Die Inflationsrate steigt heuer laut WIFO im Jahresdurchschnitt auf 7,8 Prozent und geht 2023 nur auf 5,3 Prozent zurück. Das Wirtschaftswachstum erreicht heuer – aufgrund eines sehr starken ersten Quartals – real sogar 4,3 Prozent. Die Prognose für 2023 wurde auf +1,6 Prozent zurückgenommen und bleibt damit optimistisch. Das Anti-Teuerungs-Paket der Regierung soll die Folgen der hohen Inflation abfedern, scheitert aber daran, den Sozialstaat armutsfest zu machen. Strukturelle Verbesserungen im Sozialstaat könnten zusammen mit einem progressiveren Steuersystem der drohenden Spaltung der Gesellschaft entgegenwirken.
Energiepreise bestimmen noch lange das hohe Niveau der Inflation
Die größte Neuerung der WIFO-Prognose besteht allerdings nicht in den teils drastischen Revisionen von Inflationsrate, Bruttoinlandsprodukt, Industrieproduktion oder Konsumnachfrage gegenüber der März-Prognose. Denn zum ersten Mal nimmt das WIFO in seine Prognose Beyond-GDP-Indikatoren auf, nämlich die Veränderung der Treibhausgasemissionen und der Emissionsintensität. Die CO2-Äquivalente verringern sich 2022 und 2023 um 1,8 bzw. 1,1 Prozent. In Relation zur realen Bruttowertschöpfung sinken sie noch deutlicher. Das WIFO nimmt mit der Erfassung der Treibhausgasemission in der Konjunkturprognose eine Vorreiterrolle ein, rasch sollten nun weitere Beyond-GDP-Indikatoren wie die Armutsgefährdung oder der Gender-Pay-Gap Eingang in die regelmäßigen Vorhersagen nehmen.
Weiterhin bestimmen die Folgen der Covid-Pandemie und des Krieges in der Ukraine die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Hohe Energiekosten, Materialknappheit durch Lieferengpässe, instabile Finanzmärkte und die andauernde Gefahr eines Gasembargos führen zu erheblicher Unsicherheit. Dies führt zu einer konjunkturellen Abschwächung, die zunächst Investitionen, Export, Industrie- und Bauproduktion erfassen wird. Das WIFO erwartet allerdings keine Rezession und legt damit eine relativ optimistische Prognose vor.
Gestützt wird die heimische Konjunktur vom starken Rückgang der Sparquote, der vor allem für obere Einkommensgruppen trotz hoher Preissteigerungen eine Ausweitung der Konsumnachfrage erlaubt. Die nach dem Boom der letzten beiden Jahre außerordentlich gute wirtschaftliche Lage der Industriebetriebe stärkt deren Resilienz und ermöglicht kaufkraftsichernde Lohnerhöhungen auch im Abschwung. Zudem unterstützt die Erholung aus der tiefen, coronabedingten Talsohle im Tourismus das Wirtschaftswachstum.
Das WIFO erwartet nun hohe Inflationsraten bis zum Jahreswechsel, auch weil keine Entspannung bei den Gas- und Strompreisen angenommen wird. Deshalb wird die Inflationsprognose für 2022 um 2 Prozentpunkte auf 7,8 Prozent angehoben. Viele Energieversorger passen ihre Preise erst mit Zeitverzögerung an. Auch im Jahresdurchschnitt 2023 bleibt die Teuerung mit 5,3 Prozent hoch. Im Jahresverlauf soll sich die Inflationsrate aber merklich abschwächen.
Großes Anti-Teuerungs-Paket mit vielen Einmaleffekten
Das sehr große und umfangreiche Anti-Teuerungspaket soll die Folgen der massiven Preissteigerungen abfedern. Die Einmalzahlungen sind vielfältig: Anhebung des Klimabonus (500 Euro für alle), eine zusätzliche Familienbeihilfe (180 Euro), der Teuerungsbonus (250 Euro), die Erhöhung der Absetzbeträge (500 Euro) und die Einmalzahlung für Sozialleistungsempfänger:innen (300 Euro). Das Gros der Entlastungen kommt aber sehr spät und deckt die gestiegenen finanziellen Belastungen vieler Menschen trotzdem nicht ab. Das verfügbare Einkommen privater Haushalte wird heuer entsprechend real um 1,1 Prozent sinken, 2023 dann wieder um 0,8 Prozent steigen. Das obere Einkommensdrittel kann dies durch Rückgriff auf die in der Covid-Krise angehäuften Sparguthaben aber problemlos kompensieren, die durchschnittliche Sparquote fällt deutlich unter das Niveau der Jahre vor der Pandemie.
Menschen im unteren Einkommensdrittel leiden besonders unter den Preissteigerungen, weil das Einkommen schon bisher kaum zum Leben reichte. Sie sind meist prekär beschäftigt, arbeiten in schlecht bezahlten Branchen oder beziehen Sozialleistungen. Arbeitslosengeld und Notstandshilfe werden mit dem Teuerungspaket weiterhin nicht valorisiert. Diese Gruppen profitieren im Anti-Teuerungs-Paket lediglich von genannten Einmalzahlungen, die „Abschaffung“ der kalten Progression ab 2023 geht spurlos an ihnen vorüber.