Die Bundesregierung plant eine bundesweite Reform der Mindestsicherung. Neben massiven Leistungsverschlechterungen durch Kürzung der generellen Regelsätze soll auch der Zugang für Nicht-ÖsterreicherInnen erschwert werden. Bedürftige Menschen, die auf Leistungen im Rahmen der Mindestsicherung angewiesen sind, müssen künftig mit noch weniger Mitteln auskommen. Diese Änderung sollte daher gänzlich überdacht werden und der Reformwille für die Entwicklung eines armutsfesten Systems unter Einbeziehung der betroffenen Akteure genutzt werden.
Im Rahmen des „Ministerratsvortrags“ im Mai 2018 wurden bereits erste Eckpunkte für die geplante Reform der Mindestsicherung durch die Regierung angekündigt. Unter dem Vorwand, die „ungehinderte Zuwanderung in das österreichische Sozialsystem“ neu zu regeln, soll die Mindestsicherung einer bundesweiten Reformierung durch die Schaffung eines Grundsatzgesetzes des Bundes gem. Art. 12 Abs. 1 Z 1 B-VG unterzogen werden. Das Weiterbestehen der vorherigen Bund-Länder-Vereinbarung gem. Art. 15a B-VG auf einem höheren armutsvermeidenden Niveau konnte trotz Bestreben des damaligen Bundesministers Stöger nicht mehr umgesetzt werden. Sie lief somit mit Ende 2016 aus.
Mindestsicherung gebührt nur sozial bedürftigen Menschen
Aktuell ist die Mindestsicherung landesgesetzlich geregelt. Bedürftige Menschen müssen für den Bezug keine Beiträge in die Sozialversicherung eingezahlt haben, da das Vorliegen einer sozialen Notlage als wesentliches Anspruchskriterium gewertet wird. Diese liegt vor, wenn durch eigene Mittel (Einkommen, nennenswertes Vermögen, Leistungen Dritter wie z.B. Unterhalt) der Lebensunterhalt der Familie nicht bestritten werden kann bzw. bestimmte Mindeststandards unterschritten werden. Personen, die arbeitsfähig sind, müssen ihre Arbeitswilligkeit unter Beweis stellen, sich beim AMS vormerken lassen und somit zum „Einsatz der Arbeitskraft“ bereit sein. Die Mindestsicherung kann je nach landesgesetzlicher Regelung und Anlassfall in Form von Sach- und Geldleistungen erbracht werden. Generell handelt es sich um eine steuerfinanzierte Leistung der Länder.
Die Gesamtkosten für Leistungen im Rahmen der Mindestsicherung (Lebensunterhalt, Wohnbedarf und Krankenhilfe) betrugen im Jahr 2016 laut Statistik Austria rund 924 Mio. Euro. Das sind lediglich 0,9 Prozent der gesamten Ausgaben für Sozialleistungen (rd. 106,3 Mrd. Euro im Jahr 2017). Man kann daher nicht argumentieren, dass die Kosten der Mindestsicherung das staatliche Budget derart belasten, dass solche gravierenden Einschnitte notwendig wären. Ganz im Gegenteil, man sollte soziale Investitionen zur verstärkten Re-Integration der Betroffenen ausbauen.
Mehr als 307.500 sozial Bedürftige, die meisten leben in Wien
Laut Statistik Austria bezogen im Jahr 2016 rund 307.500 Menschen eine Leistung im Rahmen der Mindestsicherung, davon waren rund 84.000 Kinder, 114.000 Frauen und circa 110.000 Männer. Die meisten BezieherInnen – rund 173.500 Menschen – leben in Wien. Die Bundeshauptstadt wäre somit von einer Reform der Mindestsicherung am stärksten betroffen. Danach folgen die Bundesländer Niederösterreich, Steiermark und Oberösterreich mit rund 30.600 bis 20.400 BezieherInnen.
Die Regierung plant, sowohl die Leistungshöhe der Mindestsicherung für bestimmte Gruppen (z.B. Kinder je nach Familienkonstellation, Nicht-ÖsterreicherInnen, Menschen mit geringer Bildung) zu kürzen, als auch den Zugang (z.B. für Drittstaatsangehörige, EU-BürgerInnen) zur Mindestsicherung zu erschweren bzw. für subsidiär Schutzberechtigte gänzlich abzuschaffen.
Regierungspläne treffen kinderreiche Familien besonders hart
Laut Vortrag an den Ministerrat soll der Höchstsatz im Rahmen der neuen Mindestsicherung in der Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes für eine Einzelperson netto (abzüglich des Krankenversicherungsbeitrags) liegen. Diese generelle Leistungshöhe für Alleinstehende bzw. Alleinerziehende entspricht somit im Jahr 2018 dem Wert von monatlich 863 Euro netto. Ausgehend von diesem Regelwert werden je nach Haushaltsform unterschiedliche Beträge gewährt. Diese sind jedoch im Vergleich zur ursprünglichen Bund-Länder-Vereinbarung zumeist geringer.
„Mindestsicherung Neu“ im Vergleich zur ursprünglichen Bund-Länder-Vereinbarung
Die prozentuellen Leistungshöhen für weitere Familienmitglieder im Haushalt wurden – mit Ausnahme der Leistungshöhe für das erste Kind und für bestimmte alleinerziehende Haushalte (aufgrund des degressiv gestaffelten Bonus für Alleinerziehende) – rapide gekürzt.
Beispielsweise sinkt die Regelleistung für jede volljährige Person in Haushaltsgemeinschaft von 75 auf 70 Prozent, ab der dritten volljährigen Person von 50 auf 45 Prozent. Noch massiver sind die Verschlechterungen für minderjährige Kinder ab dem zweiten Kind bzw. ab dem dritten Kind bei Alleinerziehenden (siehe Tabelle 1). Hier wurden die Regelsätze von 18 bzw. 15 Prozent auf 15 und 5 Prozent (ab dem dritten minderjährigen Kind) stark reduziert.
Man sieht, dass es durch die geplante „Mindestsicherung Neu“ zu einer massiven Ungleichbehandlung von Kindern je nach Haushaltsform kommt. Die Regelleistung für ein Kind in einem 3-Personen-Haushalt ist mit 216 Euro monatlich erheblich höher als beispielsweise in einem 5-Personen-Haushalt mit lediglich 43 Euro pro Monat. Am höchsten ist die Reduktion der Leistung im Vergleich zur ausgelaufenen Bund-Länder-Vereinbarung ab dem dritten Kind in der Höhe von 112 Euro monatlich bzw. 62 Euro inkl. Bonus für Alleinerziehende.
Diese geringeren Leistungshöhen sind wesentlich und benachteiligen vor allem kinderreiche Familien.