Neun von zehn Menschen in Österreich wünschen sich, dass Schulen mit großen Herausforderungen besser ausgestattet werden. Wie das gelingen kann, zeigt der AK-Chancen-Index, für den es eine breite gesellschaftliche Unterstützung gibt. Im neuen Regierungsprogramm ist lediglich die zaghafte Umsetzung für 100 Pilotschulen vorgesehen. Ein erster Schritt, aber zu wenig, um allen SchülerInnen in Österreich eine gerechte Chance zu geben.
Unterschiedliche Herausforderungen
Berichte zu den aktuellen Corona-Schulsperren verdeutlichen ein Grundproblem des österreichischen Bildungssystems: Der Bildungserfolg von SchülerInnen wird nach wie vor in hohem Maße vom Elternhaus geprägt. Manche SchülerInnen haben zu Hause eine ganze Bibliothek, andere nicht einmal eine stabile Internetverbindung. Einige Eltern können ihren Kindern bei den Hausaufgaben helfen, andere können diese Zeit wegen beruflicher Belastungen einfach nicht aufbringen. Nachhilfe als Lösung ist für viele nicht leistbar und gesellschaftlich auch keine Dauerlösung. Fehlt Kindern und Jugendlichen dieser Rückhalt zu Hause, bleibt der schulische Erfolg der Kinder oftmals aus. Dabei sollte Schule eigentlich Chance bedeuten. Die Schule ist der Ort, an dem alle Kinder in Österreich ihr Potenzial ausschöpfen und entfalten, das Beste aus sich herausholen und ihren Platz in der Gesellschaft finden können. Wenn sie unterschiedliche Herausforderungen mitbringen, dann müssen Schulen das ausgleichen können. Deshalb plädieren internationale Organisationen, wie die OECD, als auch nationale BildungsexpertInnen in ihren Handlungsempfehlungen seit Jahren für die Einführung einer bedarfsorientierten Schulfinanzierung in Österreich.
AK-Chancen-Index
Wie konkret eine solche „bedarfsorientierte Schulfinanzierung“ für Österreich aussehen könnte, hat die Arbeiterkammer bereits 2016 präsentiert. Es handelt sich um ein Modell für eine gerechte, transparente und bedarfsorientierte Schulfinanzierung, um das Angebot der Schule genau an die Bedürfnisse der SchülerInnen anzupassen: den AK-Chancen-Index. Er zeigt, unter welchen Bedingungen jede einzelne Schule arbeitet – und welche zusätzlichen Mittel sie braucht, um allen SchülerInnen ihre Chancen zu geben. Sein Grundprinzip ist eine solide Basisfinanzierung für alle Standorte, für Schulen mit größeren Herausforderungen gibt es zusätzliche Mittel, entsprechend dem jeweiligen Indexwert der Schule.
So können Schulen mit vielen SchülerInnen, die großen Förderbedarf haben, strukturelle Ungleichheiten durch mehr Förderangebote, pädagogisches Unterstützungspersonal, administrative Supportstrukturen etc. ausgleichen. Dabei werden die durch den Chancen-Index vergebenen zusätzlichen Mittel mit aktiver Schulentwicklung und pädagogischer Freiheit der Standorte verknüpft, um eine nachhaltige Weiterentwicklung zu gewährleisten.
Unsere aktuellsten Analysen zu den bestehenden sozialen Herausforderungen an Österreichischen Schulen zeigen, dass 17,5 Prozent aller Pflichtschulen einen hohen bis sehr hohen zusätzlichen Unterstützungsbedarf haben. Zweitens wird deutlich, dass unabhängig vom Bundesland in fast allen Städten viele Schulstandorte mit großen sozialen Herausforderungen konfrontiert sind. Drittens, wie am Beispiel der Volksschulen verdeutlicht, profitieren fast alle Schulstandorte in Österreich vom Chancen-Index-Modell: 99 Prozent der Schulstandorte liegen in Indexstufe 2 oder höher und erhalten damit zusätzliche Mittel.
Viel Zustimmung zum Chancen-Index
Die Fachwelt ist sich einig: Schulen mit großen Herausforderungen müssen besser ausgestattet werden. Nicht nur unter BildungsexpertInnen, auch in der österreichischen Bevölkerung gibt es eine deutliche Mehrheit für die Einführung eines Chancen-Index. Das Sozialbarometer der Volkshilfe zeigte bereits im Jahr 2014 sehr hohe Zustimmungswerte für eine bessere Ausstattung (mehr LehrerInnen, mehr Ressourcen, mehr Angebote) von Schulen in benachteiligten Gebieten. Mehr als 8 von 10 Befragten waren sehr (46 Prozent) oder eher (38 Prozent) für die Einführung einer bedarfsorientierten Schulfinanzierung. Fünf Jahre später lag die gemessene Zustimmung im Volkshilfe Sozialbarometer bereits bei 90 Prozent.