22 von 28 EU-Staaten verfügen über einen nationalen Mindestlohn. In Österreich verhandeln die Sozialpartner derzeit über eine Lohnuntergrenze von 1.500 Euro. Wo läge ein solcher Mindestlohn im EU-Vergleich? Welche Trends lassen sich bei der Mindestlohnentwicklung beobachten?
Innerhalb der EU lassen sich grundlegend zwei verschiedene Mindestlohnregime unterscheiden. In 22 von 28 EU-Staaten besteht ein universelles Mindestlohnregime mit einer allgemeinen nationalen Lohnuntergrenze, die in der Regel per Gesetz festgelegt wird. Demgegenüber verfügen sechs EU-Staaten über ein sektorales Mindestlohnregime, das keine allgemeine Lohnuntergrenze kennt, sondern lediglich eine Vielzahl von sektoralen Mindestlöhnen, die im Wesentlichen durch Kollektivverträge festgelegt werden. Kennzeichnend für die Ländergruppe mit sektoralen Mindestlohnregimen, zu der neben den skandinavischen Staaten Dänemark, Finnland und Schweden sowie Italien und Zypern auch Österreich gehört, ist zumeist eine besonders hohe Kollektivvertrags-Abdeckung.
Das österreichische Mindestlohnregime ist dabei insofern ein besonderer Fall, als es hier immer wieder insbesondere von Seiten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) Ansätze gab, die kollektivvertragliche Mindestlohnentwicklung durch eigene politisch-normative Zielvorgaben zu koordinieren. 2007 schloss der ÖGB erstmals mit der Wirtschaftskammer (WKÖ) eine Generalvereinbarung ab, wonach alle Kollektivverträge eine Lohnuntergrenze von 1.000 Euro pro Monat erreichen sollten. Aktuell wird (nach entsprechender Aufforderung durch die Bundesregierung) wiederum über eine entsprechende Vereinbarung verhandelt. Diesmal wird als kollektivvertraglicher Mindestlohn die Marke von 1.500 Euro angepeilt.
Um die unterschiedlichen Niveaus und Entwicklungsdynamiken nationaler Mindestlöhne zu untersuchen, hat das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung Ende der 2000er-Jahre eine eigene Mindestlohndatenbank aufgebaut. Mittlerweile sind nationale Mindestlohndaten für 37 Länder inner- und außerhalb Europas darin enthalten. Aktuelle Auswertungen dieser Daten finden sich in den jährlich erscheinenden WSI-Mindestlohnberichten.
Wie hoch sind die Mindestlöhne in Europa?
Gemessen in Euro, lassen sich im Hinblick auf die Mindestlohnniveaus innerhalb der EU drei Gruppen identifizieren: Die erste Gruppe mit relativ hohen Mindestlöhnen umfasst insgesamt sieben Staaten aus Westeuropa. Das höchste Mindestlohnniveau mit einem Wert von 11,27 Euro pro Stunde findet sich in Luxemburg, gefolgt von Frankreich und den Niederlanden. Am unteren Ende der ersten, westeuropäischen Gruppe stehen Deutschland und Großbritannien mit Mindestlöhnen von etwa 8,80. Im britischen Fall wird der in Euro ausgewiesene Wert jedoch durch die aktuelle Entwicklung des Wechselkurses stark unterzeichnet.
Österreich würde bei einem fiktiven Mindestlohn von 1.500 Euro im Monat und einer durchschnittlichen kollektivvertraglichen Wochenarbeitszeit von 39 Stunden einen Mindestlohn von 8,88 Euro aufweisen und läge damit knapp über dem Niveau von Deutschland. Wird von einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden ausgegangen, dann läge dieser mit 8,67 Euro sogar knapp unter dem Niveau von Deutschland. Dabei wird jedoch nicht berücksichtigt, dass in Österreich – wie auch in einigen anderen europäischen Ländern – in der Regel 13 bzw. 14 Monatsgehälter im Jahr bezahlt werden.
In einer zweiten Gruppe mit Mindestlöhnen zwischen drei und fünf Euro pro Stunde befinden sich insgesamt fünf EU-Staaten (Slowenien, Malta, Spanien, Griechenland und Portugal).
Die dritte Gruppe mit Mindestlöhnen unterhalb von drei Euro umfasst ausschließlich Länder aus Mittel- und Osteuropa. Die Mindestlöhne in Rumänien und Bulgarien liegen dabei besonders niedrig.
Wie kaufkräftig sind die Mindestlöhne?
Für eine vergleichende Analyse von Mindestlöhnen aus Sicht der ArbeitnehmerInnen ist ihre Berechnung in Euro jedoch nur bedingt aussagefähig. So können diese durch Wechselkursschwankungen verzerrt werden, wie dies am Beispiel von Großbritannien bereits erläutert wurde. Darüber hinaus spielen die jeweiligen nationalen Preisniveaus und die damit verbundenen Lebenshaltungskosten eine wesentliche Rolle, sodass den jeweiligen Mindestlohnbeträgen oft eine sehr unterschiedliche Kaufkraft gegenübersteht. Letztere kann berücksichtigt werden, indem der internationale Vergleich gesetzlicher Mindestlöhne zusätzlich in Kaufkraftstandards (KKS) durchgeführt wird.
Nationale Mindestlöhne in der EU, pro Stunde in Kaufkraftstandards (KKS)
Stand: Jänner 2017