Budget 2023: 3 Schwerpunkte, 3 Defizite

18. November 2022

Der Nationalrat hat das Bundesfinanzgesetz 2023 beschlossen. Drei klare Schwerpunkte sind erkennbar: Klima, Soziales und Landesverteidigung. Drei wichtige Bereiche, in denen der Handlungsbedarf besonders hoch ist, werden vernachlässigt: Bildung, Beschäftigung und Finanzierung.

Das Bundesfinanzgesetz 2023 ist von Teuerungskrise und Konjunkturabschwung geprägt. Es basiert auf der WIFO-Prognose vom Oktober, die eine Stagnation bei wieder steigender Arbeitslosigkeit und hoher Inflation vorsieht. Die Prognose muss als recht optimistisch gelten, da eine Rezession droht. Unter diesen Rahmenbedingungen wird ein gesamtstaatliches Finanzierungsdefizit von 2,9 Prozent des BIP erwartet. Die Budgetpolitik ist expansiv ausgerichtet, was den Umständen angemessen ist. Allerdings könnte die fehlende Gegenfinanzierung vieler Maßnahmen im Zusammenspiel mit den nicht adäquaten EU-Fiskalregeln bereits 2024 eine Budgetkonsolidierung erfordern.

Die Bundesregierung setzt mit dem Budget 2023 und dem mittelfristigen Finanzrahmen bis 2026 drei erkennbare Schwerpunkte (ausführliche Analyse hier).

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Schwerpunkt Klimaschutz

Seit mehreren Jahren steigen die Ausgaben zur Bekämpfung der Klimakrise unter anderem in der Budget-Untergliederung 41 Mobilität deutlich. Das ist ebenso erfreulich wie dringlich. Im Budget 2023 werden die besonders klimarelevanten Auszahlungen auf 7,3 Mrd. Euro erhöht, das sind um 65 Prozent mehr als 2021. Besonders positiv hervorzuheben ist der kommunale Klimainvestitionsfonds im Umfang von 500 Mio. Euro, der das riesige Potenzial an Klimaschutzaktivitäten von Städten und Gemeinden heben soll. Er sollte dauerhaft dotiert werden.

Trotz der hohen Auszahlungen bestehen zwei gravierende Unzulänglichkeiten: Erstens reichen die Maßnahmen nicht, um Österreichs Klimaverpflichtungen zu erfüllen. 2022 und 2023 sinken die Treibhausgasemissionen laut WIFO-Prognose jeweils nur um 2 Prozent, notwendig wäre ein Minus von 6 Prozent. Zweitens steigen die Unternehmenssubventionen für die ökologische Transformation merklich, allerdings ohne klare Ziele und mit der Gefahr erheblicher Ineffizienzen. In Zukunft sollten budgetschonende Regulierungen und Vorgaben eine größere Rolle spielen als teure Subventionen.

Ein Verbot der Neuzulassung von Verbrennungsmotoren ist nicht nur effektiver als die Subventionierung von Elektromotoren,  auch die Verpflichtung für Unternehmen, ab einer gewissen Beschäftigtenzahl Langzeitarbeitslose oder Jugendliche einzustellen, ist wirkungsvoller als subventionierte Beschäftigung. Um die Staatsfinanzen zu schonen, könnten generell Regulierungen in vielen Bereichen der Wirtschaftspolitik Vorrang gegenüber Subventionen genießen.

Schwerpunkt Soziales

Die Bundesregierung ist um Verbesserungen im Sozialsystem bemüht. Die Pflegereform bringt eine dringend notwendige Entgelterhöhung für Pflegekräfte, die über Transfers von 570 Mio. Euro an die Bundesländer fließt. Zudem sind Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildung und der Pflegequalität sichtbar. Allerdings ist deutlich mehr notwendig, um eine gute soziale Pflege für alle Bevölkerungsschichten zu erreichen. Und das auch kurzfristig. Besonders im Ausbau mobiler Dienste, in der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte sowie der schrittweisen Integration der unter Bedingungen der Scheinselbstständigkeit und des Lohndumpings agierenden 24-Stunden-Betreuer:innen in das Pflegesystem. Bessere soziale Pflege ist teuer, hebt den Wohlstand aber entscheidend.

Die Bundesregierung hat sich die Halbierung der Armut zum Ziel gesetzt. Die Teuerungskrise droht nun allerdings die soziale Ungleichheit drastisch zu erhöhen. Einmalzahlungen helfen 2022 wesentlich. Die Anhebung des Ausgleichszulagenrichtsatzes sowie kleinere Maßnahmen in der Untergliederung 21, wie die Aufstockung des Wohnschirms, die Aufstockung der Mittel für psychotherapeutische Betreuung von Kindern, in der Untergliederung 24 Gesundheit und das Förderstundenpaket in der Untergliederung 30 Bildung sind positiv hervorzuheben. Sie reichen allerdings bei Weitem nicht.

In einer Gesellschaft, in der es Milliardär:innen gibt, darf es keine Armut geben. Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Sozialhilfe, Unterhaltsvorschuss müssen zügig in Richtung Armutsgefährdungsgrenze erhöht, die integrativen sozialen Sachleistungen von Elementarpädagogik über sozialen Wohnbau bis hin zur Pflege wesentlich verbessert, kollektivvertragliche Lohnuntergrenzen kräftig angehoben und prekäre Arbeit rasch zurückgedrängt werden. Mit zwei bis drei Milliarden Euro könnte man manifeste Armut in Österreich – unter der 386.000 Menschen, darunter 94.000 Kinder, leiden – vollständig verhindern. Dieser Betrag entspricht gerade einmal 1,5 Prozent des Vermögens der 49 Milliardärsfamilien in Österreich, das bei 170 Mrd. Euro liegt.

