Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Integration von MigrantInnen sind aktuell ungünstig: Die hohe Arbeitslosigkeit mindert die Beschäftigungschancen und erhöht den Druck auf Löhne und Arbeitsbedingungen. Spezifische Maßnahmen im Bildungs- und Arbeitsmarktbereich können nur dann wirken, wenn sie von einer aktiven Wirtschaftspolitik unterstützt werden, die eine Erhöhung des Wohlstands aller in Österreich lebenden Menschen zum Ziel hat. Öffentliche Investitionen in Wohnraum, Energieinfrastruktur, öffentlichen Verkehr und soziale Dienstleistungen würden maßgeblich dazu beitragen. Die Schaffung eines Niedriglohnsektors für MigrantInnen ist für eine erfolgreiche Integration hingegen kontraproduktiv.
Gesamtwirtschaftliche Voraussetzungen für Integration
Die Wanderungsbewegungen der 1960er- bis 1990er-Jahre fanden in einem konjunkturellen Umfeld statt, das von (mehr oder weniger) stetigem Wirtschaftswachstum und einer niedrigen Arbeitslosigkeit geprägt war. Unter solchen Bedingungen sind die materiellen Voraussetzungen für Integration günstig: Die Gesamtwirtschaft profitiert von der Ausweitung des Arbeitskräfteangebots, MigrantInnen finden rasch eine Beschäftigung und tragen in der Folge zur sozialen Sicherheit aller bei.
Aktuell sind die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen weniger gut: Die österreichische Wirtschaft wächst seit fünf Jahren kaum, die Kapazitäten sind unterausgelastet, und die Arbeitslosenquote nähert sich einem Rekordwert von 10 Prozent der unselbständigen Erwerbspersonen. Dies hat zur Folge, dass die Jobchancen auch für MigrantInnen schlechter sind. Gegenwärtig ist ein großer Teil der Migration dadurch geprägt, dass Menschen zur Flucht gezwungen sind, wodurch die Einwanderung unabhängig von den tatsächlichen Jobaussichten steigt.
Unter solchen Rahmenbedingungen verschlechtert sich auch die Perspektive der bereits länger hier lebenden Menschen. Der Konkurrenzkampf um die verfügbaren Arbeitsplätze – insbesondere innerhalb der Einstiegsbranchen in den Arbeitsmarkt – nimmt zu, wodurch auch der Druck auf Löhne und Arbeitsbedingungen steigt. Zudem wird – mit Verweis auf das Ziel eines ausgeglichenen Staatshaushaltes – immer öfter über die Beschränkung von Sozialleistungen nachgedacht. Das schürt Abstiegs- und Verdrängungsängste und verstärkt vielfach die Tendenz, MigrantInnen von Wohlstand und sozialer Sicherheit ausschließen zu wollen.
Bessere Perspektiven für alle statt fortgesetzter Austeritätspolitik
Die Chancen von neu Zugewanderten zu verbessern, ohne gleichzeitig jene der schon länger hier lebenden Menschen zu verschlechtern, ist Aufgabe einer verantwortungsvollen Wirtschaftspolitik, der sie gegenwärtig allerdings kaum nachkommt. Nachdem die Finanz- und Wirtschaftskrise – nach einer kurzen „Schrecksekunde“ – zur Staatsschuldenkrise umgedeutet wurde, schränkten die EU-Regierungen die Möglichkeiten einer aktiven Fiskalpolitik durch neue, verschärfte Regeln weiter ein. Die Senkung der öffentlichen Ausgaben steht seither im Mittelpunkt aller wirtschaftspolitischen Anstrengungen. So hat sich auch in Österreich das strukturelle Defizit von 2011 bis 2014 jedes Jahr durchschnittlich um ein halbes Prozent des Bruttoinlandsprodukts verringert – und der Staat dadurch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage um diesen Betrag geschmälert. Die Unternehmensinvestitionen sind in all den Jahren nicht gestiegen, wozu vor allem die schwache Nachfrage und die fortdauernde Verunsicherung durch die Diskussion über den (angeblich schlechten) Wirtschaftsstandort beigetragen haben dürften.
