Standort-Poker – Managementinstrument zum Sozialabbau

17. Dezember 2013

Egal ob in der Banken-, Industrie- oder Bau-Branche: Standortverlegungen, häufig über die Grenzen des Landes hinaus, stehen derzeit an der Tagesordnung. Beinahe täglich berichten die Medien über einen drohenden massiven Stellenabbau an österreichischen Unternehmensstandorten, und nicht immer sind die Gründe dafür in wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu suchen. Ganz im Gegenteil, immer öfter greifen auch erfolgreiche Unternehmen auf die Möglichkeit zurück, Standorte durch die Auslagerung von Unternehmensteilen, Produktionen und Dienstleistungen zu entwerten oder sie gänzlich zu schließen. Ziel solcher Maßnahmen ist in der Regel die Profitsteigerung; Gewinne sollen maximiert und Aktionär/inn/e/n großzügig bedient werden.

 

Die Auswirkungen solcher Maßnahmen für die betroffenen Arbeitnehmer/innen, aber auch für ganze Regionen, sind verheerend.

Erleichtert wird diese Entwicklung durch die rasch voranschreitende Liberalisierung der Wirtschaft, internationale Firmenverflechtungen und neue Technologien, die den Arbeitsalltag längst durchdrungen haben.

Die neue Logik, die entsteht, entfernt sich zunehmend von unserem arbeitsrechtlichen Verständnis. Dadurch, dass Arbeitsprozesse heute von internationalen Konzernen weltweit durchgeführt werden, verlieren einzelne nationale Unternehmen dieser Konzerne zunehmend an Selbstbestimmung. Die damit einhergehende Bündelung von Macht in den Zentralen führt nicht selten zu abgehobenen Entscheidungen, die auf die Besonderheiten einzelner Standorte sowie die regionale Nachfrage viel zu wenig Rücksicht nehmen. Kurzfristige Sparziele treten an die Stelle von mittel- und langfristigen Strategien zur Qualitätssicherung und Kundenorientierung.

Handlungsbedarf ist gegeben!

Vor diesem Hintergrund darf es nicht verwundern, dass in Zusammenhang mit Standortverlegungen immer wieder über Kampfmaßnahmen der Belegschaft berichtet wird. Wenn Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen, müssen sowohl die betroffenen Betriebsratskörperschaften als auch die Gewerkschaften alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um einerseits Kündigungen zu verhindern und andererseits dafür zu sorgen, dass der Arbeitsdruck für die Mitarbeiter/innen nicht noch weiter steigt.

Doch Abhilfe zu schaffen ist nicht immer einfach. Die rechtlichen Mittel, die Betriebsräten vom Gesetzgeber eingeräumt werden, reichen angesichts der Komplexität unternehmerischer Prozesse längst nicht mehr aus. Neben den in der Arbeitsverfassung verankerten Informations- und Beratungsrechten ist es daher unumgänglich, weitreichende Strategien zur Durchsetzung der Arbeitnehmer/innen-Interessen zu entwickeln. Hierzu ist zunächst erforderlich, die Androhung einer Standortverlegung kritisch zu hinterfragen. Nicht immer ist die Standortverlegung auch tatsächlich Ziel des Unternehmens. Oft soll sie nur als Druckmittel dienen, um dem Betriebsrat Zugeständnisse bezüglich Arbeitszeit oder Entgelt abzuringen. Um derlei Finten zu durchschauen, benötigt ein Betriebsrat ein breites Hintergrundwissen zur tatsächlichen wirtschaftlichen Situation des Unternehmens. Zur Aneignung dieses Wissens empfiehlt sich neben den gesetzlich geregelten Mitwirkungsrechten des Betriebsrates auch ein reges Netzwerken.

Nur ein gut informierter Betriebsrat ist in der Lage, der Belegschaft die Situation, in der sie sich befindet, nachhaltig zu vermitteln und solchermaßen Rückhalt für allenfalls erforderliche Kampfmaßnahmen zu gewinnen.

Auswirkungen des Standortwettbewerbs

Da die Auswirkungen einer Verlegung bzw. Entwertung von Standorten weit über das betroffene Unternehmen hinausgehen, dürfen Manager/innen nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden. Je mehr Macht und Einfluss ein Unternehmen hat, desto mehr Verantwortung trägt es. Die Folgen des Standortwettbewerbs treffen nämlich auch Kund/inn/en, die unter Qualitätsverlust zu leiden haben, die regionale Arbeitsmarktpolitik und die Gesellschaft insgesamt. Arbeitslosigkeit, Ungewissheit und Existenzangst führen ebenso zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie der durch immer knappere Personalressourcen bedingte Stress. Beides belastet unsere Systeme der sozialen Sicherheit.

Leider nehmen Unternehmen ihre Verantwortung oft nicht ernst. Die Erfahrung zeigt, dass die Standortdebatte auf Managementebene als legitimes Instrument zur Durchsetzung von Konzerninteressen (z.B. Förderungen, Steuerbegünstigungen, etc.) mit dem Effekt des schrittweisen Sozialabbaus und der Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse gesehen wird, was unterm Strich zur „Umverteilung“ zulasten der Arbeitnehmer/innen führt.

Broschüre „Standort-Poker“

Dieser Problematik widmet sich eine neue Broschüre der GPA-djp.