Diese Woche begrüßen Österreichs Volksschulen ihre neuen ErstklässlerInnen. Österreichweit ist die Zahl der Volksschulkinder rückläufig. Nur in Wien nimmt die Anzahl der Volksschulkinder zu und wird auch in Zukunft weiter stark wachsen. Ohne eine Bedarfsorientierung im Finanzausgleich droht den Wiener Volksschulen langanhaltende Unterfinanzierung.
Zahl der Volksschulkinder: Anstieg nur in Wien
Zwischen 2006 und 2013 ist die Zahl der Kinder an Österreichs Volksschulen von rund 341.000 auf 323.000 SchülerInnen gesunken. Das entspricht einem Rückgang von rund 5 Prozent in den letzten 7 Jahren. Dieser bundesweite Trend spiegelt sich in fast allen Bundesländern wider. Das Burgenland (-4%) und Niederösterreich (-6%) liegen knapp unter dem österreichweiten Durchschnitt. In Kärnten, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol und Vorarlberg betrug der Rückgang hingegen zwischen minus 8% und minus 12%. Nur in Wien zeigt sich eine ganz andere Entwicklung. Hier sank die Zahl der Kinder an Wiener Volksschulen zwischen 2006 und 2007 zunächst nur leicht und blieb anschließend bis 2009 mit rund 61.000 SchülerInnen konstant. Seit dem Jahr 2010 ist die Zahl der VolksschülerInnen hingegen stetig gestiegen und lag damit 2013 bereits 3% über dem Wert von 2006.
Ein Blick voraus
Durch die Berücksichtigung jüngerer Geburtskohorten lässt sich eine Vorausschau der Entwicklungen der Volksschulkinder bis ins Jahr 2020 wagen. Die Ergebnisse dieser Prognose sind deutlich: Mit Ausnahme von Wien wird sich langfristig der Anteil an VolksschülerInnen in den meisten Bundesländern kaum verändern. In Oberösterreich werden nach unserer Prognose beispielsweise bis 2020 rund 57.000 Kinder pro Jahr eine der vier Schulstufen in der Volksschule besuchen; in Tirol werden es rund 28.000 sein. Die deutlichste Abnahme in der Zahl der Volksschulkinder wird es hingegen in Kärnten geben, wo die Geburtenrate stark rückläufig ist und dementsprechend die Zahl der Kinder in Volksschulen bis 2020 um weitere 9% sinken wird.
Entgegen diesem bundesweiten Trend der Stagnation bzw. leichten Abnahme wird die Zahl der Kinder an den Wiener Volksschulen deutlich steigen. Im Jahr 2020 werden über 73.000 Wiener Kinder einen Platz in der Volksschule benötigen. Das entspricht einem Anstieg von rund 20% seit 2006. Darin noch nicht berücksichtigt sind Kinder, die in den kommenden Jahren zu- oder abwandern sowie Verschiebungen zwischen Sonder- und Regelschulen. Tatsächlich ist auf Grund der internationalen und regionalen Zuwanderung nach Wien daher sogar von noch etwas höheren Werten auszugehen. Die Zahl der Volksschulkinder steigt also lediglich in Wien, hier jedoch deutlich. Der ansteigende Bedarf an Schulplätzen ist für die Stadt eine große bildungspolitische und vor allem finanzielle Herausforderung.
