Energiepreiskrise und Gewinn-Preis-Spirale bremsen die Konjunktur. Zur neuen WIFO-Prognose

25. März 2022

Der verheerende russische Krieg gegen die Ukraine führt zu drastisch steigenden Energiepreisen, die die verfügbaren Einkommen und damit die Konsumnachfrage schwächen. Zudem führt die hohe Unsicherheit zur Verschiebung von geplanten Investitionen. In mehreren Branchen sind gefährliche Gewinn-Preis-Spiralen zu beobachten, die den Preisauftrieb zusätzlich verstärken. Sozialpolitische Maßnahmen zur Bekämpfung negativer Verteilungseffekte des Energiepreisschocks sind dringend erforderlich.

Steigende Energiepreise und Unsicherheit

Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat zu einem drastischen Auftrieb der Preise für Treibstoffe, Erdgas und Strom geführt. Sie bestimmen derzeit den Anstieg der Verbraucherpreise. Offen bleibt, in welchem Ausmaß sich der Preisauftrieb auf andere Branchen ausweitet. Im Jahresdurchschnitt 2022 wird die Inflationsrate laut WIFO-Prognose 5,8 Prozent betragen. 2023 wird sie sich auf 3,2 Prozent abschwächen.

Die einseitige Abhängigkeit der österreichischen Wirtschaft von Erdgas aus Russland erweist sich als gefährlich und führt nun zu erheblicher Unsicherheit über die Energieversorgung. Ein Gas-Lieferstopp brächte viele Unternehmen kurzfristig in erhebliche Schwierigkeiten und energieintensive Branchen wie die Chemie-, Papier- oder Düngerindustrie an den Rand von Produktionspausen. Die Ausgangslage in Bezug auf Produktionsniveau und Ertragslage ist für die Industrieunternehmen allerdings außerordentlich günstig. Zudem steht mit der Kurzarbeit ein bewährtes Instrument zur Bewältigung derartiger Probleme zur Verfügung.

Gewinn-Preis-Spiralen in mehreren Branchen

Der Anstieg der Preise für Strom, Gas und Treibstoffe schwächt die Kaufkraft der privaten Haushalte und trifft ärmere Haushalte besonders stark, die für den Weg zur Arbeit auf ihren Pkw angewiesen sind oder ihre Mietwohnung mit Gas oder Strom heizen. Sie werden nun zusätzlich von der Mietpreis-Spirale erfasst: Die höhere, energiepreisgetriebene Inflation führt ab April zu einer automatischen Erhöhung der Richtwert- und Kategoriemieten, die voraussichtlich fast 6 Prozent betragen wird. Das ist eine ungerechtfertigte Umverteilung zu Vermieter:innen und treibt die Inflation weiter an.

Energieversorgungsunternehmen, die kostengünstig mit dem Einsatz von Wasser, Sonne und Wind Strom erzeugen, profitieren vom enormen Anstieg der Verkaufspreise und machen nun unerwartet hohe Gewinne. Ähnliches gilt für die Mineralölkonzerne: In den letzten Wochen erhöhten sie ihre Gewinnspannen um das 1,5-Fache. Auch das erhöht Gewinne und Inflation.

In der Hotellerie und Gastronomie zeigt sich eine ähnliche Preisdynamik: Die Rückführung der Mehrwertsteuersenkung auf das normale Niveau wird in erheblichem Ausmaß an die Konsument:innen überwälzt: Im Februar 2022 betrug die Preissteigerung in diesem Bereich 6,7 Prozent. Die Weitergabe der Mehrwertsteueranpassung wirkt als Preistreiber zulasten der Gäste.

Die Anhebung der Nettomieten trägt heuer etwa ¼ Prozentpunkt zur Inflationsrate bei, die Überwälzung der Mehrwertsteuerrückführung in Gastronomie und Beherbergung etwa einen weiteren ¼ Prozentpunkt. Dazu kommen die Übergewinne in der Energiewirtschaft, die die Preise derzeit in hohem Ausmaß belasten. In vielen anderen Branchen wird der allgemeine Preisauftrieb zur Erhöhung der Gewinnaufschläge genutzt. Die Gewinn-Preis-Spirale trägt somit wesentlich zu den höheren Preisen auf Verbraucher:innenebene bei.

