Schätzungen zufolge sind mehr als 200.000 Beschäftigte in Österreich lesbisch, schwul, bi-, trans- oder intersexuell (LSBTI). Wie es diesen Menschen im Job geht, steht im Zentrum einer im Auftrag der Arbeiterkammer Wien durchgeführten Studie. Dass dieser Fokus längst überfällig war, haben schon die ersten Antworten gezeigt: Von verheimlichten Partnerschaften, Ausgrenzung im Betrieb und der Belastung „sich bei neuen Kollegen immer wieder aufs Neue outen zu müssen“ war etwa die Rede. Aber auch über zahlreiche positive Reaktionen und Erfahrungen wurde berichtet.
LSBTI-Alltag in Zeiten von MeQueer
Ende August tauchte ein neuer Hashtag in den Twitter-Trends auf: Unter #MeQueer meldeten sich Personen aus der LSBTIQ-Community zu Wort und schilderten diskriminierende Erfahrungen aus ihrem Leben. Innerhalb weniger Wochen wurden mehr als 150.000 Tweets abgesetzt, die vor allem eines zeigen: Die scheinbare Akzeptanz gegenüber Menschen mit einer anderen sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität erreicht schnell ihre Grenzen – die geschilderten Fälle reichen von obszönen Witzen und Beleidigungen bis hin zu harten Diskriminierungen, die sogar in offenen Hass und Gewalt münden können.
Heterosexualität als Norm
Gerade in ihrem Beruf stoßen LSBTI-Personen immer noch häufig auf Vorurteile und Ablehnung. Auch wenn viele behaupten, dass Sexualität in ihrer Arbeit keine Rolle spielt („Arbeit ist Arbeit, privat ist privat“), sind Arbeitsplätze keineswegs nur Orte steriler Leistungserbringung. Vielmehr wird Heterosexualität oftmals in den Vordergrund gerückt und als Norm gesetzt – symbolisch etwa im klassischen Familienfoto am Schreibtisch des Chefs oder der Chefin. Alles, was von dieser Norm abweicht, wird folglich erklärungsbedürftig. Mitarbeiter*innen, die über ihr Heteroprivatleben plaudern, führen ein „ganz normales“ Gespräch in der Arbeit. Derselbe Inhalt unter den Vorzeichen einer gleichgeschlechtlichen Beziehung wird stattdessen schnell als ein zu viel an Information und als Grenzüberschreitung eingestuft.
Erstmals große Befragung von LSBTIs zu ihrer Arbeitssituation
Vor diesem Hintergrund hat das Sozialforschungsinstitut SORA 2017 im Auftrag der AK eine Studie zur Arbeitssituation von Lesben, Schwulen, bisexuellen, Trans*- und Intersex-Personen (LSBTI) in ganz Österreich durchgeführt. Auf einer eigens eingerichteten Homepage konnten Menschen, die sich der LSBTI-Gemeinschaft zuordnen, an einer Befragung teilnehmen, in der es u. a. um ihre Arbeitsbedingungen, ihre Outingsituation im Betrieb und ihre Beziehungen zu Kolleg*innen und Vorgesetzten ging. Die Studie ist statistisch gesehen zwar nicht repräsentativ, liefert aber mit ihren mehr als 1.200 Interviews erstmals umfassende Einblicke in die Arbeitssituation von LSBTIs in Österreich.
Fast jede/r Fünfte in der Arbeit nicht geoutet
Nur rund ein Viertel (23 %) spricht in der Arbeit ganz offen über die eigene sexuelle Orientierung bzw. Geschlechtsidentität. Die meisten Befragten (59 %) sprechen ihre sexuelle Orientierung bzw. Geschlechtsidentität am Arbeitsplatz zwar nicht bewusst an, reden aber auf Nachfrage darüber. 9 % lassen ihre Kolleg*innen und Vorgesetzten in einem falschen Glauben, ebenfalls 9 % halten sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität komplett geheim.