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Dieser strukturelle und langfristige Anstieg der österreichischen Arbeitslosigkeit findet in der Arbeitsmarktpolitik erstaunlich wenig Beachtung. Zahllose Untersuchungen belegen, dass Langzeitarbeitslose systematisch seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden als gleich gut qualifizierte BewerberInnen, die erst kürzer arbeitslos sind. Gleichzeitig ist unbestritten, dass mit Fortdauer der Arbeitslosigkeit auch Qualifikationen verloren gehen. Aus diesen Gründen ist es ausgesprochen schwer und herausfordernd, Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen, wenn sie erstmal entstanden ist.
Gerade weil es so schwierig ist, Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen, muss alles getan werden, um die Entstehung von Langzeitarbeitslosigkeit überhaupt zu verhindern.
Wie lässt sich die Entstehung von Langzeitarbeitslosigkeit verhindern?
Neben aktiver Konjunktur- und Beschäftigungspolitik kann die Arbeitsmarktpolitik eine ganz entscheidende – und leider oft vernachlässigte – Rolle in der Verhinderung von Langzeitarbeitslosigkeit spielen. Um herauszufinden, mit welcher Arbeitsmarktpolitik sich die Langzeitarbeitslosigkeit am effektivsten verhindern lässt, haben wir seitens des AMS Niederösterreich ein Statistik-Startup-Unternehmen alle niederösterreichischen Arbeitslosen (01/2016 bis 06/2018) anhand anonymisierter Daten (4 Millionen Einzelinformationen) analysieren lassen.
Ziel der Analyse war, herauszufinden, welche Faktoren das Risiko, langzeitarbeitslos zu werden, am meisten erhöhen. Dabei kam uns zugute, dass damals in den 22 niederösterreichischen AMS-Geschäftsstellen unterschiedliche Strategien im Kampf gegen Langzeitarbeitslosigkeit angewandt wurden, sodass wir direkt vergleichen konnten, welche Strategie am wirksamsten war.
Das Ergebnis: Dort, wo am schnellsten und intensivsten vermittelt wurde, konnte die Entstehung von Langzeitarbeitslosigkeit am effektivsten verhindert werden. In der Tat hatte die gewählte Vermittlungsstrategie sogar einen stärkeren Einfluss auf das Risiko, langzeitarbeitslos zu werden, als andere bekannte Risikofaktoren wie z.B. das Alter oder die Berufsausbildung.
Dabei kommt dem Faktor Zeit eine entscheidende Rolle zu: denn mit jedem Tag Verzögerung im Vermittlungsprozess sinken die Chancen Arbeitssuchender, wieder in Beschäftigung zu kommen.
Deshalb ist es von immenser Bedeutung, den Vermittlungsprozess am Arbeitsmarkt effektiv und mit ausreichender Man-/Womanpower zu organisieren, um mit raschen Betreuungs- und Vermittlungsformaten die Entstehung von Langzeitarbeitslosigkeit zu verhindern.
Welchen Beitrag die Arbeitsmarktpolitik jetzt leisten kann
Daher haben wir nach Abschluss der Analysearbeiten die Vermittlungsaktivitäten 2019 niederösterreichweit vereinheitlicht. So sank die Zahl der Personen, die bereits ein Jahr oder länger beim AMS NÖ arbeitslos gemeldet sind, um 1.421 Personen oder 12,64 %, wobei der Rückgang dort besonders stark war, wo vorher andere Strategien angewandt wurden. Das war österreichweit der stärkste Rückgang an Langzeitarbeitslosigkeit.
Auch wenn die Corona-Pandemie das Vermittlungsgeschäft erschwert hat und es neben aktiver Arbeitsmarktpolitik auch aktive Beschäftigungs- und Konjunkturpolitik braucht, um die Entstehung von Langzeitarbeitslosigkeit zu verhindern, haben wir es uns zum Ziel gesetzt, mit aktiver Vermittlungsarbeit und einem Vermittlungsschwerpunkt dazu beizutragen, den erwarteten Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit einzudämmen.
Die kommenden Monate werden also am Arbeitsmarkt entscheidende Monate sein: Wird es uns gelingen, den Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit einzudämmen?
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