Konjunktur verliert dadurch an Dynamik

Der russische Krieg gegen die Ukraine führt in Österreich zu einer erheblichen Abschwächung der Konjunktur. Der reale Rückgang der verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte wird zwar durch ein paralleles Sinken der Sparquote abgefedert, bremst aber dennoch die private Konsumnachfrage erheblich. Die durch Sanktionen beeinträchtigten Exporte nach Russland wirken sich zwar unmittelbar kaum auf Österreich aus, doch die schwächere Konjunktur bei den Handelspartnern dämpft den Anstieg des Exports. Zudem veranlasst die erhebliche Unsicherheit die Unternehmen, geplante Investitionsprojekte aufzuschieben.

Dadurch verliert die wirtschaftliche Erholung in Österreich merklich an Schwung. Das WIFO bliebt aber relativ optimistisch und revidiert die Prognose für das reale Wirtschaftswachstum von ursprünglich +5,2 Prozent auf nunmehr +3,9 Prozent. Auch für 2023 wird die Prognose etwas nach unten korrigiert (+2,0 Prozent). Trotz des schwächeren Wachstums sinkt heuer die Zahl der Arbeitslosen um 55.000, 2023 hingegen kaum noch. Die Zahl der Arbeitslosen (ohne Schulungsteilnehmer:innen) ist dann mit 272.000 immer noch recht hoch.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Rasche Maßnahmen zum Kaufkrafterhalt notwendig

Das Verhindern der Gewinn-Preis-Spiralen wäre ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der Kaufkraft und zur Vermeidung endogenen Preisauftriebs. Im Bereich des Wohnens wäre das durch das Aussetzen der Anpassung der Richtwert- und Kategoriemieten und die enge Begrenzung der Spielräume für befristete Mietverträge möglich. Eine geeignete Abschöpfung der Übergewinne der Energieunternehmen kann durch eine entsprechende Steuer erfolgen. Die erhebliche Preisüberwälzung in Restaurants und Hotels wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn sich Arbeitsbedingungen und Entlohnung in der Branche deutlich verbessern. Davon ist bislang nichts zu bemerken.

Das kürzlich vorgestellte Energiepaket der Regierung enthält manche sinnvolle Maßnahme, zentrale sozialpolitische Anliegen werden aber nicht berücksichtigt. Der Sozialstaat war bereits vor der COVID- und Energiekrise nicht armutsfest. Nun sind eine rasche Heranführung von Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung (ganz besonders für Mehrkindfamilien), von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe sowie der Ausgleichszulage an die Armutsgefährdungsgrenze von hoher Dringlichkeit. Einmalzahlungen können die Energiearmut lindern. Abschaltverzicht durch Energieversorger, Recht auf Ratenzahlung und eine temporäre Senkung der Mehrwertsteuer auf Strom und Gas wären weitere wichtige Instrumente.

Fazit

Der Energiepreisschock bewirkt eine unvermeidbare Umverteilung zulasten der österreichischen Wirtschaft. Dies bremst die Konjunktur. Die wirtschaftlichen Kosten müssen fair verteilt werden. In diesem Sinn gilt es, das Entstehen von Gewinn-Preis-Spiralen im Ansatz zu bekämpfen. Das erfordert eine mutige Wirtschaftspolitik, die sich auch gegen einflussreiche Lobbys aufzutreten traut. Armutsgefährdete Haushalte müssen in besonderem Ausmaß vor den Folgen der hohen Preise geschützt werden. Wann, wenn nicht jetzt in der Energiekrise muss es gelingen, den Sozialstaat, der in der COVID-Krise eine wahre Sternstunde erlebt hat, armutsfest zu machen?

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