personen könnten einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen und damit wieder am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Eine Jobgarantie könnte damit auch jenen Personen eine Chance bieten, die durch die Corona-Krise besonders hart getroffen wurden.

Um Langzeitarbeitslosigkeit mit all ihren sozialen und gesellschaftlichen Folgen zu lindern, muss die öffentliche Hand eingreifen. Durch öffentliche Förderungen sollten verstärkt Arbeitsplätze geschaffen werden. Mit dem Teilhabechancengesetz kann Deutschland als Vorbild dienen. Langzeitarbeitslose erhalten bis zu fünf Jahre lang einen Arbeitsplatz und werden mit bis zu 100 Prozent der Lohnkosten gefördert. Eine umfassende Jobgarantie kann das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit in Österreich nachhaltig lösen.

Eine ausführliche Betrachtung von arbeitsplatzschaffenden und personenbezogenen Förderungen in Österreich und Deutschland erschien in der Working Paper Reihe.

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