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Wer profitiert von den steigenden Energiepreisen?
Die AK beobachtet seit 2008 mit ihrem Energiepreismonitor die Lage am heimischen Energiemarkt. Sie vergleicht dabei die Großhandelspreise für Strom und Gas mit den Haushaltsenergiepreisen der 14 größten Strom- und 12 größten Gasanbieter in Österreich. Dabei zeigt sich in einem Beobachtungszeitraum von über 10 Jahren, dass Preisreduktionen an den Börsen nur sehr langsam oder gar nicht an die Konsument:innen weitergegeben werden. Auf der anderen Seite werden Preiserhöhungen, wie jetzt gerade, sehr schnell auf die Endverbraucher:innen abgewälzt. Besonders deutlich wurde das zu Beginn der Coronapandemie: ÖGPI und ÖSPI brachen 2020 teilweise massiv ein – die Konsument:innen hatten davon jedoch nichts. Seit Sommer 2021 steigen die Preise nun wieder und einige Energielieferanten haben nicht gezögert, ihre Haushaltskund:innen das sofort spüren zu lassen. Viele weitere Lieferanten haben seither nachgezogen. Spätestens im Sommer 2022, wenn die Jahresabrechnungen fällig werden, drohen vielen Konsument:innen Nachzahlungen und höhere Teilbetragszahlungen. Die Kostenbelastung rollt damit endgültig auf die Konsument:innen zu.
Einige Energieversorgungsunternehmen produzieren selbst Strom aus rohstoffunabhängigen Quellen (Wasserkraft-, Windkraft- oder Photovoltaikanlagen). Sie profitieren von den höheren Stromgroßhandelspreisen durch deutlich höhere Verkaufspreise bei konstanten Herstellungskosten. Dies lässt sich auch an den Börsenkursen dieser Unternehmen beobachten. Und auch die öffentliche Hand profitiert von den steigenden Energiepreisen: sie erhält höhere Umsatzsteuereinnahmen und als Eigentümerin auf Landes- und Bundesebene mehr Dividenden von den eigenen Energieunternehmen. Diese Mehreinnahmen sollten genutzt werden, um Konsument:innen zu entlasten – und vor allem einkommensschwache bzw. energiearme Haushalte zu unterstützen.
Energiearmut wird plötzlich für viele „spürbar“
Besonders für energiearme Haushalte ist die derzeitige Preisexplosion kaum noch zu stemmen. Dort, wo finanzielle Schwierigkeiten aufgrund von geringem Einkommen auf hohe bzw. steigende Energiepreise, prekäre Wohnverhältnisse und schlechten thermischen Wohnstandard bzw. veraltete Geräteausstattungen treffen, ist die Situation schon jetzt prekär. Betroffene Personengruppen können Energie nicht mehr in dem Umfang nutzen, wie sie es gerne tun würden – oder wenn sie es tun, bringt sie ihr Energieverbrauch sehr bald in die Schuldenfalle. Häufig kämpfen betroffene Haushalte – trotz sparsamen Verhaltens – mit Energieschulden, beispielsweise, weil ihre Wohnräume schlecht isoliert sind oder Heizungssysteme und Elektrogeräte veraltet und ineffizient sind. Diese Haushalte sind dann sogar doppelt belastet; es ist immer noch kalt in der Wohnung und die Energieschulden müssen bezahlt werden.
Einkommensschwache Haushalte zahlen bereits jetzt einen höheren Anteil ihres verfügbaren Haushaltseinkommens für Energie als österreichische Durchschnittshaushalte. Energiearme Haushalte geben sogar 20 % ihres Einkommens für Energie aus, um es in der Wohnung warm und hell zu haben. Überdurchschnittlich oft nutzen diese Haushalte Elektroheizungen oder haben gar kein fest installiertes Heizungssystem in ihrer Wohnung eingebaut, wie eine Studie der Wirtschaftsuniversität Wien im Auftrag der Arbeiterkammer zeigt. Auch Gas wird von den ärmsten der Armen häufig genutzt, rund 30 % dieser Haushalte heizen mit Gas. Strom stellt dabei eine noch größere Herausforderung dar. Kann die Stromrechnung nicht mehr bezahlt werden, heißt das gleichzeitig das Aus für die strombetriebene Heizung, sogar wenn ein Radiator als letzter Ausweg genutzt wurde, um es ein bisschen warm zu haben. Doch diese Geräte sind meist auch regelrechte Stromfresser und bringen die Spirale aus hohen Kosten, kalten Wohnräumen und ineffizienten Geräten erst richtig in Gang.
Preiserhöhungen, wie jene, die wir aktuell in einem historischen Ausmaß erleben, stellen nicht nur energiearme Haushalte vor große Probleme. Auch für Mittelverdiener:innen oder Pensionist:innenhaushalte, für die sich durch ihr Einkommen oder ihre Pension bisher nie die Frage nach einer offenen Energierechnung stellte, wird die gestiegene Kostenbelastung durch Strom, Gas und Wärme immer spürbarer. Haushalte aus dem Osten Österreichs, die Strom und Gas verwenden, sind abhängig vom Verbrauch allein durch den Anstieg der Energiepreise mit Mehrkosten von rund 250 bis 600 Euro pro Jahr konfrontiert. Die Energierechnung besteht – neben dem reinen Energiepreis – noch aus zwei weiteren Komponenten: den Netzkosten und den Steuern und Abgaben. Im kommenden Jahr werden auch die Netzkosten um bis zu 8 % bei Gas und um bis zu 15 % bei Strom steigen und die jährliche Gesamtenergierechnung noch weiter verteuern.