2016 dürfte die österreichische Wirtschaft erstmals seit Jahren wieder mit Raten von über einem Prozent wachsen. Zu einem guten Teil ist das jedoch den Ausgaben für die Grundversorgung von Asylsuchenden geschuldet, deren Zahl im Vorjahr stark angestiegen war. Der Großteil des Geldes geht an heimische HerbergsbetreiberInnen und gemeinnützige Organisationen, die damit Einzelhandel, Lebensmittelproduktion und Bau anregen. Die Fiskalpolitik wirkt dadurch zwar wieder unterstützend für die Konjunktur. Mittelfristig dürfte die (erzwungene) Ausweitung der öffentlichen Ausgaben allein aber nicht ausreichen, um günstige gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen für die Integration von MigrantInnen zu schaffen.
Unterstützung nützt allen, Diskriminierung niemanden
Gegenwärtig dreht sich die Diskussion um die richtige wirtschaftspolitische Antwort auf die Flüchtlingsmigration hauptsächlich darum, Sozialleistungen wie beispielsweise die bedarfsorientierte Mindestsicherung für anerkannte Flüchtlinge einzuschränken, oder durch eine Aufweichung von kollektivvertraglichen Regelungen einen Niedriglohnsektor zu schaffen, in dem MigrantInnen beschäftigt werden können. Das hätte fatale Folgen: Es würden zwei Klassen von ArbeiterInnen und BezieherInnen von Sozialleistungen geschaffen. Verfestigt sich diese Trennung, dann würde MigrantInnen der Zugang zum regulären Arbeitsmarkt praktisch unmöglich gemacht.
Gerade Erfahrungen aus Deutschland zeigen, dass der Übertritt aus dem Niedriglohnsektor in besser bezahlte Beschäftigungsverhältnisse oft nur schwer möglich ist. Die Gesellschaft würde so faktisch gespalten und die Konflikte zunehmen; das genaue Gegenteil einer erfolgreichen Integration fände statt. Der prekäre Status von MigrantInnen würde auch den Druck auf den regulären Arbeitsmarkt weiter erhöhen, da sie aus Unternehmenssicht eine günstige Alternative zu den teureren, länger hier lebenden Menschen darstellt. Zudem dürften Niedriglohneinkommen größtenteils nicht ausreichen, um in Österreich unter würdigen Umständen zu leben, sodass die bedarfsorientierte Mindestsicherung trotz Beschäftigung weiterhin in Anspruch genommen werden muss.
Arbeitsmarkt- und Bildungsmaßnahmen als unabdingbare Voraussetzung für Integration
Um eine erfolgreiche Integration von MigrantInnen in die Gesellschaft zu gewährleisten, müssen vielmehr verstärkt gezielte arbeitsmarkt- und bildungspolitische Anstrengungen unternommen werden. Wesentliche Elemente könnten sein:
- Eine genaue Erhebung der Qualifikationen und Kompetenzen, eine einfachere Anerkennung formaler ausländischer Bildungsabschlüsse sowie die Möglichkeit, informelle Qualifikationen zu formalisieren und weitere Bildungsabschlüsse im Inland zu erwerben.
- Eine individuell abgestimmte Sprach- und Berufsausbildung bereits während des Asylverfahrens, auch durch zeitlich begrenzte, öffentlich subventionierte Tätigkeit in Betrieben.
- Die Möglichkeit, bereits während des Asylverfahrens eine Lehre nicht nur in Mangelberufen zu beginnen und diese auch bei negativem Asylbescheid abschließen zu können.
- Die Möglichkeit zur Beschäftigung von Asylsuchenden mit Arbeitsmarktprüfung, aber ohne Brancheneinschränkung während eines laufenden Verfahrens.
- Temporäre Eingliederungsbeihilfen, gemeinnützige Arbeitskräfteüberlassung oder Beschäftigungsprogramme.
- Rasche Integration von Jugendlichen in den Regelunterricht in Kombination mit intensiven Nachhilfe- und Sprachangeboten.
Alle Maßnahmen sollten zum Ziel haben, frühzeitig spezifische Angebote und Möglichkeiten für die sehr heterogene Gruppe von MigrantInnen zu schaffen, bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung aller rechtlichen und kollektivvertraglichen Regelungen. Nur so kann eine erfolgreiche Integration gelingen und der Wohlstand aller in Österreich lebender Menschen langfristig steigen.
Integrationspotenziale aktiver Wirtschaftspolitik
Damit Integration erfolgreich ist, sind bildungs- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen aber nicht ausreichend. Auch die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen verbessert werden und die Arbeitslosigkeit deutlich zurückgehen. Das kann nur erreicht werden, wenn die Wirtschaftspolitik auf nationaler und europäischer Ebene eine Kehrtwende vollzieht.