Für energiearme und finanziell benachteiligte Haushalte stellt die uns alle betreffende Energie- und Klimawende eine besondere Herausforderung dar. Gerade Haushalte mit geringen Einkommen leben oft in Wohnungen und Häusern, die thermisch schlecht ausgestattet sind. Sie müssen daher mit sehr kalten Wohnräumen im Winter, sehr heißen im Sommer zurechtkommen und haben hohe Energiekosten zu tragen.
Die COVID-19-Krise hat ihre Situation durch unterschiedliche Faktoren – weniger Einkommen aufgrund von Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit, höherer Energieverbrauch in der Lockdown-Phase etc. – zusätzlich verschärft. Dieser benachteiligten Gruppe muss jetzt – in der Krise – und auch bei der Energiewende besondere Aufmerksamkeit zukommen. Bei der Umstellung des Energiesystems ist sie auf besondere Unterstützung angewiesen. Es muss das Ziel sein, dass die Teilhabe an einer klimaneutralen Zukunft nicht nur allen ermöglicht wird, sondern dass auch alle davon profitieren.
Energiearmut gab es schon vor der Corona-Krise
Bereits vor der Corona-Pandemie gab es viele Haushalte, die als energiearm zu bezeichnen waren. Dabei spielen unterschiedliche Einflussfaktoren eine wichtige Rolle: Neben finanziellen Faktoren, wie geringem Einkommen oder hohen/steigenden Energiepreisen, spielen auch Wohnverhältnisse bzw. Gebäudeausstattungen (Stichwort thermische Effizienz) sowie soziale und kulturelle Praktiken im Umgang mit bzw. Wissen über Energie, aber auch lokale Besonderheiten (z. B. Stadt-Land-Unterschiede) eine wichtige Rolle. Betroffene Personengruppen haben dabei eines gemeinsam: Sie können Energie nicht in dem Umfang nutzen, wie sie es gerne tun würden, oder dieses Verhalten bringt sie sehr bald in die Schuldenfalle, falls sie es doch tun. Häufig kämpfen betroffene Haushalte – trotz sparsamen Verhaltens – mit Energieschulden, beispielsweise weil deren Wohnräume schlecht isoliert sind oder Heizungssysteme und Elektrogeräte veraltet und ineffizient sind. Diese Haushalte sind dann sogar doppelt belastet; es ist immer noch kalt in der Wohnung, und Energieschulden müssen bezahlt werden. Im Jahr 2019 konnten es sich knapp 160.000 Personen in Österreich nicht leisten, die Wohnung im Winter warm zu halten, 372.000 Personen konnten ihre Energierechnungen nicht pünktlich zahlen, über 400.000 Personen konnten sich keine Waschmaschine oder einen Geschirrspüler leisten, und über 820.000 Personen waren mit Feuchtigkeit oder Schimmel in ihren Wohnräumen konfrontiert (158.000 davon waren Kinder und Jugendliche unter 17 Jahren).
In der Krise verschärfte sich die Situation
Während der Corona-Pandemie zeigte sich, wie wichtig eine sichere Versorgung mit Energie ist, denn ohne Strom, Heizung oder Warmwasser wird ein normaler Alltag schnell zur Herausforderung. Da wir plötzlich alle aufgefordert waren, zu Hause zu bleiben, erhöhten sich der Energieverbrauch und dementsprechend auch die Kosten, die Haushalte dafür zu tragen hatten. Diese Situation stellte viele Menschen vor große Probleme, vor allem jene, die davor schon einen großen Anteil ihres niedrigen Einkommens für Wohnkosten (Miete und Energie) aufbringen mussten. Zusätzlich verschärft traf es jene, die aufgrund der Krise in Kurzarbeit geschickt wurden oder sogar ihren Arbeitsplatz verloren.
Die Strom- und Gasversorger reagierten darauf, indem sie eine Vereinbarung mit dem Klimaschutzministerium trafen, wonach sie für den Zeitraum Ende März bis Ende Juni 2020 freiwillig auf Abschaltungen von Strom und Gas bei HaushaltskundInnen und kleinen Unternehmen – auch bei Zahlungsverzug oder Vorliegen von Schulden – verzichteten. In weiterer Folge sollte betroffenen KundInnen mit Ratenzahlungen und Zahlungsaufschub geholfen werden.
Ein Monitoring der zuständigen Aufsichtsbehörde E-Control ergab für die Monate April, Mai und Juni folgenden Befund:
- Bei Strom wurden über 10.900,
- bei Gas 3.500
Abschaltungen in diesen Monaten nicht durchgeführt.
Zusätzlich wurden im Strombereich
- bei 24.000 Haushalten Teilzahlungsbeträge reduziert,
- über 19.000 Stundungen gewährt sowie
- rund 7.000 Ratenzahlungsvereinbarungen abgeschlossen.
Dies waren grundsätzlich wichtige Maßnahmen, um Haushalten rasch und unkompliziert Hilfe zukommen zu lassen. Eine nachhaltige Strategie wurde jedoch nicht entwickelt. Was passiert nach Auslaufen der Branchenvereinbarung, wenn Haushalte immer noch finanziell belastet sind? Das Monitoring der E-Control zeigt, dass sich die finanzielle Situation für viele Haushalte seit dem Lockdown nicht verbessert hat – im Gegenteil: Im Juni stiegen die Zahlen nochmals deutlich. Bei Fälligstellung der offenen Energierechnungen droht eine Welle von Abschaltungen.
Dies zeigt auch ein weiterer Bericht der E-Control, der erst kürzlich veröffentlich wurde: So stiegen bei Strom die Abschaltungen wegen Nichtzahlung der Energierechnungen von Juni auf Juli von 321 auf 1.261, im August kamen nochmals rund 1.500 Abschaltungen dazu. Viel alarmierender ist jedoch die hohe Anzahl letzter Mahnungen, also jene Mahnschreiben, in denen die Abschaltung angekündigt wird. Im Vorjahresvergleich zeigt sich, dass Strom- und Gaslieferanten im heurigen Juli doppelt so häufig mahnten als im Juli letzten Jahres In Summe wurden von Lieferanten und Netzbetreibern
- bei Strom im Juli über 42.000 und im August knapp 29.000 letzte Mahnungen versendet
- bei Gas im Juli knapp 11.000 und im August über 8.500.
Offen ist, wie betroffene Haushalte mit diesen letzten Mahnungen umgehen. Für viele ist es schlicht nicht möglich, die offenen Rechnungen fristgerecht zu zahlen. Wichtig wäre daher, diesen Haushalten nun einerseits rasch zu helfen, in dem ähnlich wie im Frühjahr, auf Abschaltungen seitens der Strom- und Gasunternehmen aber auch der Wärmeversorger verzichtet wird – gerade jetzt, wo der Winter vor der Türe steht. Gleichzeitig braucht es aber auch realistische Möglichkeiten für die Haushalte, ihre Energieschulden zahlen zu können. Ein Recht auf Ratenzahlungsvereinbarungen bis zu 24 Monaten könnte diese Entlastung schaffen.
Damit Energiearmut allerdings langfristig und nachhaltig bekämpft werden kann, bedarf es einer umfassenderen Strategie. Wichtig wäre, eine zentrale Anlaufstelle dafür einzurichten, die sowohl beim kurzfristigen Bezahlen von Energierechnungen hilft, mittelfristig eine leistbare und durchgehende Energieversorgung sicherstellt und langfristig energiearme Haushalte bei der Teilhabe an einer klimaneutralen Zukunft unterstützt.