Die Verwerfungen der großen Finanz- und Wirtschaftskrise sind in Europa noch nicht überwunden, auch in Österreich verweilt die Arbeitslosigkeit derzeit auf Rekordniveau. Gleichzeitig wächst die Bevölkerung – insbesondere in den Ballungsräumen. Ohne gezielte Investitionen werden weder ausreichend neue Arbeitsplätze noch die erforderliche Infrastruktur entstehen, um allen Menschen in diesem Land gute Beschäftigungs-, Einkommens-, Bildungs- und Mobilitätschancen, soziale Dienstleistungen sowie adäquaten Wohnraum zu ermöglichen. Darüber hinaus sind strategische Weichenstellungen zur maßgeblichen Reduktion der europäischen – und österreichischen – Treibhausgasemissionen erforderlich. Vor diesem Hintergrund ist es hoch an der Zeit, über Wege einer sozial-ökologischen Erneuerung nachzudenken.
Einige zentrale Aspekte einer relativ zügig umsetzbaren Investitionsoffensive – sowie der zu klärenden Rahmenbedingungen – sollen in den kommenden Wochen hier im Blog umrissen werden. Kombiniert mit weiteren Maßnahmen, wie neuen und alten Formen der Arbeitszeitverkürzung, Integrations-, Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensiven und einer globalen Expansion von Sozial- und Umweltstandards anstelle des momentanen rücksichtslosen Wettbewerbs, wäre eine solche Offensive besonders effektiv – auch ökonomisch. Achim Truger zeigt in seiner neuen Studie, dass durch eine Umsetzung der goldenen Investitionsregel die Wirtschaftsleistung 2020 um 3,5 % höher wäre – mit entsprechend positiven Effekten auf Beschäftigung und öffentliche Haushalte. Wäre sie bereits in der Vergangenheit (2010-2015) in Kraft gewesen, wäre in der Eurozone-12 die wirtschaftliche Entwicklung deutlich besser gewesen und hätten mehr als die Hälfte der Ausgabenkürzungen vermieden werden können.
Beharrungskräfte einer unzureichenden Wirtschaftspolitik
Knapp ein Jahrzehnt nach Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise mit ihren verheerenden Folgen ist es wirtschaftspolitisch nur in Ansätzen zu einem Umdenken gekommen. Trotz ambitionierter Initiativen auf internationaler wie nationaler Ebene, verstärkt auf Wohlstand und Lebensqualität statt auf bloßes Wirtschaftswachstum zu fokussieren, ist die wirtschaftspolitische Ausrichtung weitgehend unverändert geblieben – insbesondere in der europäischen Union. Sogenannte angebotsseitige Strukturreformen und Austeritätspolitik zur Beschränkung des staatlichen Handlungsspektrums sollen Exporte und damit mehr Wachstum generieren – weitestgehend ohne Berücksichtigung der damit verbundenen sozialen Kosten und der Verteilung der Wachstumsgewinne (siehe bspw. die Vorschläge der fünf Präsidenten). Zwar spielen Investitionen seit Antritt der Juncker-Kommission wieder eine größere Rolle, jedoch nur mittels Finanzierungsförderung für primär private Investitionen. Dass dieser Ansatz zur Förderung von Wohlstand und Lebensqualität wenig beiträgt, zeigt die Entwicklung der letzten Jahre.
Ohne Regeländerung bzw. Politikwechsel droht eine Fortsetzung des zu niedrigen Investitionsniveaus. Vor der Krise gab es – nach der europaweiten Konsolidierungsperiode 1994-1997 und mit Ausnahme von Deutschland sowie Österreich unter der schwarz-blauen Regierung – zwar einen leicht steigenden Trend bei den öffentlichen Nettoinvestition (also Investitionen abzüglich Abschreibungen). Doch mit der Austeritätspolitik ab 2010/11 brachen die Investitionen drastisch ein, obwohl sie für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung die wichtigsten Staatsausgaben darstellen.