Schwerpunkt Militär

Die Bundesregierung baut mittelfristig die militärische Sicherheit in großem Stil aus, 2023 steigen die Ausgaben um 680 Mio. Euro. Ein der österreichischen Neutralität entsprechender und gesellschaftlich sinnvoller Sicherheitsbegriff würde nahelegen, dies zu ergänzen: Die derzeit so peinlich niedrigen operativen Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit, der Auslandskatastrophenfonds etwa zugunsten der humanitären Hilfe für die Menschen in der Ukraine oder die Mittel für internationale Institutionen (wie das UN-Welternährungsprogramm) sollten zumindest im gleichen Ausmaß wie die Militärausgaben aufgestockt werden.

Drei weitere Schlüsselbereiche werden in Budget und Finanzrahmen teils sträflich vernachlässigt.

Desaster Bildungsbudget

In der Bildung sind kaum nennenswerte Fortschritte erkennbar. Konservative Bildungspolitik pflegt schädliche Mythen, statt sich um die Interessen der Kinder zu kümmern. Die für 2023 budgetierten 250 Mio. Euro für die 15a-Vereinbarung sind etwa ein Viertel der für den Ausbau der Elementarpädagogik benötigten Mittel. Österreich investiert gerade in dieser entscheidenden Phase viel zu wenig in die Fähigkeiten der Kinder. Die zusätzlich 50 bzw. 100 Mio. Euro für den Ausbau der Pflegeschulen können positiv vermerkt werden.

Schmerzlich fehlen die flächendeckende Schulfinanzierung nach dem Chancenindex und der besonders dringende Ausbau von Ganztagsschulen bzw. Tagesbetreuung der 6- bis 13-Jährigen. Hier erfüllen nur Wien und das Burgenland das ohnehin sehr bescheidene Ziel einer Betreuungsquote von 40 Prozent. Wenigstens 200 Mio. Euro zusätzlich wären kurzfristig pro Jahr unabdingbar. Mittel für die Erwachsenenbildung fehlen ebenso wie die mittelfristige Aufstockung von 3.600 Plätzen für Anfänger:innen in Fachhochschulen und die ausreichende Finanzierung der Universitäten.

Arbeitskräfteknappheit als große Chance begreifen

Während viele Unternehmen über Arbeitskräfteknappheit klagen und viele Beschäftigte unter inadäquaten Arbeitsbedingungen leiden, schraubt die Bundesregierung die Mittel für Arbeitsmarktpolitik in der Untergliederung 20 Arbeit des Budgets mit dem Auslaufen der Covid-Maßnahmen zurück. Arbeitskräfteknappheit wäre die äußerst erfreuliche Gelegenheit für jene Menschen, die es bislang am Arbeitsmarkt nicht so leicht hatten, in gute Jobs zu kommen: Arbeitslose nur noch auf Arbeitsplätze mit ordentlichen Löhnen zu vermitteln, Frauen und Älteren mehr Erwerbstätigkeit zu ermöglichen, Beschäftigte aus miserablen Arbeitsverhältnissen zu jenen guten Unternehmen zu lotsen, die gute Arbeitsbedingungen bieten – das wären die dringenden Aufgaben einer aktiven Arbeitsmarktpolitik.

Das ungenutzte Arbeitskräftepotenzial im Inland umfasst mehrere hunderttausend Menschen. Es zu heben erfordert eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die auf höhere soziale Mindeststandards abzielt. Dafür müsste die seit mehr als einem Jahr versprochene, aber noch immer nicht umgesetzte Arbeitsmarktreform endlich die notwendigen Mittel samt strengerer Vorgaben bringen.

Brach liegende Finanzierungspotenziale nutzen

Die Bundesregierung nutzt die brach liegenden Finanzierungsmöglichkeiten für den rascheren Ausbau der sozialen Pflege und ein besseres Bildungssystem, für die Abschaffung der manifesten Armut und eine aktive Arbeitsmarktpolitik, für die Wahrnehmung der internationalen Verpflichtungen und zusätzliche Klimamaßnahmen sowie für geringere Abgaben auf Leistungseinkommen aus Arbeit bewusst nicht.

Der Verzicht auf die nicht notwendige Senkung des Körperschaftsteuersatzes brächte 800 Mio. Euro. Eine gerechte Übergewinnsteuer auf Energieunternehmen hätte ein Aufkommen von 2 Mrd. Euro. Das Schließen der Steuerlücke würde mehrere Milliarden Euro bringen, wie AK-Steuerexperte Dominik Bernhofer zeigt. Die Einführung einer progressiven Erbschafts- und Vermögenssteuer hätte ein Milliardenaufkommen.

Alle diese Maßnahmen – von den strukturellen Verbesserungen im Sozialstaat und im Klimaschutz bis zu den höheren Finanzierungsanteilen von Großunternehmen und Vermögenden – würden sozialen Ausgleich mit wirtschaftlichem Erfolg verbinden und den Wohlstand entscheidend erhöhen. Sie würden die viel zu hohe soziale Ungleichheit verringern und so auch einen unverzichtbaren Dienst an der heute neuerlich stark gefährdeten Demokratie leisten.

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