Es ist zu befürchten, dass in diesem Winter ein massives Ansteigen von Energieabschaltungen bevorsteht. Die Corona-Krise ist bei vielen Haushalten noch nicht verdaut, zahlreiche Menschen haben als Folge von Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit nach wie vor finanzielle Engpässe. In Kombination mit den steigenden Preisen führt dies dazu, dass das Begleichen der Energierechnung für immer mehr Betroffene zu einer massiven Herausforderung wird.
Steigende Energiepreise in Kombination mit anderen Teuerungen sind eine gewaltige Bedrohung für Menschen mit niedrigen Einkommen.
Das Problem verschärft sich, weil auch noch andere Kostensteigerungen besonders Kleinverdiener/-innen belasten: Die allgemeine Preissteigerung seit Jahresbeginn beträgt 2,5 Prozent, der Mini-Warenkorb (Güter des wöchentlichen Bedarfs) stieg seither um 4,9 Prozent. Beim Mikro-Warenkorb kommen wir zwar im Mittel „nur“ auf 2,3 Prozent, aber bei den Lebensmitteln sind es dann wieder satte 4,4 Prozent, bei Fleisch bis zu 10 Prozent und bei Gemüse im Durchschnitt 10 Prozent (siehe Statistik Austria). Das wird wohl durch keine der Kollektivvertrags-Lohnerhöhungen kompensiert werden!
Zusätzlich wird seit vielen Jahren Wohnen immer teurer, wirksame Maßnahmen dagegen sind leider noch immer ausständig. Die Betroffenen leiden unter der Last, Unterstützung seitens der Politik wäre ganz dringend erforderlich. Seit dem Jahr 2010 sind z. B. in Oberösterreich die durchschnittlichen Nettomieten um fast 30 Prozent gestiegen, die Betriebskosten um rund 22 Prozent.
Nun „galoppieren“ plötzlich auch noch die in den letzten Jahren eher stabilen Energiepreise an den Rohstoffmärkten davon. Das bringt zusätzliche Sorgen gerade für Menschen mit geringem Entgelt: Wenn das verfügbare Einkommen immer weiter sinkt, dann wird es beim Bezahlen der Energierechnung eng. Essen und Trinken sind noch wichtiger als eine warme Wohnung, das ist eine tragisch-zynische Prioritätensetzung, zu der immer mehr Menschen gezwungen sind.
Sozialorganisationen bestätigen den Trend: Die Zahlungsrückstände bei Strom, Gas und Wärme steigen bereits deutlich an, obwohl der Winter gerade erst einmal begonnen hat. Auch die Zahl der Abschaltungen der Energieversorgung nimmt schon zu, nur einige wenige Unternehmen, wie z. B. die Linz AG, verzichten vorübergehend freiwillig darauf. Für so lobenswerte Initiativen gilt aber am Ende leider auch das Prinzip: „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“: Irgendwann muss es ja doch einen Modus geben, mit den teilweise massiven Schulden der betroffenen Kundinnen und Kunden umzugehen.
Die Ursache von Energiearmut ist Armut an sich.
Nicht nur Corona droht beides massiv zu verschärfen!
Die Politik kann und darf sich an diesem Thema nicht vorbeischwindeln. Sie hat massive Verantwortung für Menschen, die fast ausschließlich unverschuldet wegen finanzieller Engpässe in eine Notlage geraten sind oder zu geraten drohen. So gesehen ist es unverständlich, dass sich Österreichs Umweltministerin auf die Seite jener EU-Staaten gestellt hat, die gegen Eingriffe in den Energiemarkt sind. Ein Verzicht auf jeglichen Eingriff in (nicht funktionierende) Märkte kommt einem freiwilligen Verzicht der Politik auf Gestaltung und Einflussnahme gleich. Man könnte auch sagen: ein „Verzicht“ auf die Übernahme von Verantwortung!
Aber abgesehen von dieser Debatte, die ohnehin eher die langfristige Perspektive darstellt, ist dringende kurzfristige Unterstützung erforderlich, um ein massives Ansteigen von (Energie-)Armut zu verhindern. Die Betroffenen müssen JETZT entlastet werden. Dafür gibt es sehr wohl effiziente Maßnahmen, wie sie auch die Arbeiterkammer OÖ als Sofort-Hilfspaket fordert:
- eine zumindest vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer auf Energiepreise, insbesondere Gas und Strom,
- einen administrativen Höchstpreis pro kWh Strom wenigstens für die Zeit der Energiemarktprobleme,
- Vereinbarungen mit den Energieversorgungsunternehmen über einen Verzicht auf Energieabschaltungen mit sofortiger Wirkung,
- deutliche Erhöhung des Heizkostenzuschusses für sozial bedürftige Menschen.
Für den Verzicht auf Energieabschaltungen könnte/sollte es eine Kostenbeteiligung durch die öffentliche Hand nach dem Vorbild des Corona-Umsatzersatzes geben. Das muss nicht eins zu eins der Einnahmenentfall (entgangener Umsatz) sein, weil wir es bei diesem Thema ohnehin oft mit uneinbringlichen Forderungen zu tun haben und außerdem auch mit Ersparnissen der Energieversorger bei den Kosten des Mahnwesens zu rechnen wäre.
Gerade Menschen mit geringem Einkommen drohen jetzt massiv unter die Räder zu kommen, (Energie-)Armut ist für viele erstmals eine reale Bedrohung geworden und wird somit neue Dimensionen erlangen. Die Politik darf sich ihrer Verpflichtung nicht entziehen und hat dafür zu sorgen, dramatische Notlagen zu verhindern. Keinesfalls dürfen jetzt Kinder frieren, weil das Problem zu spät erkannt bzw. nicht rechtzeitig gegengesteuert wurde! Der „Verzicht auf die Übernahme von Verantwortung“ darf keine Option sein!