Geringere Finanzaufwendungen
Schon jetzt hat Wien bundesweit die meisten Volksschulkinder, die höchste durchschnittliche Klassenzahl pro Schule und mit durchschnittlich 21,9 SchülerInnen auch die größten Klassen (Bundesdurchschnitt 2013: 18,5). Unter anderem weil Wien die „Pole Position“ bei der Anzahl von Volkschulkindern einnimmt, ist es Schlusslicht bei den Finanzaufwendungen. Die überdurchschnittliche Zahl der VolksschülerInnen und Klassengrößen gehen in Wien mit unterdurchschnittlichen Pro-Kopf-Bildungsausgaben für VolkschülerInnen einher. Im Bundesdurchschnitt wurde im Jahr 2013 für ein Volksschulkind 7.113 Euro ausgegeben. In Wien sind es lediglich 6.664 Euro. Die Finanzaufwendung variiert stark zwischen den Bundesländern. Kärnten (8.077 Euro), Steiermark (7.750 Euro) und das Burgenland (7.543 Euro) gehören zu den Ländern mit den höchsten durchschnittlichen Bildungsausgaben für VolksschülerInnen, während Oberösterreich (6.692 Euro) und Vorarlberg (6.759 Euro) sowie Wien das untere Ende bilden. Dabei ist Wien nicht erst seit heute Schlusslicht bei den Finanzaufwendungen. Die Ausgaben pro VolksschülerIn sind in Wien seit 2006 im Vergleich zu den anderen Bundesländern fast durchgehend die geringsten (Grafik unten). Wie im bundesweiten Durchschnitt betrug der jährliche Anstieg im Finanzaufwand zwischen 2006 und 2013 insgesamt rund 5%. Den stärksten Anstieg in den Ausgaben pro Volksschulkind zwischen 2006 und 2013 verzeichneten Tirol und Salzburg – zwei Bundesländer, die in diesem Zeitraum den stärksten Rückgang an Volksschulkindern verbuchen und deren Schulen in schrumpfenden Regionen noch nicht angepasst werden konnten.
Das Wiener „mismatch“
Wien wird weiter wachsen, das ist sicher. Bis 2025 soll die Wiener Bevölkerung um die Größe von Graz anwachsen und schon bald die Zwei-Millionen-Grenze überschreiten. Damit wird sich die Zahl der Schulkinder insgesamt erhöhen und auch zukünftig weit über dem Bundesdurchschnitt liegen. Unsere Prognose eines 20% Anstiegs der VolksschülerInnen bis 2020 ist bereits Ausdruck dieser Wachstumsentwicklung, weil sie auf realen Zahlen der jüngeren Jahrgänge beruht, die gerade in Wien aufwachsen. Der rasante Anstieg der Kinder im Volksschulalter wird Wiens Schulen und sein Personal in den kommenden Jahren vor neue Herausforderungen stellen.
Wenn sich in Wien bis 2020 die Zahl der Volksschulkinder auf über 73.000 Kinder erhöht, werden sich beispielsweise auch die Klassenzahlen pro Volksschule sowie die Zahl der SchülerInnen pro Klasse deutlich erhöhen müssen. Was das für Wien bedeutet, zeigt ein vereinfachtes Rechenbeispiel: Würde die durchschnittliche SchülerInnenzahl auf sehr hohe 24 SchülerInnen pro Klasse erhöht und die durchschnittlichen 11 Klassen pro Schule aus dem Jahr 2013 beibehalten werden, dann bräuchte Wien bis 2020 ganze 16 neue Volksschulen und ca. 300 neue LehrerInnen. Um den demographischen Entwicklungen gerecht zu werden, hat die Stadt Wien bereits erste Schritte gesetzt und plant bis 2023 die Errichtung von 11 neuen Volksschulen und 3 neuen Mittelschulen.
Langfristig mehr Mittel notwendig
Dennoch wird Wien langfristig finanzielle Mittel benötigen, um den demographischen Entwicklungen entgegen zu treten und ohne Qualitätsverlust allen Volksschulkindern gleiche Chancen auf Unterstützung und Betreuung zu bieten. Der Finanzausgleich sollte diese Entwicklungen verstärkt durch eine Aufgabenorientierung berücksichtigen. Durch das Einführen objektiver Kriterien, welche das Ausmaß der Ausgaben zur Aufgabenerfüllung berücksichtigen, könnten insbesondere soziodemographische aber auch sozial indizierte Aufgabenlasten berücksichtigt und abgegolten werden. Des Weiteren sollten Belastungen für Schulausbauten, wie beispielsweise in Wien, und Rückbauten bzw. Zusammenlegungen von Kleinstschulen berücksichtigt werden.