Die Energiewende muss leistbar bleiben
Es ist unerlässlich, dass Energie als zentraler Teil der Daseinsvorsorge weiterhin leistbar bleibt. Nur so kann die Energiewende und damit das Ziel „klimaneutrales Österreich 2040“ erreicht werden. Dafür gibt es kein Patentrezept, aber einen großen Werkzeugkasten an möglichen Maßnahmen, der auch genutzt werden muss.
Die öffentliche Hand muss ihre Verantwortung wahrnehmen, denn sie selbst hat alle Karten in der Hand: sie ist Eigentümerin der wichtigsten Energieversorgungsunternehmen in Österreich und politische Entscheidungsträgerin – beide Rollen müssen aktiv wahrgenommen werden. Bisher hat die Politik diesen Spielraum auch schon teilweise genutzt, angesichts der momentanen Entwicklungen jedoch nicht ausreichend.
So wurden vor Kurzem etwa Ratenzahlungsvereinbarungen von bis zu 18 Monaten und die Aussetzung der Ökostromförderpauschale (in der Höhe von rund 45 Euro brutto) beschlossen. Erst letzte Woche hat die Bundesregierung im Zuge eines Energiegipfels nun auch finanzielle Zuschüsse, insbesondere für einkommensschwache Haushalte, vorgestellt: Alle österreichischen Haushalte sollen in der Höhe von 150 Euro unterstützt werden. Einkommensschwache Haushalte sollen zusätzlich weitere 150 Euro erhalten und somit in Summe 300 Euro an Zuschuss. Vorausgesetzt, diese Gelder kommen rasch bei den Betroffenen an, ist das prinzipiell ein guter erster Schritt. Allerdings ergaben Berechnungen der Arbeiterkammer, dass allein die Corona-Krise einkommensschwache Haushalte bisher mit circa 720 Euro bisher belastet hat – abseits der Energiepreisentwicklungen. Die oben erwähnten Mehrbelastungen durch gestiegene Energiepreise bzw. (angekündigten) Preiserhöhungen vieler Energieversorger sind in dieser Zahl noch nicht enthalten. Es ist daher zu befürchten, dass diese durchaus lobenswerte Maßnahme zu wenig und zu spät ist, um eine wirkliche Entlastung für die von (Energie)Armut betroffenen Bevölkerungsgruppen zu erreichen.
Einen wichtigen Hebel, um einkommensschwacher Haushalte zu erreichen, haben die Bundesländer, doch auch auf Bundesländerebene ist bisher weniger passiert: Diese haben die Heizkostenzuschüsse nur geringfügig oder gar nicht angepasst. Doch gerade über die Höherdotierung der Heizkostenzuschüsse wäre eine Unterstützung (energie)armer Haushalte rasch möglich, weil für die Auszahlung Strukturen und Abläufe bereits implementiert sind. Auch eine befristete Umsatzsteuersenkung würde rasch und unkompliziert allen zugutekommen, wie dies auch die EU-Kommission in ihrer Toolbox vorschlägt. Der Maßnahmenkoffer, der Österreichs Politik zur Verfügung stünde, ist also bisher nur teilweise ausgeschöpft worden.
Neben Sofortmaßnahmen braucht es aber auch langfristige Lösungen. So sollte ein Energie- und Klimahilfsfonds eingerichtet werden, der Energiearmut langfristig und nachhaltig bekämpft oder eine dauerhafte Steuerreduktion auf erneuerbaren Strom in Betracht gezogen werden. Letzteres, damit der Umstieg auf den erneuerbaren Energieträger Strom auch in Zukunft attraktiv bleibt und die Energiewende nicht ausgebremst wird.
Zusätzlich zur Politik sind aber auch andere Akteure der Energiepolitik dringend gefordert, ihre Verantwortung wahrzunehmen. Ein erster wichtiger Schritt ist dabei der unlängst bekanntgegebene freiwillige Abschaltverzicht der Strom- und Gasbranche bis Ende März 2022. So sehr das im Winter helfen mag, umso notwendiger ist eine langfristige Perspektive für Konsument:innen, dass Energie leistbar bleibt. Vonseiten der Energieversorger braucht es daher einerseits die Einrichtung eines Sofort-Hilfsfonds sowie Beratungsstellen für energiearme Haushalte und andererseits stabile, längerfristige „Standardtarife“, die nicht direkt an die Entwicklungen der Großhandels- oder Börsenpreise gekoppelt sind.
Gleichzeitig ist auch die Regulierungsbehörde E-Control auf nationaler und die EU-Kommission auf europäischer Ebene gefordert: Die Energiemärkte und ihre Akteur:innen müssen genauer unter die Lupe genommen werden. Zusätzlich sind auch wirksame Maßnahmen gegen Spekulationen an den Energie-Börsen wichtig, um zu bezahlbaren Energiepreisen für Haushalte und Unternehmen zu kommen. Nur so kann die Versorgungssicherheit bzw. Krisenfestigkeit der Energiesysteme der EU aufrechterhalten werden.
Wichtig ist, jetzt zu handeln, um die notwendige Akzeptanz der Bevölkerung für die Energiewende nicht aufgrund hoher Kosten zu gefährden. Ein breiter Maßnahmenmix liegt vor und ist auch durchaus leicht umsetzbar. Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit können Hand in Hand gehen – wenn die beteiligten Akteur:innen an einem Strang ziehen.
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