Das Grätzloase-Programm der Stadt Wien möchte öffentliche Räume beleben und dabei die Nachbarschaft stärken. Die breite Teilhabe scheint aber nicht immer gegeben.
Öffentlicher Raum ist knapp – vor allem in Städten
Öffentlicher Raum ist in Städten nur beschränkt vorhanden. Besonders vor dem Hintergrund einer anwachsenden Bevölkerung wird es eng. Im öffentlichen Raum treffen viele Funktionen und Aktivitäten aufeinander. Die StadtbewohnerInnen sporteln hier und Kinder brauchen Platz zum Spielen. U-Bahn, Bus und Bim sind unterwegs, daneben noch die AutofahrerInnen. Nicht selten gibt es auch private Interessen am öffentlichen Raum: So werden Werbetafeln platziert und LokalbesitzerInnen errichten Schanigärten. Parks und Spielplätze sind nur in begrenzter Zahl vorhanden und verbleibende Flächen werden zu großen Teilen von Verkehrsfunktionen vereinnahmt. Darüber hinaus zeigen sich mitunter auch Verödungstendenzen im Bereich nicht kommerzieller Nutzungen des öffentlichen Raumes.
Die Wiener Grätzloase
Umso entscheidender ist es, den öffentlichen Raum so zu gestalten, dass vielfältige Nutzungen möglich sind und lebenswerte Grätzl entstehen. Die Grätzloase ist eine Initiative der Stadt Wien. Ziel ist die Belebung von öffentlichen Räumen, der Nachbarschaft und die Aktivierung von StadtbewohnerInnen. Mit dem Programm sollen Orte der Begegnung entstehen, die zum Mitmachen anregen. Die StadtbewohnerInnen ebenso wie lokale Unternehmen und Vereine können dabei selbst aktiv werden und ihre eigene Grätzloase gestalten. Mit dem Grätzloase-Programm geht die Stadt Wien bei der Umgestaltung öffentlicher Räume durch die Einbindung der StadtbewohnerInnen neue Wege. Bei näherer Betrachtung zeigen sich die Stärken und Chancen, aber auch die Schwächen der Initiative.
Gemeinsam das Grätzl verändern
Vom Weihnachtsfest über den Gemeinschaftsgarten bis hin zum Gassenfest wurden in den Jahren 2015 und 2016 unterschiedliche Grätzloase-Projekte umgesetzt. Immer wieder fanden Treffen im öffentlichen Raum statt, um dann einer gemeinsamen Aktivität nachzugehen. Häufig ist es das Betreiben von Sport, aber auch gemeinsames Kochen, Essen, Spielen, Musizieren oder Möbelbauen.
Im Projektverlauf zeigt sich eine zunehmende Beliebtheit für Initiativen, mit denen öffentliche Räume sichtbar und für eine längere Zeitspanne umgestaltet werden. Konkret wurden von 2015 auf das Jahr 2016 immer häufiger sogenannte Parklets umgesetzt. Hier werden Parkplätze für eine beschränkte Dauer zur Grätzloase umgestaltet und mit Sitzgelegenheiten, Tischen und Bepflanzungsmöglichkeiten ausgestattet.
Nachbarschaftlicher Nutzen
Der gemeinsame Nenner aller Grätzloase-Projekte ist die Nutzbarmachung öffentlicher Räume für die Ideen der Bewohnerinnen und Bewohner. Damit diese auch tatsächlich umgesetzt werden können, gibt es für genehmigte Grätzloasen neben einer öffentlichen Förderung bis maximal 4.000 Euro (in Ausnahmefällen bis zu 8.000 Euro) auch organisatorische Unterstützung durch das Team des Grätzloase-Programms. Aufgrund der Einbindung der Verwaltung in das Grätzloase-Programm sollen Behördenwege möglichst reibungslos ablaufen.
Grätzloasen räumlich konzentriert?
Eine Analyse der räumlichen Verteilung entlang der bis dato verwirklichten Grätzloasen zeigt, dass diese stark innerstädtisch und in Gürtelnähe konzentriert sind, während im 10., 11., 21. und 22. Bezirk, gemessen an deren Fläche, kaum Grätzloasen zu finden sind.
Auch die Bewilligung von Grätzloasen mit kommerziellem Charakter, zum Beispiel Parklets vor Geschäftslokalen, ist kritisch zu sehen. Jedenfalls sollte sichergestellt werden, dass notwendige Schanigarten-Bewilligungen nicht mittels Grätzloasen umgangen und zusätzlich noch mit einer öffentlichen Förderung ausgestattet werden.